KOMMENTAR
Der Rechtsstaat wird mit Füßen getreten

20.12.2018 | Stand 13.09.2023, 0:21 Uhr
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Der Wolbergs-Prozess wirft viele Fragen auf: Wie mächtig sind Ermittler? Was dürfen sie und was nicht? Und heiligt der Zweck die Mittel, etwa wenn Grundrechtsverstöße in Kauf genommen werden? Etwa, dass Telefonate zwischen Journalisten und Politiker vor Gericht abgespielt werden, verletzt ein fundamentales Grundrecht unserer Demokratie: Das Redaktionsgeheimnis hat Verfassungsrang. Doch zu jucken scheint das niemanden.

REGENSBURG Es läuft offensichtlich nicht so gut für die Anklage im Fall Wolbergs. Immer wieder wird deutlich, dass schlampig ermittelt, Telefonate nur in Auszügen oder gar falsch protokolliert wurden. Nun mag man dem Reflex erliegen: Ist doch egal. Hauptsache, am Ende steht die Wahrheit: War Joachim Wolbergs als Oberbürgermeister der Stadt Regensburg korrupt? Hat Norbert Hartl einseitig den Bauträger Volker Tretzel gefragt, wie man die Ausschreibung des Nibelungenareals zu seinen Gunsten gestalten soll?

Es ist gut so, dass die Wirtschaftsstrafkammer mit der vorsitzenden Richterin Elke Escher diese Fragen aufklärt. Nur ein Beispiel: Während die Staatsanwaltschaft als Grundlage ihrer Anklage lediglich sechs Telefonate ausgewählt hat, die nun die Schuld der Angeklagten belegen sollen, hört sich das Gericht über 100 dieser Telefonate an. Das Gericht ermittelt quasi selbst.

Allerdings werden dabei Rechte mit Füßen getreten, die Grundlage unseres Rechtsstaates sind. So nebenbei!

In Deutschland hat das Bundesverfassungsgericht den Begriff des „Redaktionsgeheimnisses“ begründet. Zum einen haben Journalisten ein Zeugnisverweigerungsrecht vor Gericht. Zum anderen ist es verboten, Redaktionsräume zu durchsuchen und sogar Unterlagen zu beschlagnahmen von Personen, die vom Redaktionsgeheimnis geschützt sind. Mehrere Telefonate werden derzeit vor dem Landgericht abgehört, in denen ich als Journalist mit einem der Beschuldigten spreche. Soweit ich sehe, entlasten diese Wolbergs sogar. Aber gleichzeitig werfen sie Fragen auf. Es mag zur Wahrheitsfindung beitragen, wenn diese Gespräche nun vor Gericht angehört werden. Aber klar ist jetzt auch, dass man in Regensburg nicht mehr investigativ recherchieren braucht, wenn die Staatsanwaltschaft im Spiel ist. Telefonate sind nicht sicher davor, dass sie mitgeschnitten werden. Immer wieder hatten wir auch den Ermittlern Probleme bereitet, weil wir Exklusives veröffentlichten. Diese wiederum eröffneten ein Ermittlungsverfahren gegen mich, das zwar eingestellt wurde – man ließ es aber über ein Jahr unbearbeitet liegen. Man hat versucht, mich mundtot zu machen. Dabei hat das Verfassungsgericht klare Grenzen gezogen: Wie Artikel in Zeitungen entstehen, muss dem Blick des Staates verborgen bleiben. Und das gilt auch für die Regensburger Staatsanwaltschaft. Proteste indes gibt es keine.

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