Schlüssel verloren
Altöttinger dreht durch, weil Polizei nicht ausrückt

09.05.2018 | Stand 13.09.2023, 3:13 Uhr
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Betrunkener findet Schlüssel nicht - weil die Polizei ihm nicht zu Hilfe eilt, wirft er das Schaufenster einer Bäckerei ein

ALTÖTTING. Weil die Polizei wegen seines verlorenen Schlüssels nächtens nicht anrücken wollte, schleuderte ein betrunkener Altöttinger eine Mülltonne in das Schaufenster einer Bäckerei. Nach mehreren Anläufen blieb die Tonne in der Scheibe stecken und richtete einen Schaden von mehreren tausend Euro an.

Verlorener Schlüssel lag vor der Wohnung

Eine teure „Schnapsidee“, wie der Staatsanwalt die Sachbeschädigung nannte: Für diesen Auftritt kassierte der Italiener (53) vor dem Amtsgericht Altötting eine Geldstrafe von 2.600 Euro und muss dazu auch noch die Gerichtskosten und die Schaufensterscheibe bezahlen.

Die Komik an der Sache: Als der Italiener nach der Ausnüchterungsnacht bei der Polizei heimkam, lag der vermisste Schlüssel vor seiner Wohnungstür. Er hatte ihn beim Verlassen seines Zuhauses am Vorabend an der Jackentasche vorbeigesteckt.

Braungebrannt, mit nach hinten gekämmten Haaren, in schwarzer Kleidung und modische Schnürschuhen saß der 1964 geborene Italiener auf der Anklagebank. Er verfolgte die Verhandlung mit freundlicher Miene, antwortete höflich mit italienischem Akzent und in Zaum gehaltenem Temperament auf Fragen. Sein Verteidiger machte für ihn Angaben zu Person und Sache.

Notruf: Erst verloren, dann Schlüssel geklaut

Der Ausraster im Vollrausch hatte sich in der Nacht des 8. Januar 2018 am Altöttinger Tillyplatz abgespielt. Nach ein paar Bier in der Gaststätte um die Ecke, wollte der Italiener, der seit 44 Jahren in Deutschland lebt, zurück in seine Wohnung. Doch er konnte seinen Schlüssel nicht finden.

Anstatt einen Schlüsseldienst zu rufen, wählte der Mann gegen 23 Uhr den Notruf der Polizei. Vor Gericht hörten sich die Prozessbeteiligten die Notrufe an. Notruf 1: „Ich habe keinen Schlüssel mehr. Ich muss morgen arbeiten!“ Das bewegte den Polizisten am anderen Ende der Leitung aber nicht zum Ausrückenlassen einer Streife. Notruf 2: „Mein Schlüssel ist weg, er ist geklaut worden“ – was der Polizist mit dem Rat quittierte, einen Schlüsseldienst zu rufen und bei der nahen Polizeidienststelle Anzeige zu erstatten.

Der Verteidiger des 53-Jährigen erklärte die Gemütslage seines Mandanten: „Er wurde immer saurer, aggressiver und lästiger, weil die Polizei ihm nicht helfen wollte.“ Der in Rage geratene Mann packte eine Alutonne und schleuderte sie mehrmals gegen das Schaufenster der Bäckerei.

Festgehalten hatte ihn ein Hausbewohner vom Typ freundlicher Riese mit dicken Muskeln. Auf den ersten Blick war zu erkennen, dass er dem Angeklagten – der ihn geschubst und verletzt haben sollte – körperlich weit überlegen war. Dieser Zeuge, dessen herzkranker Sohn durch den veranstalteten Lärm aufgewacht war, rannte auf die Straße und griff sich den Störenfried. Nach kurzem Handgemenge ging schließlich Notruf 3 bei der Polizei ein: „Ich rufe an wegen einem Einbruch, wir haben den Täter festgehalten.“

Auf die Frage, ob er von dem Mann in eine Scheibe geschubst und an der Hand verletzt worden sei, verneinte der Zeuge nur lachend: „Er mich geschubst? Nö, keine Chance bei mir. Ich hatte nur einen kleinen Kratzer, der war mir egal.“ Er habe auch keine Anzeige wegen Körperverletzung stellen wollen: „Ich mach mich doch nicht zum Affen. Das wäre mir auf Arbeit peinlich gewesen, bei uns verliert man schon mal einen Finger.“

Er habe den Randalierer noch geragt: „Warum trittste nicht deine eigene Tür ein, das wäre billiger.“ Aber der habe unbedingt erreichen wollen, dass die Polizei kommt.

Warum trittst du nicht deine eigene Tür ein?

Ein Streifenbeamter des fraglichen Tatabends gab an, der Angeklagte sei mit rund 1,8 Promille Alkohol im Blut sehr, sehr betrunken gewesen. Er hatte dem Polizisten erklärt: „Wenn ihr nicht kommt, muss ich so was machen.“ Wegen eines Diebstahls oder des Vortäuschens einer Straftat hatte die Polizei angesichts der Alkoholisierung des Mannes gar nicht erst ermittelt.

Im bereits rechtskräftigen Urteil gewährte Richter Dr. Robert Tischer dem Angeklagten einen kleinen Strafnachlass. Er hatte gestanden, keine Vorstrafen und war zum Tatzeitpunkt alkoholbedingt enthemmt. Er wurde zu 65 Tagessätzen à 40 Euro verurteilt.

Die Urteilsbegründung: „Sie haben den Schaden mit voller Absicht angerichtet. Wollten aus Verzweiflung auf sich aufmerksam machen.“ Der Rat des Richters: „Ich hoffe, beim nächsten Mal holen Sie den Schlüsseldienst.“

Altötting