Automobil
15 Millionen Diesel-Geprellte – wie eine Technologie systematisch platt gemacht wird

11.03.2018 | Stand 13.09.2023, 6:28 Uhr
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In Deutschland macht man eine Technologie platt, in der wir eine Weltmacht sind. Über Sinn und Unsinn der Diesel-Debatte

REGENSBURG Regensburg. Nein, sowas können sicher nur Deutsche: Da gibt es eine Technologie, die ein findiger deutscher Architekt am 23. Februar 1893 unter dem Patent DRP 67 207 patentieren ließ. 15 Millionen Diesel-Fahrzeuge fahren in Deutschland herum, Vielfahrer nutzen sie, Speditionen setzen auf den Diesel-Motor, seit vielen Jahrzehnten. Und ausgerechnet die amerikanische Umweltbehörde macht aus der einst vorbildlichen Technik – ein Drama für Autobesitzer. Und für Autohäuser!

Knapp 300.000 Autohändler in ganz Deutschland stehen angesichts der Diesel-Debatte laut dem Auto-Experten Ferdinand Dudenhöffer vor existentiellen Problemen. Seit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig sind die Preise für gebrauchte Diesel drastisch gesunken. „Bei einem Werteverlust von mindestens 3.500 Euro pro Auto nach dem Fahrverbots-Urteil ergibt sich ein Gesamtschaden von gut einer Milliarde Euro“, sagte Didenhöffer kürzlich.

Denn seit Kurzem ist bekannt, dass nicht nur alte Diesel-Fahrzeuge von Fahrverboten betroffen sein könnten. Auch neuere Modelle haben ein Problem. Erste Fahrverbote werden bereits für Städte wie Hamburg erwartet. Doch dort will man offenbar nicht auf Symbolpolitik setzen und quasi, wie bei der Umweltzone in Regensburg, das schöne Welterbe zur geschützten Zone erklären, nicht aber die vielbefahrene Friedenstraße. In Hamburg könnte man etwa in Altona jeweils eine Strecke für Lastwagen ohne Euro-Norm-6 sperren. Anwohner sollen davon zunächst nicht betroffen sein.

In Regensburg wurden die Grenzwerte für Stickoxide, für die der Diesel mitverantwortlich sein soll, übrigens letztes Jahr 41 Mal gerissen. 40 Mal ist der Grenzwert. Von Fahrverboten spricht hier allerdings vorerst niemand. Denn so wirklich klug ist es ja nach wie vor nicht, der Diesel-Technologie gleich mal den Garaus zu machen: Bei Kohlendioxiden und Feinstaub etwa ist der Diesel im Vergleich zum Benziner völlig unschlagbar. Die ersten Politiker warnen deshalb bereits, vom Diesel auf einen Benziner umzusteigen.

Für den Diesel werden Fahrverbote mit großer Wahrscheinlichkeit insgesamt das Ende bedeuten. Allerdings nur auf den Straßen. Denn die Kreuzfahrtschiffe, die in Regensburg an der Donau anlegen, pumpen zwar mit Diesel-Aggregaten ein Vielfaches von Autos in die Luft. Doch das ist eine Bundeswasserstraße – die Stadt könnte hier nicht einmal regulierend einschreiten.

Und auch das Vertrauen der Bürger in den Diesel ist rapide gesunken. Laut einer Umfrage sagen 78 Prozent der Deutschen, sie würden sich nie und nimmer einen Diesel kaufen. Die Debatte hat bereits jetzt ihre Wirkung erzielt: Unterstellt man den Amerikanern, dass sie es gezielt auf die deutsche Technologie abgesehen haben, dann ist der Plan aufgegangen – waren im Februar 2017 noch 43 Prozent der Neuzulassungen dieselangetrieben, sind es im Februar 2018 nur noch ein Drittel gewesen.

Doch ist die Elektro-Mobilität am Ende wirklich das Maß aller Dinge? Es gibt starke Zweifel. Denn es gibt nach wie vor noch keine Antworten darauf, wie die Reichweiten der Fahrzeuge so ausgebaut werden können, dass sie vergleichbar leistungsfähig sind wie Verbrennungsmotoren. Die Vision der deutschen Autoindustrie, das Ein-Liter-Auto zu verwirklichen, gerät angesichts der derzeitigen Debatte ins Hintertreffen. Auch in Deutschland setzt man jetzt auf Elektro-Antriebe. Woher der Strom kommen soll, ist noch nicht geklärt. Denn ein mit Atomstrom betriebenes Elektro-Auto kann ja das Gelbe vom Ei nicht sein.

Fahrverbote auch für alte Benziner

Geprellte sind jedenfalls die Diesel-Käufer, die unter dem offensichtlichen Betrug von VW und Audi leiden. Wer sich erst kürzlich einen neuen Diesel kaufte, der muss mit ansehen, wie der Wiederverkaufswert in den Keller rauscht. Zumindest für Besitzer älterer Diesel haben die Autohersteller aus der Not eine Tugend gemacht und Prämien beim Kauf neuer Modelle angeboten.

Am Ende könnten die Fahrverbote übrigens auch ältere Ottomotoren treffen. Autos, die nicht die Euro-Norm-3 erfüllen, sollen demnach von Fahrverboten ebenso betroffen sein wie nagelneue Diesel, möglicherweise sogar der Euro-Norm-6.

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