„Autorität und Ansehen beschädigt“
Landesanwaltschaft entscheidet – Wolbergs bleibt suspendiert

02.05.2018 | Stand 21.07.2023, 7:18 Uhr
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Die Landesanwaltschaft Bayern hat am heutigen Mittwoch entschieden, die vorläufige Dienstenthebung des Oberbürgermeisters der Stadt Regensburg, Joachim Wolbergs, und den teilweisen Einbehalt seiner Bezüge aufrecht zu erhalten. Die Entscheidung des Landgerichts Regensburg vom 1. März 2018, die Anklage der Staatsanwaltschaft Regensburg unter rechtlichen Änderungen zuzulassen und den Haftbefehl aufzuheben, „hat die Gründe für die Suspendierung im Ergebnis nicht entfallen lassen“, teilten die Landesanwälte mit.

REGENSBURG Das Landgericht Regensburg hat im Beschluss zur Eröffnung des Hauptverfahrens festgestellt, dass ein hinreichender Tatverdacht im Hinblick auf die Straftatbestände der Vorteilsannahme und des Verstoßes gegen das Parteiengesetz vorliege, und den Anklagevorwurf der Bestechlichkeit für derzeit nicht haltbar erachtet. Hierzu wird auf die Pressemitteilung des Landgerichts Regensburg vom 1. März 2018 verwiesen. In dem auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Regensburg ergangenen Beschluss vom 13. April 2018 hat das Oberlandesgericht Nürnberg zudem die Auffassung vertreten, dass nach wie vor der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr vorliege. Es bestehe immer noch die konkrete Gefahr, dass der kommunale Wahlbeamte auf Zeugen einwirken werde.

Eine vorläufige Dienstenthebung kann nach dem Bayerischen Disziplinargesetz ausgesprochen werden, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass im Disziplinarverfahren auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird. Daneben kann eine vorläufige Dienstenthebung erfolgen, wenn durch das Verbleiben im Dienst der Dienstbetrieb oder die Ermittlungen wesentlich beeinträchtigt würden. Die Landesanwaltschaft Bayern ist nach Prüfung der ihr übersandten Strafakten, des Beschlusses des Landgerichts Regensburg und des Beschlusses des Oberlandesgerichts Nürnberg und nach einer persönlichen Anhörung des kommunalen Wahlbeamten zu dem Schluss gekommen, dass sämtliche Voraussetzungen vorliegen. Gegenstand der Anklagezulassung sind u.a. mehr als 20 Fälle der Vorteilsannahme, hinsichtlich derer das Landgericht Regensburg einen hinreichenden Tatverdacht bejaht und eine spätere Verurteilung als wahrscheinlich ansieht.

Im Rahmen ihrer Prognoseentscheidung hat die Landesanwaltschaft Bayern berücksichtigt, dass auch der Vorwurf der Vorteilsannahme zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis führen kann. Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung kommt aufgrund der beamtenrechtlichen Pflicht zur uneigennützigen Amtsführung dem strafrechtlichen Verbot der Vorteilsannahme eine herausragende Bedeutung zu. Ein Verstoß gegen diese beamtenrechtliche Pflicht, auf deren Einhaltung eine rechtsstaatliche Verwaltung zwingend angewiesen ist, stellt eine so schwerwiegende Beeinträchtigung des Vertrauens dar, dass eine weitere Tätigkeit als Beamter in der Regel untragbar erscheint.

Im Falle einer strafrechtlichen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr wäre das Beamtenverhältnis von Gesetzes wegen beendet. Die vom Oberlandesgericht Nürnberg bejahte Verdunkelungsgefahr durch Einwirken auf Zeugen begründet nach Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern zugleich die Besorgnis, dass der Dienstbetrieb und die Ermittlungen im Laufe des Disziplinarverfahrens beeinträchtigt würden. Vor dem Hintergrund, dass viele städtische Mitarbeiter im Rahmen der strafrechtlichen Hauptverhandlung als Zeugen zu vernehmen sein werden, steht eine gedeihliche, der Dienstverrichtung und korrekten Aufgabenerledigung dienende Zusammenarbeit zwischen dem kommunalen Wahlbeamten als Dienstvorgesetztem und seinen Mitarbeitern nicht zu erwarten.

Die Entscheidung über die vorläufige Dienstenthebung ist eine Ermessensentscheidung.

Bei der Ausübung ihres Ermessens hat die Landesanwaltschaft Bayern das Interesse des kommunalen Wahlbeamten an einem weiteren Verbleib im Amt ebenso berücksichtigt wie die Tatsache, dass er ein demokratisch legitimierter Wahlbeamter ist. Daher stellt die vorläufige Dienstenthebung für ihn eine besonders einschneidende Maßnahme dar. Die Landesanwaltschaft Bayern hatte demgegenüber auch die Tatsache zu würdigen, dass die im Raum stehenden und in der Öffentlichkeit bekannt gewordenen Vorwürfe zu einer erheblichen Beschädigung des Amtes des Oberbürgermeisters der Stadt Regensburg geführt haben. Es steht zu befürchten, dass das Amt des Oberbürgermeisters der Stadt Regensburg und das Ansehen der Stadt Regensburg weiter beschädigt würden, wenn der kommunale Wahlbeamte derzeit in das Amt zurückkehren würde. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass das Landgericht Regensburg die Anklage zugelassen hat und der kommunale Wahlbeamte sich einer zeitaufwändigen Hauptverhandlung wird stellen müssen. Es ist daher davon auszugehen, dass der kommunale Wahlbeamte derzeit nicht das Ansehen und die Autorität hat, die für die Ausübung des Amtes als Oberbürgermeister der Stadt Regensburg notwendig sind.

Die vorläufige Dienstenthebung endet jedenfalls mit dem rechtskräftigen Abschluss des Disziplinarverfahrens. Die Disziplinarbehörde ist weiterhin gehalten, die Angemessenheit dieser Maßnahme regelmäßig zu überprüfen und an möglicherweise veränderte Umstände anzupassen. Darüber hinaus kann der kommunale Wahlbeamte jederzeit beim zuständigen Verwaltungsgericht Regensburg einen Antrag auf Aussetzung der angeordneten Maßnahmen stellen. Das Disziplinarverfahren bleibt bis zum Abschluss des Strafverfahrens ausgesetzt. Bei Erhebung der öffentlichen Klage im Strafverfahren ist dies vom Gesetz zwingend vorgesehen.

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