Sohn der Freundin verletzt
Mit Messer attackiert - Sohn sollte aus „Hotel Mama“ ausziehen

24.07.2018 | Stand 13.09.2023, 1:59 Uhr
−Foto: n/a

43-Jähriger vor dem Schwurgericht Traunstein - Attacken wegen „Hotel Mama“. 25-jähriger Sohn der Freundin sollte ausziehen – eineinhalb Jahre Strafe mit Bewährung

ALTÖTTING/TRAUNSTEIN. Weil der 25-jährige Sohn seiner Freundin das „Hotel Mama“ nicht verlassen wollte, attackierte deren 43 Jahre alter Lebensgefährte unter Einfluss von reichlich Alkohol den jungen Mann – einmal mit den Händen, einmal mit einem Küchenmesser. Den Täter verurteilte das Schwurgericht Traunstein mit Vorsitzendem Richter Erich Fuchs am Dienstag zu einer Freiheitsstrafe von eineinhalb Jahren mit dreijähriger Bewährungszeit - nicht wegen eines ursprünglich angeklagten versuchten Totschlags und weiterer Delikte, sondern wegen einer vorsätzlichen und einer gefährlichen Körperverletzung sowie wegen Beleidigung.

Der 43-Jährige, seine gleichaltrige Freundin und deren 25-jähriger Sohn lebten seit acht Jahren in einer Dreizimmer-Wohnung. Wiederholt kam es zu Streit und manchmal zu Handgreiflichkeiten, weil der junge Mann keine Arbeit hatte und aus der gemeinsamen Wohnung auch nicht ausziehen wollte. Mit fast 2,5 Promille Alkohol im Blut suchte der 43-Jährige am 14. Februar 2018 nachts gegen 3 Uhr das Zimmer des Juniors auf, packte ihn mit beiden Händen am Hals und würgte ihn für mindestens 20 Sekunden. Eine Halskette verursachte Druckmale. Der 25-Jährige konnte den Angreifer Richtung Türrahmen wegstoßen.

Der zweite Vorfall ereignete sich am gleichen Tag in der Mittagszeit. Der Angeklagte beschimpfte den 25-Jährigen in russischer Sprache sinngemäß als „Schwuchtel“ und forderte ihn zum x-ten Mal auf, aus der Wohnung zu verschwinden. Danach holte der 43-Jährige ein Küchenmesser mit 20,5 Zentimeter langer Klinge. Aus einem Meter Entfernung führte der Angetrunkene zwei Stichbewegungen Richtung Bauch des jungen Mannes. Den ersten Stich konnte das Opfer mit der Hand abwehren. Vor dem Zweiten konnte der 25-Jährige nach hinten ausweichen. Gleichzeitig bekam er den Arm des Mannes zu fassen, um weitere Stiche zu verhindern. Schließlich ließ der Angeklagte das Messer fallen und ging aus dem Zimmer. Der 25-Jährige trug einen kleinen Schnitt am Daumen davon und brachte das Messer zurück in die Küche. Dort griff es sich der Angeklagte nochmals. Der Geschädigte zog sich sofort in sein Zimmer zurück. Der 43-Jährige lief ihm hinterher und versuchte, die Tür aufzubrechen. Das gelang ihm nicht. Die Polizei wurde verständigt. Kurz darauf klickten die Handschellen, der Täter saß seither in Untersuchungshaft.

Der 25-jährige Zeuge, der noch immer bei der Mutter wohnt, verneinte vor Gericht Dauerfolgen. Der Abdruck der Kette sei nicht lange zu sehen gewesen. Der Angeklagte bat ihn um „Entschuldigung für das, was ich gemacht habe“. Der Sohn der Freundin akzeptierte die Entschuldigungsworte. Die 43-Jährige zeigte sich bereit, den Angeklagten notfalls wieder bei sich aufzunehmen.

Mehrere Sachverständige erstatteten ihre Gutachten, unter anderem zu Genspuren. Die rechtsmedizinische Sachverständige, Dr. Silia Priemer aus Wonneberg, bezeichnete die Verletzungen des 25-Jährigen als nicht potenziell lebensgefährlich. Erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit zu den Tatzeiten attestierte der psychiatrische Sachverständige, Dr. Stefan Gerl vom Bezirksklinikum in Gabersee, dem Angeklagten aufgrund psychologischer Auffälligkeiten in Verbindung mit der hohen Alkoholisierung.

Staatsanwalt Dr. Christian Liegl zitierte den 43-Jährigen. Ihn ihm habe sich „entladen, was sich in acht Jahren angestaut hat“. Bei den Stichen habe der Angeklagte nicht mit Tötungsvorsatz gehandelt. Strafmildernd wirkten das Geständnis, die schriftliche wie mündliche Entschuldigung, die Verletzungsfolgen am untersten Rand für das Opfer. Andererseits hätten die Verhaltensweisen des 43-Jährigen „weit schwerere Folgen haben können – insbesondere unter Alkohol“. Eine Freiheitsstrafe von eineinhalb Jahren wegen vorsätzlicher und gefährlicher Körperverletzung sowie wegen Beleidigung sei schuld- und tatangemessen. Strafaussetzung zur Bewährung lehnte Dr. Christian Liegl ab, vor allem wegen der ungünstigen Sozialprognose.

Die Beleidigungen seien gegenseitig gewesen, betonte der Verteidiger, Alexander Schönfeld aus Altötting. Der 25-Jährige habe den Angeklagten provoziert. Zwölf Monate Freiheitsstrafe mit Bewährung seien ausreichend. Im Gegensatz zum Staatsanwalt sah der Verteidiger durchaus eine positive Sozialprognose bei seinem Mandanten. Er wolle sich wieder Arbeit suchen und bei Freunden wohnen. „Ich bin schuld. Ich bereue, was passiert ist. Ich hatte Zeit, darüber nachzudenken. So etwas wird nie wieder passieren“, versprach der 43-Jährige im „letzten Wort“.

Im Urteil unterstrich Vorsitzender Richter Erich Fuchs, nach Aktenlage hätten sich die Taten wesentlich gravierender dargestellt. Die Zeugen hätten in der Hauptverhandlung „Harmonisierungstendenzen“ gezeigt. Nach vielen Jahren des Zusammenlebens hätten sich Konflikte angesammelt. Das Motiv des Angeklagten sei gewesen, den 25-Jährigen aus der Wohnung zu vertreiben. Töten aber habe er ihn nicht wollen, so Fuchs. Das Geschehen sei „gefährlich und unberechenbar“ gewesen. Jederzeit hätte es zu einer Überreaktion kommen können, vor allem wegen des Alkohols. Der Vorsitzende Richter mahnte: „Manchmal entscheiden nur Nuancen. Gottseidank ist nicht mehr passiert.“ Unter den Bewährungsauflagen war, der Angeklagte müsse einen Wohnsitz und einen festen Arbeitsplatz suchen und beides nachweisen. Außerdem dürfe er sich nicht in der Wohnung der 43-Jährigen aufhalten.

Altötting