„Wir haben Platz“
Regensburg bleibt solidarisch – 250 Menschen auf Kundgebung von „Seebrücke“

15.09.2020 | Stand 20.07.2023, 23:08 Uhr
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Bereits zum zweiten Mal in wenigen Tagen veranstaltete die Initiative „Seebrücke Regensburg“ am Sonntag, 13. September, eine Kundgebung, um eine menschenwürdige Flüchtlingspolitik einzufordern. Am Mittwoch, 9. September, hatte die Initiative eine erste Kundgebung als direkte Reaktion auf das Feuer in Moria organisiert und eine Evakuierung der knapp 13.000 Geflüchteten verlangt.

Regensburg. Unter dem Motto „Wir haben Platz: Geflüchtete aufnehmen! Jetzt!“ versammelten sich auch am Sonntag, 13. September, knapp 250 Menschen am Alan-Ghalib-Kurdi-Hafen. Dieser wurde erst vor kurzem umbenannt, um an die zwei auf der Flucht ertrunkenen Jungen zu erinnern. Nachdem das Flüchtlingslager in Moria in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch, 8. auf 9. September, fast vollständig niedergebrannt war, erklärten sich zehn europäische Staaten zu Beginn des Wochenendes bereit, gemeinsam 400 unbegleitete Minderjährige aus Moria zu evakuieren. 150 von ihnen sollen in Deutschland untergebracht werden. Griechenland baut zudem seit dem Wochenende ein provisorisches Lager auf Lesbos, in dem 3.000 Geflüchtete unterkommen sollen. Verlassen dürfen die Insel lediglich unbegleitete Minderjährige. Für tausende Geflüchtete gibt es also noch immer keine Lösung.

Die Rednerinnen und Redner verschiedener lokaler Parteien und Initiativen kritisierten auf der Kundgebung diesen Umgang mit Geflüchteten und die fehlende Hilfsbereitschaft europäischer Staaten. „Die bisherigen Reaktionen der europäischen Regierungen sind unzureichend. Die absolut dringliche Notwendigkeit, den Menschen auf Moria sofort zu helfen, scheint nicht verstanden oder bewusst ausgeblendet zu werden. Nur 400 von den über 12.600 Menschen aufzunehmen, ist eine Bankrotterklärung“, kommentiert Adrian Kohl von der Seebrücke Regensburg. „Nun ein weiteres Camp zu errichten, stellt für die Geflüchteten eine Fortsetzung des Albtraums Moria dar. Die Lagerunterbringung, unter unmenschlichen Bedingungen und in Missachtung der Menschenrechte, kann keine Option sein. Die einzige Lösung ist und bleibt eine vollständige Evakuierung des Lagers!“

Große Teile der Zivilgesellschaft zeigen sich währenddessen hilfsbereit und solidarisch mit den Schutzsuchenden im zerstörten Lager Moria. „Bereits zwei Mal innerhalb weniger Tage, folgten mehr als 200 Menschen unseren spontanen Aufrufen. Das Schicksal der Gestrandeten von Moria lässt die Regensburgerinnen und Regensburger nicht kalt“, beschreibt Johannes Rückerl von der Seebrücke. „Auch wenn die Aufnahme der Geflüchteten noch immer vom Innenminister und der Union blockiert wird, wollen die Menschen helfen.“ Diese Unterstützung werde auch dringend benötigt. Sechs Tage nach dem Brand hat sich die Situation in Moria weiter verschärft. Es mangelt an sauberem Wasser und Nahrungsmitteln. Die medizinische Versorgung ist weiterhin nicht gewährleistet, während medizinische Organisationen von den Behörden bei der Versorgung der Menschen gehindert werden. Vor allem für Babys, Kinder und Schwangere ist die Lage lebensbedrohlich. Hinzu kommen die vorletzte Woche bekannt gewordenen ersten Covid-19-Fälle unter den Geflüchteten.

„Helfen wollen viele, zum Beispiel bei der Nothilfe Aktion von Michael Buschheuer und Space-Eye“, ergänzt Lena Peßler von der Seebrücke. „Schlafsäcke waren in Regensburg zeitweise ausverkauft. Gestern Nacht konnte bereits der erste Lkw mit 920 Schlafsäcken und einer Menge Hygieneartikeln nach Moria aufbrechen. Die nächsten Tage werden nochmal zahlreiche Spenden Regensburg verlassen. Doch ob die Hilfsgüter die Menschen in Moria erreichen können, ist unklar. Sachspenden müssen derzeit kilometerweit getragen werden, denn die Polizei auf Lesbos erschwert Helferinnen und Helfern den Weg zu den Geflüchteten. Warum darf nicht geholfen werden?“ Immer wieder demonstrieren die Menschen für ihre Rechte, doch statt zu helfen attackiert die griechische Polizei die friedlich Demonstrierenden. Es gibt Berichte von zahlreichen Verletzten.

„Doch auch anderswo verhindern europäische Behörden die Hilfe. Während ganz Europa nach Moria blickt, kriminalisiert die EU weiterhin Rettungsorganisation im zentralen Mittelmeer. Seenotrettung ist kein Verbrechen!“, kommentiert Emma Schneller von der Seebrücke. „Rettungsschiffe von Organisationen wie Sea-Watch oder Sea-Eye werden immer wieder unter fadenscheinigen Begründungen festgesetzt, während Geflüchtete auf dem Mittelmeer um ihr Leben kämpfen. Seit 2020 starben mehr als 20.000 Menschen auf der Flucht über das Mittelmeer. Wie viele sollen es denn noch werden? Wir dürfen nicht tatenlos dabei zusehen, wie Menschen in Not ihrem Schicksal überlassen werden und müssen lautstark für die Rechte aller Menschen auf der Flucht eintreten.“

Auf der Kundgebung sprachen Emma Schneller und Adrian Kohl (Seebrücke Regensburg), Theresa Eberlein (Stadträtin und Vorsitzende der Grünen Regensburg), Dr. Carolin Wagner (Vorsitzende SPD Oberpfalz), ein Vertreter der Gruppe „No Deportation. Nowhere“, Tobias Emmerling (Linksjugend 'solid Regensburg) und Ernst Grube (Überlebender des Holocaust, unter anderem Vorstand der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes und Präsident der Lagergemeinschaft Dachau).

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