Schaurig realistisches Szenario
Einsatzkräfte von Feuerwehr und Bergwacht simulieren Ernstfall

23.07.2018 | Stand 31.07.2023, 8:07 Uhr
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Am Samstagnachmittag, 21. Juli 2018, hat die Feuerwehr Bischofswiesen mit einem Großaufgebot der Freiwilligen Feuerwehren und der Bergwachten im Einsatzleitbereich Saalachtal die Rettungsarbeiten nach einem Flugzeugabsturz mit zehn zum Teil schwer Verletzten in rund 1.030 Metern Höhe an der Kothalm unterhalb der Törlschneid im südöstlichen Lattengebirge simuliert.

BISCHOFSWIESENER FORST Die ehrenamtlichen Einsatzkräfte konnten den abgelegenen Unfallort nur über kilometerlange, teilweise enge Forststraßen und im letzten Abschnitt nur noch zu Fuß erreichen, weshalb sie ausgedehnte Schlauchleitungen für die Löscharbeiten legen und technisches Rettungsgerät und die Patienten streckenweise zu Fuß tragen mussten. Die feuchte Witterung mit Niesel- und später Dauerregen erschwerte den Übungseinsatz zusätzlich.

Der Pilot verliert gegen 13 Uhr im Sichtflug aufgrund der tief hängenden Regenwolken an der Törlschneid die Orientierung und stürzt bei einem Notlandeversuch am Kotberggraben auf einer steilen Bergwiese ab, wobei das Flugzeug zerbricht und zu brennen anfängt; die Insassen werden zum Teil schwerst verletzt – Wanderer und Bergbauern, die Hilfe leisten wollen, setzen einen Notruf ab und werden durch die Rauchgase und das Feuer ebenfalls verletzt. Ein Organisationsteam unter der Leitung von Uli Hölzl hatte das aufwendige Szenario ausgearbeitet und vorbereitet. Am vom Landkreis für Übungen beschafften echten Flugzeug-Wrack haben Pyrotechniker und das Team für realistische Unfall- und Notfalldarstellung des Jugendrotkreuzes (JRK) ein schaurig realistisches Szenario für die teilnehmenden Ehrenamtlichen geschaffen: Explosionen, Rauch und schwere Pfählungs- und Amputationsverletzungen erwarten die ersteintreffenden Einsatzkräfte der Ortsfeuerwehr Bischofswiesen, die sofort eine Lagemeldung abgeben und nur unter Atemschutz direkt am brennendem Flieger arbeiten können.

Der Bergwachtmann Manfred Hasenknopf übernimmt aufgrund des organisationsübergreifenden, erhöhten Koordinierungsbedarfs beim großen Schadensereignis nach Artikel 15 des Bayerischen Katastrophenschutzgesetzes (BayKSG) die Rolle des Örtlichen Einsatzleiters (ÖEL) und bildet zusammen mit Feuerwehr, Bergwacht, Landrettungsdienst, Gemeindeverwaltung, Landratsamt und Polizei im Abrollbehälter Einsatzleitung des Landkreises einen gemeinsamen Führungsstab, der die komplexen Arbeiten abstimmt und koordiniert; die Feuerwehr, das Team der Unterstützungsgruppe Sanitätseinsatzleitung (UG-SanEL) des Fachdienstes „Information und Kommunikation“ der BRK-Bereitschaften, die Gruppe für Lokalisation, Kommunikation, Lagebeschreibung und Dokumentation (LKLD) der Bergwacht-Region Chiemgau und ein Beamter der Reichenhaller Polizei schließen sich mit ihren Einsatzleitfahrzeugen (UG-SanEL und Feuerwehr) und Technikbussen (Bergwacht Chiemgau und Grenzpolizeiinspektion Piding-Urwies) an und bilden eine Wagenburg direkt im Bereitstellungsraum im neuen Gewerbegebiet am Pfaffenkogel. Während sich die UG-SanEL vor allem um die Patienten-Registrierung und Zuteilung auf Ziel-Kliniken kümmert, fährt der Technikbus in die Mordau südlich des Schadensgebiets und lässt auf gleicher Höhe seine Kamera-Drohne aufsteigen, mit der die Rettungsarbeiten aus einigen hundert Metern Höhe live für die Einsatzleitung gefilmt und übertragen werden.

Noch während sich der Stab bildet, rücken bereits weitere Feuerwehr-Einheiten aus Ainring, Bad Reichenhall, Bayerisch Gmain, Berchtesgaden, Großgmain, Ramsau und Schneizlreuth und ein Großaufgebot der Bergwachten Bad Reichenhall, Freilassing, Inzell, Teisendorf-Anger und Traunstein über das kilometerlange, steile, unübersichtliche und weit verzweigte Forststraßennetz in den Schadensraum vor, um die Lage zu erkunden und gemeinsam abzuarbeiten. Zwei Insassen sind eingeklemmt und können nur mit dem hydraulischen Rettungssatz befreit werden; zwei weitere Beteiligte sind vermisst – einer muss im steilen Bergwald von einem Bergwacht-Hundeteam gesucht werden. Während zunächst nur die Feuerwehr unter Atemschutz im direkten Gefahrenbereich am brennenden Flieger arbeiten kann, übernimmt die Bergwacht an der nahen Patientenablage die medizinische Sichtung und Erstversorgung der Geretteten, die kategorisiert je nach Schweregrad koordiniert mit den zunächst nur begrenzt vorhandenen Tragen und Rettungsfahrzeugen abtransportiert werden. Später, als der Brand gelöscht ist, muss die Bergwacht die gepfählte Co-Pilotin im Flieger notfallmedizinisch versorgen, bevor die Feuerwehr die Stahlstrebe abtrennen und die Frau aus dem Wrack retten kann.

Stellenweise wird es mit den großen Fahrzeugen richtig eng – Zu- und Abfahrten müssen von einer eigenen Abschnittsleitung geregelt werden, damit sich die vielen Fahrzeuge nicht gegenseitig blockieren. Die Bergwacht übernimmt mit insgesamt drei All-Terrain-Vehicles (ATV) Shuttle-Dienste für Personal und Material beider Organisationen auf den letzten paar hundert Metern bis zum Absturzort – nur zwei Feuerwehr-Fahrzeuge können über die enge Straße relativ nah an die Alm heranfahren, Löschwasser aus einem nahen Graben pumpen und den hydraulischen Rettungssatz betreiben. Die Bergwacht bringt die Patienten währenddessen mit zwei Rettungsfahrzeugen im Pendelverkehr bis zum Übergabepunkt auf der breit ausgebauten Forststraße, wo sie der Landrettungsdienst übernimmt und in Kliniken bringt. Nach fast drei Stunden im Regen ist das Szenario abgearbeitet. Bei einer gemeinsamen Brotzeit im Bischofswiesener Feuerwehrhaus tauschen die Einsatzkräfte ihre neu gewonnenen Erfahrungen aus und bringen ihre auf den nassen Forststraßen und Hängen stark verschmutzten Fahrzeuge und Ausrüstungsgegenstände wieder auf Vordermann.

Berchtesgadener Land