Hohe Forderung
Staatsanwaltschaft fordert viereinhalb Jahre Haft für Wolbergs und Tretzel

06.05.2019 | Stand 13.09.2023, 3:15 Uhr
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Im Korruptionsprozess gegen den Ex-SPD-Politiker und Oberbürgermeister Joachim Wolbergs ist die Beweisaufnahme abgeschlossen. Am Montag hat die Staatsanwaltschaft plädiert. Dabei zeichnete die Ermittlungsbehörde das Bild eines korrupten Politikers, der sich vom Bauträger Volker Tretzel lenken und mit Vorteilen bedenken hat lassen.

REGENSBURG Tretzel sei Wolbergs‘ „persönlicher Mäzen, von dem er private Vorteile und Vorteile für seinen Ortsverein angenommen hat.“ Im Zusammenhang mit dem Erwerb der Nibelungenkaserne und einem weiteren Baugebiet spricht die Staatsanwaltschaft sogar von Bestechung und Bestechlichkeit. Die Staatsanwälte forderten eine Haftstrafe von vier Jahren und sechs Monaten für Wolbergs und für Tretzel.

Staatsanwältin Christine Ernstberger zeichnete in ihrem Schlusswort ein durchaus widersprüchliches Bild von Wolbergs: Einerseits sei er darauf bedacht gewesen, dass er sich nicht die Würstl auf Feuerwehrfesten habe zahlen lassen. Andererseits sei ihm nicht einmal aufgefallen, wenn sechsstellige Beträge durch Volker Tretzels Firma bei privaten Wohnungskäufen und Reparaturen erlassen worden seien. „Mein Eindruck ist: Wenn es am Biertisch vor den Augen der Öffentlichkeit passiert, erweckt er den Eindruck, er sei besonders gründlich.“ Hinter verschlossener Tür aber sei Wolbergs „durchaus bereit, Vorteile anzunehmen“, sagte die Staatsanwältin.

Bevor aber die Vorsitzende Richterin Elke Escher die Beweisaufnahme schloss, verlas sie auf Antrag eine Pressemitteilung: Die nämlich, dass ausgerechnet Wolbergs einstiger Gegenkandidat Christian Schlegl, CSU, auch angeklagt wird – unter anderem wegen uneidlicher Falschaussage im Prozess gegen Wolbergs. Doch obwohl die Ermittler einen der wichtigsten Zeugen nun selbst anklagen, halten sie wesentliche Teile der Anklage gegen Wolbergs für erwiesen. „Ich gehe davon aus, dass der Angeklagte Volker Tretzel mit seinem Engagement beim Jahn Einfluss auf Entscheidungen der Stadtverwaltung nehmen wollte“, so Ernstberger. Bewiesen sei ihr zufolge, dass insbesondere eine Kapitalerhöhung 2015 von 1,1 Millionen Euro, um den Fußballverein vor dem Lizenzentzug zu retten, mit konkreten Absichten Tretzels erfolgt sei.

Auch die Stückelung von Spenden sehen die Ermittler als erwiesen an. Die Mitarbeiter Tretzels hätten Gehaltszahlungen „on top“ bekommen. Einer habe ausgesagt, er hätte ohne diese zusätzlichen Gehaltszahlungen nicht gespendet. „Es handelte sich um gesplittete Strohmannspenden“, so Staatsanwältin Ingrid Wein.

Wichtigster Zeuge dafür: Thomas Goger, Schatzmeister der Bayern-SPD und selbst Staatsanwalt. Der hatte Wolbergs im Februar 2016 angezeigt bei den Ermittlern. „Er konnte die Namen der Spender sofort der Firma BTT zuordnen“, sagte Wein. Und das hätte auch jeder andere gekonnt, wenn er die Namen gelesen hätte.

Ein umfangreiches Gutachten des führenden Juraprofessors auf dem Gebiet der Parteispenden, das Tretzel vorgelegt hatte, bügelte Wein mit dem Hinweis auf den Prozessverlauf so ab: „Das ist, wie wenn man einem Immobiliengutachter ein Haus zeigt, ihm aber den schimmligen Keller vorenthält.“ Vielmehr habe es eine Verabredung zwischen Tretzel und Wolbergs hinsichtlich der Spenden gegeben. „Die gab es auch bei Schlegl, wie er als Zeuge bestätigte“, sagte Wein im Hinblick auf den CSU-Politiker. Tretzel sei eben der „Spiritus Rector des Regensburger Spendensystems.“

Immer wieder hatte Wolbergs im Prozess im Hinblick auf ihn belastende Mails gesagt, dass er die nicht kenne angesichts der Fülle der bei einem Oberbürgermeister eingehenden Mails. Staatsanwältin Wein nahm ihm das nicht ab: „Herr Wolbergs sagte im Prozess dann immer, er hat das nicht gelesen, nicht zugehört, sich nicht gekümmert. Das wirft auf einen Oberbürgermeister einer Großstadt ein denkbar schlechtes Licht“, so die Staatsanwältin.

Ihre Kollegin sieht das offenbar genauso. Beim Plädoyer sagte Christine Ernstberger: „Herr Wolbergs hat mir hier im Prozess entgegen gerufen: ich bin gewählt worden, um eine Meinung zu haben“, so die Staatsanwältin und zeigte auf Wolbergs. Doch am Ende sei er eben ein Beamter, der neutral bleiben müsse. „Auch ein gewählter Oberbürgermeister steht nicht über dem Gesetz. Es ist korrupt, wenn man sich nur für einen Bieter bei einer Ausschreibung einsetzt.“ Dass die Staatsanwaltschaft in dem Fall keinen Schritt zurückwich, merkte man auch am letzten Anklagepunkt, einem Sparkassenkredit. Trotz der 130 Kilogramm Gold Tretzels im Depot der Sparkasse soll ein Kredit über 4,5 Millionen Euro und Zinsen und Gebühren von 1,17 Prozent auf zehn Monate Laufzeit für die Ermittler ein Vorteil für Tretzel gewesen sein.

Bis 20. Mai ist nun Pause im Prozess. Dann wird die Verteidigung Wolbergs plädieren. Es ist zu erwarten, dass sie die abgelaufenen rund 50 Verhandlungstage völlig anders bewertet als die Staatsanwaltschaft.

Regensburg