Spenden-Affäre
Die Ermittler hatten sich lange auf Wolbergs eingeschossen

08.03.2018 | Stand 13.09.2023, 7:06 Uhr
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Jetzt ist es amtlich: Die Staatsanwaltschaft Regensburg hat sich von Anfang an auf den heute suspendierten Oberbürgermeister Joachim Wolbergs eingeschossen.

REGENSBURG Nach einer „Dienstlichen Erklärung“ des Landesschatzmeisters der SPD im Februar 2016 legte die Behörde den Fokus auf drei Regensburger Bauträger und den SPD-Politiker, ließ dabei den CSU-OB-Kandidaten Christian Schlegl aber außen vor.

Der SPD-Landtagsabgeordnete Franz Schindler hat deshalb bei der Staatsregierung nachgefragt (das Wochenblatt berichtete letzte Woche): Gab es hier eine Ungleichbehandlung? Warum der SPD-OB, nicht aber sein CSU-Kontrahent?

Dabei bezog sich Schindler auch auf einen Bericht, den er nur im Wochenblatt lesen konnte: Wir berichteten schon Ende Juni 2016 ausführlich, dass auch der CSU-Kandidat Christian Schlegl Spenden knapp unter der Veröffentlichungspflicht von 10.000 Euro erhielt. Schlegl selbst hatte 60.000 Euro vom jetzt angeklagten Bauträger Volker Tretzel eingeräumt – aber eben über Mitarbeiter. Das Wochenblatt hatte exklusiv über eine Mail berichtet, wonach Schlegl sogar nach deren Privatadressen fragte – eine solche Mail gibt es von Wolbergs nicht.

Ermittlungen gegen Mandatsträger wichtiger

Das Justizministerium nimmt die Staatsanwaltschaft aber in Schutz. So seien Ermittlungen „gegen Verantwortliche der Stadt Regensburg und weitere Beschuldigte zunächst vorrangig mit dem Ziel der raschen Aufklärung der im Raum stehenden Korruptionsvorwürfe, i. e. der Straftatbestände, bei denen eine Beteiligung von Amts- oder Mandatsträgern im Raum stand“ im Mittelpunkt gestanden. Straftatbestände des Nebenstrafrechts wie dem Parteiengesetz „hätten nicht im primären Fokus der Ermittlungen gestanden“.

Das wirft allerdings die Frage auf, warum die zuständige Sondergruppe faktisch so ziemlich jeden vernommen hat, der auch nur ansatzweise mit den Parteispenden des SPD-Ortsvereins Stadtsüden zu tun hatte: Sogar den Mediziner Jürgen Schölmerich, der zwischen 1996 und 2000 stellvertretender SPD-Stadtverbandsvorsitzender war, hatte man angeschrieben – dabei ist der seit 2010 ärztlicher Direktor der Uniklinik Frankfurt am Main.

Bei der CSU hatte man da offenbar einen völlig anderen Maßstab. Dem Vernehmen nach hat man weder die für Spenden zuständige Mitarbeiterin der Kreisgeschäftsstelle noch den Schatzmeister vernommen. Ermittelt wird gegen Schlegl nun offenbar seit Mitte Juli 2017, da hatte die Behörde Anklage gegen Wolbergs erhoben. Mit Bestandteil der Anklage ist ein Verstoß gegen das Parteiengesetz, der mit bis zu drei Jahren bestraft werden kann. Dieser Teil gehört auch zu dem, den das Landgericht zur Verhandlung zuließ – anders als die Bestechungsvorwürfe, die vergangene Woche nicht zugelassen wurden.

Erst Ende 2017 habe man „die förmliche Registrierung eines Ermittlungsverfahrens“ bei der Staatsanwaltschaft vorgenommen. Ansonsten gab man sich auch im Justizministerium zugeknöpft: „Wegen laufender Überprüfungen sind nähere Auskünfte dazu zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht möglich.“

KOMMENTAR

Der Fall Wolbergs am Ende ein Fall Wulff?

Zufälle gibt es ja bekanntlich nicht. Und so ist es sicher auch kein Zufall, dass ich am Tag der Verkündung des Beschlusses vom Landgericht Regensburg in der Spendenaffäre direkt der leitenden Oberstaatsanwältin Ulrike Pauckstadt-Maihold in die Arme laufe. Es ist 17 Uhr, sie kommt gerade aus „Il Bar“ und sieht recht zufrieden aus. Hat sie etwas zu feiern?

Nach eineinhalb Jahren Ermittlungen, in denen 96.000 Telefonverbindungen und zwei Millionen Mails von der Polizei ausgewertet wurden, ist klar: Das Landgericht Regensburg geht nicht von einer Bestechlichkeit des suspendierten Oberbürgermeisters Joachim Wolbergs aus. Wenn eine Strafbarkeit vorliegt, dann hat er nicht gegen Dienstpflichten verstoßen. Man muss sich das vorstellen: Wolbergs stand nach seiner Verhaftung faktisch vor den Trümmern seines politischen Lebens. Und jetzt?

Dass man mit schwebenden Verfahren Menschen mit einer staatlichen Gewalt überzog, wie ich sie mir nicht hätte vorstellen können, davon ist bisher kaum die Rede gewesen. Übrigens ist das auch in meinem Fall so. Die zuständige Staatsanwältin hatte bislang keine Zeit, zu überprüfen, ob es strafbar ist, dass ich ein Protokoll einer Stadtbau-Sitzung von Wolbergs erhalten habe. Das bewies zwar, dass nicht er allein den Beschuldigten Franz W. zum technischen Leiter bestellte – aber egal. Dass die Stadtbau-Personalie heute nicht mal mehr Teil der Anklage ist, obwohl sie monatelang öffentlich angeprangert wurde – egal. Und die Pressefreiheit verteidigt man nur, wenn sie in der Türkei auf dem Spiel steht. Ich kann mir vorstellen, dass der Fall Wolbergs ausgeht wie der Fall Wulff. Aber das entscheidet nun ein Gericht, das schon salomonische Qualitäten bewiesen hat.

Regensburg