Bewährung und Alkoholtherapie
Wurstdieb mit 542 Euro in der Tasche und 2,56 Promille im Blut

12.12.2018 | Stand 03.08.2023, 21:58 Uhr
−Foto: n/a

Beim Bierkauf steckte er eine Salami ein und flüchtete danach mit seinem Mofaroller

ALTÖTTING. Von früh um 9 bis ca. 17 Uhr becherte ein 35-Jähriger mit Freunden am Entenbach in Altötting. Er begoss am 1. August den Geburtstag eines „Spezis“ mit reichlich Bier. Als der Alkohol zur Neige ging, schwang er sich auf seinen 25er-Roller und fuhr die hundert Meter bis zum Supermarkt gegenüber.

Dort wollte er Biernachschub besorgen. Wie er vor dem Amtsgericht Altötting aussagte, trug er ein Sixpack Bier, Brot und weitere Lebensmittel im Arm zur Kasse. Eine Stangensalami hatte er sich in den Jackenärmel gesteckt, weil er sie nicht mehr anders tragen konnte. An der Kasse habe er vergessen, die Wurst zu bezahlen.

Laut Anklage der Staatsanwaltschaft hatte der Mann die Wurst im Wert von 2,49 Euro gestohlen und nach Entdeckung des Diebesguts an der Kasse die Flucht ergriffen. Die Überwachungskamera hatte aufgezeichnet, dass er sich dabei sowohl dem Zugriff der Kassiererin als auch der Filialleiterin entrissen habe und zu Boden gestürzt sei.

Außerdem sei er zweimal betrunken mit seinem Roller gefahren – zum Einkauf und auf der Flucht, wo ihn die Polizei nach wenigen Metern stoppte. Dass er bei der Tat genügend Geld, nämlich genau 542 Euro bei sich hatte, wurde von der Polizei bestätigt. Vor der Feier hatte er sein ganzes Hartz IV-Geld für August von der Bank geholt.

Dass es im Leben des Angeklagten nicht so rund und geordnet läuft wie bei Max Mustermann, offenbarte sich in seiner Anhörung. Seine drei Kinder sind in Pflegefamilien. Ohne Schul- und Berufsabschluss lebt er von Hartz IV. Alle drei Jahre steht der Gerichtsvollzieher vor der Tür und er muss eine eidesstattliche Versicherung über sein – nicht vorhandenes – Vermögen abgeben. Seinen Job im Straßenbau verlor er in der Probezeit, weil sein Arm nach einem Sturz bei einer „Schubserei“ operierte werden muss und der neue Arbeitgeber „jemanden zum Arbeiten und nicht zum Krankschreiben“ brauchte. Wegen der nötigen Arm-OP kann er seinen vom Job-Center vermittelten 1,30 Euro-Job derzeit nicht erledigen.

Er trinkt gerne Bier – mal eine Woche lang gar nicht, mal zehn Halbe am Tag – „weil´s mir schmeckt“. Jahrelang habe er „geklaut wie ein Rabe“– mit dementsprechenden Vorstrafen und sogar vier Gefängnisaufenthalten –  doch seit acht Jahren habe er sich „absolut nichts mehr zu Schulden kommen lassen“.

Vor Gericht half ihm weder seine Beteuerung, er habe nur vergessen, die Wurst aufs Kassenband zu legen noch seine Reue über die Flucht und die Fahrten im Suff: „Ich habe nicht klar gedacht, wollte nicht wieder mit Polizei und Gericht zu tun haben.“

Zwar kaufte ihm die Staatsanwältin das Vergessen der Wurst ab, aber für zwei Trunkenheitsfahrten forderte sie vier Jahre Bewährungszeit und eine Alkoholtherapie.

Der verordnete Alkoholentzug weckte den Widerspruchsgeist des Angeklagten, der sich bis dahin sehr brav und geknickt gezeigt hatte: „Damit bin ich nicht einverstanden. Vier Jahre Bewährung sind krass. Ich bin erwachsen, ich kann trinken, was ich mag, solange ich anständig bleibe.“

Richterin Anita Hertlein konnte der 35-Jährige nicht erweichen. Sie verurteilte ihn wegen Diebstahls und zwei Trunkenheitsfahrten zu vier Monaten Haft, gewährte ihm eine Bewährungszeit von drei Jahren, verlangte aber auch eine ambulante Alkoholtherapie.

Sein Verhalten nach Entdeckung des Diebstahls bezeichnete sie als „diebestypisch“. Er habe sich losgerissen, nachdem die Wurst in seiner geschlossenen Jacke entdeckt wurde und sei geflüchtet: „Sie hatten die Chance zu zahlen, haben es aber, trotz genügend Geld in der Tasche, nicht getan.“

Altötting