Pandemie
Internationales Blog zu Corona in Ost- und Südosteuropa gestartet

24.04.2020 | Stand 21.07.2023, 23:21 Uhr
−Foto: n/a

Um die Auswirkungen der Corona-Krise auf Staaten und Gesellschaften umfassender zu verstehen, kann ein Blick ins östliche Europa helfen. Denn die Region vom Balkan bis zu den Staaten der ehemaligen Sowjetunion bietet vielfältige Voraussetzungen, im Guten wie im Schlechten: Hier trifft das Virus relativ wohlhabende EU-Mitglieder genauso wie autoritäre Regime oder nicht anerkannte Staaten im mehr oder minder offenen Kriegszustand.

Regensburg. Welche Folgen das für die politischen Systeme und die Wirtschaft hat, aber auch für den Alltag der Menschen, dem gehen Forscher in einem internationalen Blog nach, den das Leibniz-Institut für Ost- und Südosteuropaforschung (IOS) koordiniert. Das Blog, das vor wenigen Tagen gestartet ist, enthält derzeit rund ein Dutzend Einträge – teils auf Deutsch, teils auf Englisch – und soll in den kommenden Tagen und Wochen weiter anwachsen.

In seiner Einführung zu dem Online-Angebot macht der Wissenschaftliche Direktor des IOS, Prof. Ulf Brunnbauer, deutlich, warum Deutschland und Westeuropa – trotz der auch hier dramatischen Lage – die übrigen Teile des Kontinents nicht aus dem Blick verlieren sollten. „Die Corona-Krise sagt viel über den Zustand der Region aus, im Positiven wie im Negativen“, schreibt der Historiker. So habe sich etwa Ungarn im Schatten der Krise „durch die Selbstentmächtigung des Parlaments auch formell zur Diktatur transformiert“, was die EU noch lange belasten dürfte. In Kosovo stürzte die hoffnungsvoll gestartete Regierung, wobei das Virus eher als Vorwand diente. Und gleich in mehreren Ländern gebe es Anzeichen, dass Roma und Flüchtlinge die Rolle der Sündenböcke aufgedrückt bekommen könnten. Genauso wenig dürfe vergessen werden, dass in der Region oftmals Ärzte und Pfleger fehlen, die längst ausgewandert sind und nun in Ländern wie Deutschland das Gesundheitssystem stützen.

Doch es gibt ebenso Positives zu vermelden, wie auch weitere Beiträge des Blogs deutlich machen: Zumindest vorübergehend sind selbst bornierteste Nationalisten auf dem Balkan bereit, mit vermeintlichen Feinden zu kooperieren. Weitere, teils noch unveröffentlichte Beiträge geben beispielsweise einen einzigartigen Überblick, wie nicht anerkannte De-facto-Staaten mit der Krise umgehen, darunter die selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk oder Abchasien und Südossetien. Andere Beiträge beschäftigen sich mit den wirtschaftspolitischen Folgen und den Überwachungsmaßnahmen zum Lockdown in Russland oder mit den Auswirkungen aufs orthodoxe Osterfest. Und in einem Interview erklärt ein Hymnenexperte, warum Menschen nicht nur in Südosteuropa in Krisen gern Nationalhymnen singen – und welche Hymnen sich dafür besonders eignen.

Das Blog ist ein Angebot des Leibniz-Instituts für Ost- und Südosteuropaforschung mit Sitz in Regensburg. Hier arbeiten unter anderem Historiker, Ökonomen und Politikwissenschaftler, die sich mit dem (süd-)östlichen Europa beschäftigen. Sie zählen auch zu den Autoren der Blogbeiträge. Hinzu kommen Beiträge von Kollegen aus dem umfassenden internationalen Netzwerk des IOS, wobei viele selbst in Ost- und Südosteuropa arbeiten. Das Blog heißt „ostBLOG Spezial – Corona in Ost- und Südosteuropa“. Es ist ein Ableger des institutseigenen regulären Blogs namens „ostBLOG“. Alle Beiträge und weitere Informationen findet man im Internet unter www.blog2020.ios-regensburg.de.

Regensburg