Tolle Aktion
Geschenkt statt für die Mülltonne – ein Edeka-Markt geht nachhaltige Wege

27.02.2019 | Stand 13.09.2023, 0:35 Uhr
−Foto: n/a

Ein Edeka-Markt geht einen neuen Weg bei „alten“ Lebensmitteln: In einer Kiste werden abgelaufene Lebensmittel an Kunden verschenkt. Die Aktion stößt auf riesige Resonanz, sogar in Berlin wurde man darauf aufmerksam.

WENZENBACH/BERNHARDSWALD „Ich verstehe nicht, warum das andere nicht nachmachen“, lacht Rafael Dirnberger. Der 29-Jährige hat den Edeka-Markt von seinem Vater übernommen, hat frische Ideen. Facebook- und Instagram-Account? Keine Frage, natürlich kommuniziert Dirnberger mit Kunden auch auf diesem Wege. Doch bundesweit in die Schlagzeilen schaffte es der Edeka-Marktbetreiber durch eine einfache, aber bestechende Idee: Statt abgelaufene Lebensmittel und leicht lädiertes Obst wegzuwerfen – verschenkt er es an Kunden!

„Ursprünglich habe ich die Idee von einem Kollegen aus Baden-Württemberg“, so Dirnberger. Dort hat ein Edeka-Betreiber allerdings extra ein Zelt auf dem Parkplatz aufgestellt. „Das lief schnell aus dem Ruder“, sagt er. Doch der 29-Jährige überlegte: Was, wenn er es auch versucht? Was, wenn abgelaufene Lebensmittel statt auf dem Müll, im Einkaufskorb der Kunden landen? Heute steht ein Aufsteller neben dem Ausgang, die Kunden können dort beispielsweise Orangen mitnehmen, die eben nicht mehr so superglatt aussehen, wie das bei Obst in deutschen Discountern gefordert wird. Morgens befüllen Dirnbergers Mitarbeiter die Kisten mit Obst und Gemüse, das nicht mehr so schön aussieht. Auch mit Molkereiprodukten werden sie befüllt. Selbst verbeulte Dosen und abgelaufenes Tierfutter wandern in den „Geschenkekorb“ für die Kunden. Bei verpackten Lebensmitteln zählt das sogenannte Haltbarkeitsdatum. Zwischenzeitlich wissen auch die Verbraucher: Nur weil das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist, heißt es noch lange nicht, dass ein Artikel ungenießbar ist. Im Gegenteil. Nudeln oder andere Produkte, aber auch Joghurts sind noch lange danach genießbar. „Rechtlich dürfen wir diese Lebensmittel nicht mehr verkaufen“, sagt Dirnberger. „Wir bewegen uns leider auch beim Verschenken der Produkte in einer Grauzone.“ Sollte wider erwarten einem Kunden von einem geschenkten Produkt schlecht werden, würde nämlich Dirnberger das rechtliche Risiko tragen.

Deshalb fordert der junge Marktbetreiber, dass die Politik endlich Rahmebedingungen schafft, um weg von den Müllbergen, hin zu einem sinnvollen Kreislauf für die Lebensmittel zu kommen, die eben nicht mehr verkauft werden dürfen. Bedenken von Kollegen kann Dirnberger nicht teilen. „Manche glauben, man verkauft weniger, wenn man etwas verschenkt.“ Doch er habe das Gegenteil festgestellt: „Viele Kunden freuen sich einfach, wenn sie noch etwas geschenkt bekommen.“ Die Resonanz sei beeindruckend.

Jeder Deutsche wirft 82 Kilo Lebensmittel jährlich weg!

Ein ganzer Müllcontainer voll abgelaufener Lebensmittel, das war die Menge, die Dirnberger bisher einmal in der Woche abtransportieren ließ. „Natürlich musste ich das bezahlen.“ Und weil Dirnberger nicht nur nachhaltig denkt, sondern eben auch wirtschaftlich, bringt er es mit diesem Satz auf dem Punkt: „Ich habe etwas davon, weil mir die Kunden den sogenannten Müll abnehmen, der ja eigentlich noch keiner ist“, so der Marktbetreiber. Und die Kunden hätten das Gefühl, etwas zu bekommen – und die Perversion einer übersättigten Konsumgesellschaft zu entkommen, die überproduziert.

Dass das Thema Lebensmittel-Wegwurf viele bewegt, konnte man kürzlich auch angesichts eines Prozesses in München beobachten. Zwei Studentinnen hatten „Containert“, also weggeworfene Lebensmittel aus dem Müll gefischt. „Das hier ist eine echte Alternative“, sagt Dirnberger. Er fordert die Discounter auf, es ihm gleichzutun. Denn die Zahlen sind erschreckend: Laut Umweltbundesamt werden in Deutschland 82 Kilo Lebensmittel pro Jahr weggeworfen, mit einem Warenwert von 234 Euro. Pro Person. Allein der Handel wirft jährlich 550.000 Tonnen an Lebensmittel weg.

Die Aktion könnte bald ausgezeichnet werden. Dirnberger schaffte es unter die drei Finalisten des Wettbewerbs von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner. Am 3. April ist Preisverleihung. Dirnbergers Chancen stehen gut!

Regensburg