Anschläge in Waldkraiburg geklärt
Gebürtiger Altöttinger mit Hass auf Türken gesteht Taten

10.05.2020 | Stand 04.08.2023, 16:04 Uhr
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In Altötting geborener 25-jähriger deutscher Staatsangehörige (Sohn türkischstämmiger Eltern) hat die Taten gestanden - er plante weitere schwere Anschläge. Ihm wird u.a. 27-facher versuchter Mord vorgeworfen.Sein Motiv: „Hass auch türkische Mitbürger“ und seine Nähe zum IS

Waldkraiburg/Mühldorf/Garching. Nach der schweren Brandstiftung in der Waldkraiburger Innenstadt in den frühen Morgenstunden des Montags, den 27. April 2020, wurde bei der Kriminalpolizeistation Mühldorf am Inn die Sonderkommission „Prager“ ins Leben gerufen. Die Sachleitung hat die Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus (ZET) bei der Generalstaatsanwaltschaft München. Nun wurde gegen einen 25-jährigen Mann Haftbefehl wegen versuchten Mordes, Brandstiftung, gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung in 3 Fällen erlassen.

Seit Dienstag, dem 28. April 2020, ermittelt die SOKO „Prager“ unter der Leitung von Kriminaldirektor Hans-Peter Butz zu der Anschlagsserie gegentürkischstämmige Gewerbetreibende im Stadtgebiet Waldkraiburg(wir berichteten bereits mehrfach). Am Sonntagvormittag wurden die Ergebnisse der Ermittlungen und Tätervernehmungen auf einer Online-Presskonferenz mitgeteilt - 1.500 Zuseher verfolgten die Übertragung.

Rohrbomben im Gepäck und in einer Garchinger Tiefgarage

Am Freitagabend, 8. Mai 2020, wurde ein 25-jähriger Mann am Bahnhof in Mühldorf am Inn von einer Streife des Bundespolizeireviers Mühldorf kontrolliert, da er zuvor die Regionalbahn von Garching/Alz nach Mühldorf ohne gültiges Zugticket benutzt hatte. Im Rahmen der genaueren Überprüfung stießen die Kontrollbeamten im Gepäck des Mannes auf mehrere zündfähige Rohrbomben.

Daraufhin wurde das Bahnhofsgelände sofort evakuiert und weiträumig abgesperrt. Gegen 22 Uhr wurde die Gesamteinsatzleitung vom Polizeipräsidium Oberbayern Süd übernommen. Alarmierte Spezialkräfte der Bundespolizei sicherten die Rohrbomben und sorgten für eine gefahrlose Übergabe an die Technische Sondergruppe der Bayerischen Polizei. Gegen 4:30 Uhr wurde die Absperrung des Bahnhofs wieder aufgehoben.

In der Zwischenzeit wurde der, in Altötting geborene 25-jährige deutsche Staatsangehörige (Sohn türkischstämmiger Eltern), von den Kriminalbeamten der SOKO „Prager“ vernommen. Dabei räumte er ein, die Anschläge gegen die türkischen Gewerbetreibenden im Stadtgebiet von Waldkraiburg im Zeitraum zwischen dem 16. April und 6. Mai 2020 begangen haben. Wie bereits mehrfach berichtet, wurden in diesem Zeitraum ein Friseursalon, eine Pizzeria und ein Kebaphaus mit Steinwürfen angegriffen. Besonders schwerwiegend war der Großbrand nach einem - mittlerweile feststehenden - Brandanschlag gegen 2 Uhr früh des 27. April 2020 in einem Lebensmittelgeschäft am Waldkraiburger Sartrouvilleplatz. Die im Gebäude anwesenden 27 Bewohner konnten in Begleitung der Feuerwehr in Sicherheit gebracht werden. Dabei wurden sechs Menschen verletzt, es entstand Sachschaden in Höhe von mehreren Millionen Euro. Zum Tatmotiv äußerte der Beschuldigte „Hass“ auf türkische Mitbürger im Zusammenhang mit seiner Anhängerschaft zum Islamischen Staat.

Weitere Rohrbomben in Wohnung und Auto

In seiner Vernehmung äußerte sich der Beschuldigte zu weiterem Sprengstoff, welcher sich in einem Pkw in einer Tiefgarage in Garching an der Alz befinden würde. Außerdem gab er an, dass in seiner Wohnung in Waldkraiburg eine Waffe mit Munition, Schwarzpulver, Phosphor und andere verschiedene Stoffe vorhanden seien.

Aufgrund dieser Angaben wurden im Rahmen parallel laufender Einsatzmaßnahmen durch das Polizeipräsidium Oberbayern Süd in Garching an der Alz, gegen 23:20 Uhr, zwei Gebäude vorsorglich evakuiert. Für die 24 betroffenen Personen wurde in einer Turnhalle eine vorübergehende Unterkunft bereitgestellt. Unter größten Sicherheitsvorkehrungen barg die Technische Sondergruppe des Bayerischen Landeskriminalamts unter anderem 13 weitere Rohrbomben und 10 Kilogramm Chemikalien aus dem Pkw und sorgte für deren gesicherten Abtransport. Gegen 4:45 Uhr konnten die evakuierten Bewohner in ihre Wohnungen zurückkehren.

Aus dem Gebäude in Waldkraiburg, in dem der 25-Jährige wohnte, sowie aus dem dortigen Nachbargebäude wurden gegen 3:30 Uhr ebenfalls 60 Personen vorsorglich evakuiert. Die Bewohner wurden vorübergehend im Feuerwehrhaus Waldkraiburg untergebracht.

Auch an dieser Örtlichkeit gingen die Spezialkräfte der Technischen Sondergruppe unter größtmöglichen Sicherheitsvorkehrungen vor. In der Wohnung des Beschuldigten konnte eine Pistole sowie weiteres Beweismaterial aufgefunden und sichergestellt werden. Die evakuierten Hausbewohner konnten am gestrigen Samstag, gegen 8 Uhr, nach Beendigung der polizeilichen Maßnahmen wieder in ihre Wohnungen zurückkehren.

SOKO „Prager“ und ZET ermitteln weiter

Auch nach der Festnahme des 25-jährigen Mannes werden die Ermittlungen bei der Sonderkommission „Prager“ in enger Zusammenarbeit mit der ZET (Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus) bei der Generalstaatsanwaltschaft München mit Hochdruck fortgeführt. Insbesondere zur Motivlage des Mannes und zu den genauen Tatabläufen sind noch weitreichende Ermittlungen und Recherchen erforderlich. Außerdem sind weit über 150 gesicherte kriminaltechnische Spuren zu analysieren sowie äußerst umfangreichen Daten (u. a. aus Videoaufzeichnungen) und Zeugenaussagen akribisch auszuwerten.

Der Beschuldigte wurde noch am Samstag, 9. Mai 2020, auf Antrag der Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus bei der Generalstaatsanwaltschaft München dem zuständigen Ermittlungsrichter beim Amtsgericht München vorgeführt. Dieser erließ antragsgemäß gegen den Beschuldigten Haftbefehl wegen versuchten Mordes in 27 Fällen, schwerer Brandstiftung und gefährlicher Körperverletzung sowie wegen Sachbeschädigung und ordnete Untersuchungshaft an. Der Beschuldigte befindet sich jetzt in einer bayerischen Justizvollzugsanstalt.

Sicherheitsgefühl in Waldkraiburg verbessert

Mit der Festnahme des Tatverdächtigen dürfte sich das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung in Waldkraiburg wieder spürbar verbessern. Polizeipräsident Robert Kopp: „Ich bin ausgesprochen erleichtert, dass diese feigen und niederträchtige Straftatenserie gegen türkischstämmige Mitbürger in Waldkraiburg nun beendet ist und von dem gefährlichen Täter keine Gefahr mehr ausgeht. Für mich steht fest, dass wir mit der Festnahme auch schwerste Straftaten verhindern konnten. Wie immer braucht es dabei auch das „Glück des Tüchtigen.“ Ich bedanke mich ausdrücklich bei allen, die Polizei und Staatsanwaltschaft in den vergangenen Wochen unterstützt haben. Ein besonderer Dank gilt der türkischen Gemeinschaft von Waldkraiburg für das den Sicherheitsbehörden entgegengebrachte Vertrauen.“

Altötting