Vor 50 Jahren
68er-Protest in der Domstadt – Demos gab es damals schon nur wegen dem Semesterticket

16.04.2018 | Stand 13.09.2023, 14:33 Uhr
−Foto: n/a

Bilderstürmer waren die Regensburger nach Gründung der Uni sicherlich nicht: Das bezeugen Bilder von Demonstrationen im berühmten Protestjahr 1968. An der frisch gegründeten Uni sorgten sich die Studenten, wie heute, vorwiegend um das Semesterticket. Doch verspätet zog dann doch noch ein Hauch von Revolution in die Hochschule ein.

REGENSBURG Vor 50 Jahren tat sich etwas, das man heute als 68er-Revolution historisch einordnet. Nun, man muss sich das mal vorstellen: Damals gab es noch den Kuppel-Paragraphen, wonach Eltern sich strafbar machten, wenn sie den Sohn und dessen Freundin allein im Jugendzimmer ließen. Ehefrauen mussten ihren Mann fragen, ob sie arbeiten gehen durften. Und unter sexueller Befreiung verstand man in gutbürgerlichen Haushalten, dass sich die Gattin heimlich ein Dessous gekauft hatte. Dann kamen die Studenten: Der Vietnam-Krieg, der Besuch des Schahs von Persien, die Erschießung des Studenten Benno Ohnesorg schrieben Geschichte. „Unter den Talaren der Muff von tausend Jahren“, lautete das Motto der Bilderstürmer. So mancher Massenmörder à la Jo Chi Minh wurde ebenso verehrt wie die DDR für eine echte Alternative verklärt.

Regensburg aber – war damals, 50 Kilometer vom „Ende der westlichen Welt“ entfernt, trotz der Neugründung einer Universität ein braves Nest irgendwo in Ostbayern. Ja, man hat geradezu den Eindruck, die neu gegründete Universität, die am 6. November 1967 ihren Lehrbetrieb aufnahm mit 35 Professoren und 661 Studenten, war geradezu ein Hort der Gutbürgerlichkeit verglichen mit Hochburgen des Studentenprotests wie die Freie Universität Berlin. Ja, Regensburg war derartig ruhig, dass sich sogar ein Shooting-Star der Theologie nach Regensburg wegbewarb, weil er es in Freiburg nicht mehr aushielt. Ein gewisser Joseph Ratzinger, seines Zeichens Dogmatiker und einer der entscheidenden Denker für die deutschen Bischöfe beim Zweiten Vatikanischen Konzil, war vor Lehrsaal-Besetzungen in Freiburg geflohen. Dienstantritt: Sommersemester 1968, als in ganz Deutschland die Universitäten geistig brannten.

Und bei uns? Was war in Regensburg so los? Nun, da drehte sich zunächst alles um – das Semesterticket. Ja, genau, um das die Studenten bis heute streiten, sobald es erhöht wird. Und das bewegte damals schon die Studenten. Die Massen – oder andersrum: Fast die komplette damalige Uni – marschierte(n) durch die Gassen Regensburgs. Vor dem Alten Rathaus kam es schließlich zu einer Kundgebung. Die Studenten waren sichtlich sauer. Doch zu einer radikalen Wende kam es auch in Regensburg, wenn auch verspätet. Diese erfolgte jedoch eher in der Universität, weniger auf der Straße. Die Uni-Zeitschrift „Lautschrift“ interviewte angesichts des Jubiläums der 68er einen ebenso gefürchteten, wie geliebten Rektor der Regensburger Universität: Gustav Obermair. In seine Amtszeit 1971 bis 1973 fiel eine Entscheidung, die als Regensburger Mitbestimmungsmodell vor allem eines verursachte – der Kultusminister handelte und schob dem einen Riegel vor.

Kultusminister zog bei Rektor die Reißleine

Den hitzigen Debatten an der Uni folgte in ganz Deutschland eine Radikalisierung, die zehn Jahre nach den Höhepunkten der Studenten-Demos im Deutschen Herbst, dem Terror-Jahr der RAF, mündete. Eine der Protagonistinnen dieses Terrors war die RAF-Mörderin Brigitte Mohnhaupt. Einer ihrer Rechtsanwälte ist übrigens ein Regensburger ...

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