Justiz
Das steht in der Anklage gegen Wolbergs

29.08.2018 | Stand 13.09.2023, 3:11 Uhr
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Am 24. September beginnt der Prozess des Jahrzehnts vor dem Landgericht. Die Staatsanwaltschaft hat bis aufs Komma genau angebliche Vorteile aufgezählt, die Wolbergs erhalten haben soll. Manches klingt wie Erbsenzählen, etwa wenn es um Rechnungen für eine Pächterwohnung in der Alten Mälzerei geht. Anderes dreht sich um Millionen - etwa, dass Volker Tretzels Firma BTT elf Millionen Euro Gewinn in der Nibelungenkaserne angepeilt hat.

REGENSBURG Der Prozess am 24. September gegen den suspendierten Oberbürgermeister Joachim Wolbergs, Bauträger Volker Tretzel, Ex-SPD-Fraktionschef Norbert Hartl und Ex-BTT-Geschäftsführer Franz W. wird ein Verfahren, das Regensburg so die letzten zehn Jahre sicher nicht gesehen hat. Am ersten Verhandlungstag wird die Staatsanwaltschaft nach Feststellung der Personalien aller Angeklagten die Anklageschrift verlesen. Diese liegt uns vor. 25 Seiten haben die Ermittler zusammengetragen.

Medien aus ganz Deutschland haben sich akkreditiert, 65 Zeugen sind geladen, einige mehrfach. Terminiert sind 70 Verhandlungstage, im April 2019 wäre der Prozess zu Ende, eine Urteilsverkündung ist am 9. Mai 2019 geplant. Doch die Kammer hat sich weitere 28 Verhandlungstage bis September 2019 als Reserve ausbedungen. Da derzeit vieles darauf hindeutet, dass Wolbergs bei einem milden Urteil mit einer eigenen Liste erneut um das Amt des Oberbürgermeisters antreten würde, ist dieser Zeitrahmen fair – vorausgesetzt, er bekäme eine Strafe unter einem Jahr zur Bewährung, würde er sein passives Wahlrecht nicht verlieren und könnte antreten.

Gegliedert hat die ermittelnde Staatsanwältin Dr. Christine Ernstberger die Anklage so: In einem ersten Komplex behandelt sie die Spenden. Eingenommen hatte Wolbergs Ortsverein Stadtsüden zwischen 2011 und 2016 eine Summe von 1,095 Millionen Euro. Davon stammten laut Anklage 475.000 Euro von Tretzel – mutmaßlich, so die Ermittler, über ein Strohmann-System, also leitenden Mitarbeitern Tretzels sowie Privatpersonen wie seiner Schwiegermutter. Vorgehalten werden Wolbergs auch mehrere Bauleistungen, die Tretzel ihm günstiger gewährt haben soll: Bekannt sind die beiden Eigentumswohnungen von Wolbergs Mutter und seiner Schwiegermutter, dabei soll sich die Familie 80.000 Euro gespart haben. Zudem wirft man ihm vor, Reparaturen an einem Ferienhaus sowie an einer Pächterwohnung in der Alten Mälzerei vergünstigt erhalten zu haben – die Ermittler summieren beispielsweise bei der Mälze einen Betrag von 8.000 Euro bis aufs Komma genau.

Vorgeworfen wird Wolbergs auch, für den Jahn finanzielle Leistungen Tretzels gefordert und erhalten zu haben. Als Aufsichtsratsvorsitzender habe er dafür gesorgt, dass Tretzel die Zahlungsunfähigkeit des Jahn verhinderte, indem er 1,2 Millionen Euro im Dezember 2014 sowie weitere 500.000 Euro im Mai 2015 und nochmals 1,1 Millionen Euro im Dezember 2015 als Kapital in den Jahn schoss. Die Ermittler werfen Tretzel vor, dass er sich für Fußball gar nicht interessierte – und trotzdem zahlte. Das habe er getan, um den Zuschlag für die Bebauung der Nibelungenkaserne zu erhalten. Maßgeblicher Zeuge dafür ist übrigens der frühere CSU-Kandidat Christian Schlegl, der aussagte, Hartl habe ihm das am Rande einer Sitzung eines Jahn-Gremiums so gesagt – der Jahn brauche das Geld, deshalb müsse Tretzel die Nibelungenkaserne bekommen. Schlegl indes ist nun selbst ins Visier der Ermittler geraten. Die Anklage beziffert die Einnahmen aus der Kaserne mit über 80 Millionen Euro, der Gewinn liege bei elf Millionen. Angeklagt ist auch der Rote-Brach-Weg. Hier hatte Tretzel angeblich 200.000 Euro weiterer Spenden in Aussicht gestellt, wenn Wolbergs dafür auf die Stadtverwaltung einwirken würde, nicht mehr Sozialwohnungen bauen zu müssen. Die Stadtverwaltung hatte Tretzel gebeten, 50 statt wie vom Stadtrat beschlossen, 20 Prozent Sozialwohnungen zu bauen. Die Umwandlung des Gewerbe- in ein Wohngebiet sei für ihn mit erheblichen Gewinnen verbunden, so die Staatsanwaltschaft – sie erwähnt nicht, dass im Wahlkampf neue Wohnungen das Mega-Thema waren.

Regierungspräsident und Landrätin als Zeugen

Auch in der Anklage: Ein Kredit an Tretzel über 4,5 Millionen Euro von der Sparkasse mit 1,17 Prozent inklusive Gebühren und Zinsen für zehn Monate – durchaus üblich, aber man hat es eben mal mit angeklagt. Hier sollen Sparkassen-Verwaltungsräte ebenso vernommen werden wie Landrätin Tanja Schweiger und der Regierungspräsident Axel Bartelt. Zu den Spenden hat die Staatsanwaltschaft neben den BTT-Mitarbeitern auch die Landtagsabgeordnete Margit Wild geladen. Beim Jahn-Komplex sollen Hans Rothammer, Christian Keller und wiederum Schlegl aussagen. Auch Hans Schaidinger kommt in den Zeugenstand. Wann welche Zeugen vernommen werden, haben wir hier dokumentiert.

Zugelassen hat die Wirtschaftsstrafkammer unter der Vorsitzenden Elke Escher die Anklage zwar in Gänze – sie hat nur den rechtlichen Hinweis erteilt, dass aus ihrer Sicht Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung statt Bestechung in Frage komme – ein deutlich niedrigerer Strafrahmen. Diese wird mit bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft, während Bestechung mit bis zu fünf Jahren bestraft wird.

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