Vor dem Schöffengericht Traunstein
Ex-Banker steckte sich 185.000 Euro in eigene Tasche

06.08.2018 | Stand 13.09.2023, 0:46 Uhr
Monika Kretzmer-Diepold
−Foto: n/a

Der Richter verurteilte den Mann wegen 115-facher Untreue in besonders schwerem Fall zu zwei Jahre neun Monaten Haft.

TRAUNSTEIN/WAGING. Einem 66-jährigen Ex-Banker und Handelsvertreter aus Waging vertrauten frühere Kunden Gelder an. Die Opfer sahen selten etwas von Ausschüttungen aus ihren Anlagen. Der frühere Filialleiter einer Bank im nördlichen Landkreis Traunstein steckte insgesamt 185 000 Euro in die eigene Tasche. Wegen 115-facher Untreue in besonders schwerem Fall verhängte das Schöffengericht am Amtsgericht Traunstein mit Richter Wolfgang Ott eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten. Der jetzige Rentner hatte sich „in allen Punkten schuldig bekannt“ und „zutiefst bereut, das Vertrauen der Kunden auf das Schändlichste missbraucht zu haben“.

2008 kündigte der Angeklagte, bereits verschuldet, bei seinem Arbeitgeber und machte sich als Finanzberater selbständig. Zu seinen Klienten zählten Kunden, die er von der Bank her seit Jahrzehnten kannte. Ab Sommer 2012 nutzte der 66-Jährige ihm übertragene Kontovollmachten, um Guthaben der Kunden für seine privaten Zwecke umzuleiten. 2016 flogen die Manipulationen auf. Der 66-Jährige erklärte: „Das finanzielle Desaster fing damit an, dass ich glaubte, ein Wohnhaus bauen zu müssen.“ Sein geerbtes Elternhaus war vorbelastet. Der Verkauf erbrachte nicht den erwarteten Betrag. Hinzu kamen finanzielle Belastungen durch die Familie. „Seitdem bekam ich nichts mehr auf die Reihe. Ich fing an, Kundengelder abzuzweigen“, schilderte der Waginger.

Eine 83-Jährige berichtete, der Angeklagte sei nach Verlassen der Bank an sie herangetreten und habe angeboten, für sie in Geldsachen alles zu machen. Sie brauche nicht mehr zur Bank zu gehen. Ihre etwa 30 000 Euro habe der Angeklagte abgehoben. „Wieviel Geld haben Sie jetzt noch?“ Auf diese Frage des Richters antwortete die Witwe: „Nichts mehr.“ Zusätzlich seien Bausparverträge und eine Lebensversicherung „fort“: „Er hat alles rausgenommen. Meine Lebensversicherung hat er mir abgeluchst.“ Der Angeklagte habe immer gesagt, alles sei gut angelegt. Erst von der Polizei habe sie die Wahrheit erfahren, so die Zeugin. Ihre Schwiegertochter wurde frühzeitig misstrauisch und erhielt mit Hilfe ihrer Hausbank das meiste Geld zurück.

„Er hat uns jahrzehntelang belogen“, rief ein 61-jähriger Zeuge. Der Richter mahnte: „Beschimpfungen kann ich nicht dulden – auch wenn ich sie nachvollziehen kann.“ Der Landwirt erinnerte sich, der Angeklagte habe ihm monatlich 2 000 bis 3 000 Euro Rendite in Aussicht gestellt: „Ich habe ihm voll vertraut.“ Bankauszüge habe er nicht bekommen. Mit Hilfe eines Anwalts fand der Geschädigte heraus, dass der Angeklagte das Konto für die Ausschüttungen aus Anlagen „geplündert“ hatte. Die Fonds seien „lauter Geraffel“ gewesen. Seine ganze Altersversorgung sei weg. Auf die Entschuldigung des Angeklagten reagierte der Geschädigte: „Das hilft mir gar nichts.“

Ein weiterer Zeuge beteuerte, er habe seinem „besten Freund“ blind vertraut: „Und noch nie hat mich jemand so ausgeschmiert.“ Ausschüttungen habe er für soziale Projekte eines Ordens verwenden wollen. Aktuell kriege er von einigen Fonds Ausschüttungen, andere Dinge habe er mit Verlust abgestoßen. Wie er insgesamt abschneide, wisse er erst 2025 bei Auslaufen der Fonds. Mit der Entschuldigung des 66-Jährigen tat sich der Zeuge nach seinen Worten „schwer“: „Noch nie hat mich jemand so enttäuscht. Wir hätten über alles reden können. Aber nicht auf die Tour…“

Mit Geld nie etwas zu tun hatte eine Zeugin, die etwa 90 000 Euro in gutem Glauben in die Hände des Ex-Bänkers gelegt hatte. Ihre Mutter habe ihm circa 200 000 Euro anvertraut. Für neue Fenster am Haus sei „auf einmal kein Geld da gewesen“. Auf den Konten des Angeklagten gibt es aktuell ein Guthaben von 32 Euro, informierte ein Polizeibeamter.

Der psychiatrische Sachverständige, Dr. Josef Eberl vom Bezirksklinikum in Gabersee, attestierte dem 66-Jährigen eine Anpassungsstörung, allerdings nicht von Krankheitswert. Zu den Tatzeiten sei er voll schuldfähig gewesen. Der Verteidiger, Ludwig Harkotte aus Traunstein, verwies auf gesundheitliche Probleme seines Mandanten. Wo das ganze Geld geblieben sei, interessierte Staatsanwältin Barbara Miller. Der 66-Jährige verneinte jeglichen Luxus.

Die Anklägerin erachtete alle Taten als nachgewiesen. Zugunsten zu werten sei das Geständnis. Den Schaden hätte der 66-Jährige angesichts seiner Einkünfte zwischenzeitlich mindern können. Die Geschädigten lebten bescheiden, hätten teils ihre Altersversorgung verloren. Eine Gesamtfreiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren sei angemessen. Verteidiger Ludwig Harkotte aus Traunstein führte an, der 66-Jährige habe geglaubt, die Finanzlöcher wieder schließen zu können. Seine Situation sei verzweifelt, „auch, weil seine Taten Menschen betrafen, die er seit langer Zeit kennt“. Der Angeklagte sei in das Ganze „schleichend reingeschlittert“. Eine Strafe mit Bewährung sei genug.

Das Schöffengericht folgte dem nicht. Zu dem Geständnis betonte der Richter, jegliches Leugnen wäre auch sinnlos gewesen. Die Taten seien „ein ganz perfides Spiel“ gewesen: „Sie haben sich die Geschädigten ausgesucht, kannten ihre finanziellen Verhältnisse bestens. Diese hatten ein geradezu unerschütterliches Vertrauen zu Ihnen.“ Der 66-Jährige habe alles von vorneherein geplant. Wären die Fonds gut gelaufen, hätte er die Ausschüttungen abgeschöpft, Verluste hätten die Opfer getragen. Das Einziehen eines Wertersatzes von gut 123 000 Euro sei von Gesetzes wegen vorgeschrieben.

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