Wolbergs
„Die meisten Tage sind einfach nur furchtbar“

17.01.2018 | Stand 13.09.2023, 6:24 Uhr
−Foto: n/a

Vor einem Jahr wurde der Regensburger Oberbürgermeister Joachim Wolbergs verhaftet. Erst nach sechs Wochen kam er aus der Untersuchungshaft. Ein Gespräch mit dem suspendierten Stadtoberhaupt, ein Jahr nach dem Paukenschlag.

REGENSBURG Vor einem Jahr, am 18. Januar 2017, blickte ganz Deutschland nach Regensburg. Das Amtsgericht erließ auf Antrag der Staatsanwaltschaft einen Haftbefehl gegen den amtierenden Oberbürgermeister Joachim Wolbergs sowie gegen den Bauträger Volker Tretzel und seinen früheren Geschäftsführer. Wir sprachen mit Wolbergs, ein Jahr danach, wie es ihm seither ergangen ist.

Herr Wolbergs, Sie sind nun nach ihrer Verhaftung und der sechswöchigen Untersuchungshaft zwischenzeitlich seit einem Jahr suspendiert. Wie geht es ihnen heute?

Wolbergs: Natürlich nicht gut. Es gibt Tage, da geht es besser, aber die meisten Tage sind furchtbar. Die unerträgliche Haft hat mein Leben in zwei Hälften geteilt. Die Zeit vor der Haft und danach. Ich muss allerdings sehr vorsichtig sein, mit wem ich darüber rede, wie es mir wirklich geht, weil Kritiker einem dann vorwerfen könnten, man sei weinerlich. Ich kann nur jedem empfehlen, mal den Versuch zu unternehmen, von sich selbst überzeugt zu sein, dass man unschuldig ist, und dann das zu erleben, was ich erlebt habe und erlebe.

Wie empfinden Sie die Suspendierung?

Es ist für mich nach wie vor unvorstellbar, dass jemand, der direkt von den Menschen mit einem nicht unbeachtlichen Ergebnis gewählt wird, für ein Jahr und länger aus dem Amt genommen werden kann, nur weil eine Behörde der Auffassung ist, man hätte sich schuldig gemacht. Dass man aus einem Amt entfernt wird, wenn man rechtskräftig als schuldig verurteilt ist, ist selbstverständlich. Dass man aber wegen Vorwürfen einfach entfernt werden kann und dass, nachdem jetzt im Februar bereits zwei Jahre gegen mich ermittelt wird und die Ermittler jeden, wirklich jeden Stein umgedreht und alle Details meines Lebens erschnüffelt haben, war mir nicht vorstellbar. Ich weiß nicht, was passieren würde, wenn man wegen Vorwürfen, die zu einer Anklage führen, aber ohne Verurteilung vorsichtshalber einmal den bayerischen Ministerpräsidenten oder die Bundeskanzlerin aus dem Amt nehmen würde. Und wer sollte dann das Recht dazu haben? Außer natürlich Gerichte und ihre Urteilskraft, das ist klar.

Welche Hoffnung haben Sie im Hinblick auf das derzeit laufende Verfahren, nachdem das Landgericht die Anklage gegen Sie prüft?

Ich habe nur die Hoffnung und ich bin sicher, dass es so sein wird, dass es fair zugeht. Dass sich alle Beteiligten wirklich darum bemühen, die Wahrheit ans Licht zu bringen. Dass die dramatischen Vorverurteilungen durch die Ermittlungsbehörden und Teile der Medien ausgeblendet werden können. Ich will nur, dass es um die Wahrheit geht, wirklich darum, was geschehen ist, und darum, wie normales Leben verläuft. Bisher ging es ausschließlich darum, wie sich die Ermittler ihr eigenes Bild zurechtgezimmert haben, ohne dass dabei auch nur im Ansatz der Versuch unternommen wurde, mal unvoreingenommen der Wahrheit auf den Grund zu gehen. Ich habe es schon gelegentlich gesagt: Mein Vertrauen in den Rechtsstaat, bestimmte Abläufe und die Möglichkeit der Ermittlungsbehörden – quasi unkontrolliert – machen zu können, was sie wollen, ist in seinen Grundfesten erschüttert. Den unabhängigen Gerichten vertraue ich nach wie vor uneingeschränkt.

Glauben Sie, dass Sie wieder in das Rathaus zurückkehren können und wenn ja, wann?

Ja, wenn festgestellt wird, dass mir die Vorwürfe zu Unrecht gemacht worden sind, dann ist das nicht nur mein Wille, sondern meine Pflicht. Schließlich wollten die Menschen, dass ich das Amt des Oberbürgermeisters ausübe und viele wollen es immer noch. Wann dies sein könnte, vermag ich nicht zu beurteilen. Das gehört mit zu den dunklen Kapiteln meines Lebens seit nun fast zwei Jahren. Im Rahmen eines solchen Verfahrens ist der Beschuldigte völlig hilf- und wehrlos dem Vorgehen der Ermittlungsbehörden ausgesetzt. Das gehört zu den Dingen, die ich mir nicht habe vorstellen können.

Wie empfinden Sie das Verhalten Verantwortlicher bei der Bayern-SPD?

Ich will darüber nicht viel sagen. Aber schauen Sie, zum Beispiel wenn der damalige SPD-Landesvorsitzende Pronold von einer in der Immobilienwirtschaft tätigen Person ein Schreiben erhält, in dem diese den Herrn Hartl ,anschwärzt‘, dann würde jeder normale Mensch zunächst den Herrn Hartl fragen, was er dazu zu sagen hat, und dann die Anfrage beatworten. Nicht so Herr Pronold, der liest den Brief und schickt ihn an die Ermittlungsbehörden weiter. So geht oder ging die Bayern-SPD vor. Das spricht in meinen Augen für sich. So sehr ich Sozialdemokrat bin, die Partei hat sich, solange ich denken kann, weniger darum gekümmert, ihren eigenen Mitgliedern dann zu helfen, wenn sie in einer schwierigen Situation waren, sondern hat diese eher noch zusätzlich fallen lassen. Vielleicht ist aber auch das politische Geschäft genauso.

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