Kunstkollektiv 21
Dramatische Situation im Mittelmeer – Trauermarsch in der Regensburger Altstadt

25.07.2018 | Stand 31.07.2023, 10:04 Uhr
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Plötzlich wird es ganz ruhig in der Roten-Hahnen-Gasse. Fußgänger treten zur Seite und halten inne. Stumm und bedächtig tragen vier junge Menschen einen hölzernen Sarg durch die Regensburger Altstadt. Darauf liegt ein Blumenkranz. Hinter dem Sarg folgt eine schweigende, schwarz gekleidete Trauergemeinde. Die 18 bis 60 jährigen Regensburgerinnen und Regensburger, die Dienstagnachmittag, 24. Juli, an dem Trauermarsch teilnehmen, sind Darsteller einer Kunstperformance, die ihr Publikum mit den tödlichen Folgen der europäischen Flüchtlingspolitik konfrontiert.

REGENSBURG Erst am letzten Dienstag wurden im Mittelmeer erneut eine ertrunkene Frau und ein ertrunkenes Kleinkind geborgen, nachdem sie die libysche Küstenwache dort schutzlos zurückgelassen hatte. Nach Angaben der UN beläuft sich die Anzahl der seit Jahresbeginn im Mittelmeer Ertrunkenen inzwischen auf 1.492. Privaten Organisationen der Seenotrettung wird indes die Einfahrt in europäische und nordafrikanische Häfen verwehrt und ihre Schiffe zum Teil festgesetzt. „Diese Todesfälle sind zwei unter unzähligen und hätten vermieden werden können: Sie sind die Folge einer europäischen Abschottungspolitik, die Seenotrettung kriminalisiert und europäische Häfen schließt“, sagt eine Teilnehmerin. Die symbolische Beerdigung in der Regensburger Altstadt stehe damit nicht nur für die Ertrunkenen, sondern auch für die Menschlichkeit, das Mitgefühl und die Werte Europas, die damit zu Grabe getragen werden.

Der Trauermarsch zieht langsam über den Haidplatz und geht dann weiter zum Neupfarrplatz, wo der Sarg schließlich niedergelegt wird. Die versammelte Trauergemeinde stimmt das Lied „Sympathy“ von Rare Bird an, nacheinander legen die Trauernden währenddessen Blumen nieder. Über den Neupfarrplatz legt sich Stille, Vorbeigehende halten inne und nehmen Anteil. Auch sie tragen zum Teil Blumen zum Sarg und unterbrechen für einen Moment ihren Alltag. Man spürt an der Betroffenheit vieler: die Performance führte den Regensburgern den Tod an den Grenzen Europas eindrücklich vor Augen.

„Wir wollen mit dieser Kunstperformance darauf hinweisen, dass in der politischen Diskussion um die Frage ‚wie viele wir aufnehmen können‘ vergessen wird, dass die Rettung von Menschen in Seenot eine indiskutable menschliche Pflicht ist“, sagt eine Sprecherin des veranstaltenden Kunstkollektivs 21. Dieses Kollektiv arbeitete seit drei Wochen an den Vorbereitungen und zeigte sich positiv überrascht über den Zuspruch und die Anteilnahme der Passanten. Ihrer Intention, an die Mitmenschlichkeit der Regensburger und Regensburgerinnen zu appellieren, seien sie jedenfalls gerecht geworden, resümiert das Kunstkollektiv 21.

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