1.500 ehrenamtliche Stunden
Kirchlicher Segen für neue Berchtesgadener Bergwacht-Garagen

09.07.2018 | Stand 04.08.2023, 6:25 Uhr
−Foto: n/a

Mit einer großen Feierstunde hat die Bergwacht Berchtesgaden am Samstagabend ihre neuen Garagen eingeweiht und den vielen Spendern, den Gemeinden Berchtesgaden, Bischofswiesen und Schönau und den ausführenden Firmen für ihre große Unterstützung gedankt.

BERCHTESGADEN Pater Kajetan Filipowicz, Kaplan im Pfarrverband Ramsau-Unterstein, spendete den Einsatzkräften, der Ausrüstung und dem neuen Gebäude den kirchlichen Segen. Bereitschaftsleiter Thomas Stöger dankte vor allem seiner Mannschaft, die mit rund 1.500 ehrenamtlichen Stunden die Bausumme von rund 200.000 Euro deutlich senken konnte.

Was ist neu? Die Bergwacht Berchtesgaden hat nun seit rund einem Monat wesentlich mehr Platz für ihre insgesamt sieben Fahrzeuge und die umfangreiche Ausrüstung und kann so noch effizienter die rund 300 bis 400 Einsätze pro Jahr abarbeiten. In einer geräumigen, direkt vom Umkleideraum aus erreichbaren und den aktuellen Anforderungen entsprechenden Halle sind die Einsatzfahrzeuge, die zuvor teilweise den Witterungseinflüssen ausgesetzt im Freien stehen mussten, von allen Seiten gut zugänglich, können spezifisch entsprechend der jeweiligen Lage rasch beladen werden und noch flotter ausrücken. Da sich alle Einsatzkräfte bei einem Alarm an der Bergrettungswache treffen, sich dort umziehen und gemeinsam ausrücken, musste die Bergwacht auch den Hang südlich der Wache auffüllen und oberhalb des Höllgrabens aufwendig befestigen, damit trotz des Erweiterungsbaus noch genügend Parkfläche für die Privatautos der Ehrenamtlichen bleibt. Der neu entstandene, mit Felsblöcken befestigte Abhang dient zugleich als nützlicher Übungsort für Einsätze im steilen Schrofen- und Grasgelände. Mit einer zünftigen Grillfeier mit Live-Musik und Führungen durch das erweiterte Bergwachthaus bedankten sich die Bergretter und ihre Familien bei den geladenen Gästen für ihre Unterstützung und feierten bei lauem Sommerwetter bis spät in die Nacht.

Bereits im Sommer 2016 begann die einjährige Planungszeit für den Anbau; ab Oktober 2017 wurde dann gebaut. Bereits während der Planung wurde die Bergwacht neben den ausführenden Firmen mit Rat und Tat durch die Berchtesgadener Gemeindeverwaltung, die Bayerischen Staatsforsten, das Wasserwirtschaftsamt und das Landratsamt unterstützt. Stöger dankte vor allem Marktbürgermeister Franz Rasp, seinen anwesenden Vertreter Bartl Mittner und dem gesamten Gemeinderat für ihr Engagement, den bereitgestellten Baugrund und die finanzielle Unterstützung. Möglich gemacht haben den Anbau vor allem die vielen Spender und Förderer: Die Berchtesgadener Landesstiftung mit dem Stiftungsrat, Landrat Georg Grabner und dem anwesenden Schönauer Altbürgermeister Stefan Kurz, die Gemeinden Berchtesgaden, Bischofswiesen und Schönau mit ihren anwesenden Bürgermeistern Bartl Mittner, Thomas Weber und Hannes Rasp, die Sparkassenstiftung Berchtesgadener Land mit Karl Thierauf, das Crowdfunding-Projekt der Volksbank-Raiffeisenbanken mit Rolf Hasslach und Simon Zuhra und sehr vielen privaten Spendern sowie eine Finanzspritze der Bergwacht-Region Chiemgau mit Regionalleiter Dr. Klaus Burger. Da die Bergretter rund 1.500 ehrenamtliche Stunden für den Bau geleistet haben und die ausführenden Firmen einiges nicht berechnet und viele Leistungen gespendet haben, konnten sie die Baumsumme von rund 200.000 Euro deutlich unterschreiten.

Stöger dankte Hannes Rasp auch für seine geschickte Verhandlungsführung wegen der Lärm-Beschwerden am Schneewinkl-Landesplatz, wo nun zusätzlich ein Schallschutz errichtet wird: „Ohne die Möglichkeit, Hubschrauber dort landen zu lassen, würde für uns die Einsatzabwicklung deutlich schwieriger!“ „Ruhestörungen zu allen Tages- und Nachtzeiten lassen sich auch am Bergwachthaus nicht ganz vermeiden“, bedauerte Stöger, der den Nachbarn für ihr großes Verständnis und Wohlwollen während der Bauarbeiten und bei diversen Einsätzen dankte. Die Arbeit geht der Bergwacht aber auch nach dem großen Bauprojekt nicht aus: Aktuell steht die Sommersaison mit einer Häufung an Einsätzen unmittelbar bevor; zusätzlich muss sich die Bereitschaft mit den Rettungssystemen an der neuen Jennerbahn vertraut machen, da die Bahn ohne eine entsprechende Übung als Teil ihres Sicherheitskonzepts unter Beobachtung der Genehmigungsbehörde nicht in Betrieb gehen darf. Im Herbst müssen die Ehrenamtlichen dann noch ihre Aufenthaltsräume und Rettungsstützpunkte in den neuen Gebäuden einrichten und ausstatten, damit der Pistendienst auch zukünftig in gewohnter Qualität durchgeführt werden kann.

Bergwacht-Urgestein Berti Kastner berichtete abschließend von der 116-jährigen Geschichte der Bergrettung in Berchtesgaden, in der die Retter zunächst ohne eigene Unterkunft waren und dann mehrmals umziehen mussten. Bis 1927 war so wenig Ausrüstung vorhanden, dass noch kein eigenes Depot notwendig war. Die Berufsbergführer im gesamten Talkessel führten Rettungen und der federführenden Organisation des Apothekers Joseph Pfab und danach unter Georg Renoth gemeinsam durch, hatten aber nicht mehr als ihre eigene Ausrüstung mit Hanfseil, Eispickel, Steigeisen, Wolldecke, Fackel und Verbandszeug. Gebirgstragen, Akja oder Fahrzeuge gab es damals noch nicht. Danach bezog die so genannte damalige alpine Rettungsstelle unter Josef Weiß ihr erstes Depot vor dem dritten Torbogen am Schlossplatz, wo später die Holzschnitzerei Schuhegger untergebracht war.

1938 bekam die alpine Rettungsstelle, die nun Deutsche Bergwacht im Deutschen Alpenverein genannt wurde und von Josef Aschauer geleitet wurde, wegen eines aufwendigen, mehrtägigen winterlichen Einsatzes in der Watzmann-Ostwand auf persönliche Veranlassung von Adolf Hitler ihr erstes Einsatzfahrzeug: Hitlers persönlichen Geländewagen, einen Mercedes G5 mit Allradantrieb und -lenkung. Das Auto stand bis 1954 im Depot am Schlossplatz, wurde dann aber vom TÜV aus dem Verkehr gezogen. Die Nazis stellten der Bergwacht insgesamt zwölf derartige Fahrzeuge zur Verfügung, jedoch nicht ohne eigene Interessen: Die Bergretter sollten die Geländewägen unter extremen Bedingungen testen – für den Kriegseinsatz erwiesen sie sich schließlich als zu schwer, weshalb an den Fronten der leichtere VW-Kübelwagen zum Einsatz kam, den im Notfall vier Leute aus dem Schlamm heben konnten, wenn er feststeckte. 1954 musste die Bergwacht unter Hellmuth Schuster im Schloss in die größere, aber nicht abgetrennte ehemalige Wagenremise nach dem zweiten Torbogen rechts umziehen und ihr Depot mit dem dortigen EDEKA-Laden teilen, was nicht ganz reibungsfrei ablief.

Im Juni 1958 mussten die Retter auch dieses Depot wieder kurzfristig räumen und zogen vorrübergehend in die Winkler-Garagen in der Bahnhofstraße, wo heute das Autohaus Stockklausner steht. Bereits im August 1958 mieteten sie dann von der Familie Pichler eine alte Holzhütte in der Vorderbrandstraße, die im Dritten Reich als Mulistall für Transporte zur Dietrich-Eckardt-Hütte – dem Göllhäusl am Hinterbrand – diente. 1965 kaufte die Bergwacht dann die Hütte unter der Leitung von Konrad Stockklausner, nachdem sie bereits den Grund vom Forst gekauft hatte. Obwohl die Einsätze immer mehr wurden, hauste die Bergwacht bis 1972 in der dürftigen Unterkunft, bis dann mit großzügigen privaten Spenden und im Verhältnis zu heute nur sehr bescheidenen Zuschüssen der Gemeinden und des Landkreises in Eigenleistung das erste eigene Bergwachthaus gebaut wurde. Die Gemeinde Berchtesgaden argumentierte damals, dass der Großteil der Berge des Einsatzgebiets zu anderen Gemeinden gehört und deshalb die Schönau und Bischofswiesen zuständig seien. 1975 bauten die Bergretter dann wieder selbst eine kleine Garage für einen Haflinger ans Haus an. 1996 und 1997 erfolgte dann unter Edi Kastner ein größerer Umbau des bisherigen Hauses zur neuen Rettungswache. 2003 tauschten die Bergretter die 50 Jahre alte, verwitterte Biwakschachtel unter der Federführung von Berti Kastner aus.

2008 konnte die Bergwacht unter Franz Kermer vom Stromversorger den am Haus angebauten, stillgelegten Trafo-Turm unentgeltlich übernehmen und zu einem Übungsturm umbauen, der heute aufgrund seiner vielfältigen Möglichkeiten mit Hubschrauber-Seilwinde, Klettersteig, Kletterrouten und diversen Aufzügen auch in Anlehnung an das Zentrum für Sicherheit und Ausbildung (ZSA) der Bergwacht Bayern „Klein Bad Tölz“ genannt wird. Im Herbst 2017 begann dann unter Thomas Stöger der aktuelle Anbau der Fahrzeughalle, die vor rund einem Monat bezogen wurde.

Berchtesgadener Land