Mietpreis-Explosion
Ist die Stadtbau überhaupt noch sozial?

08.12.2017 | Stand 13.09.2023, 1:51 Uhr
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6.800 Wohnungen in Regensburg gehören der Stadt-Tochter – sie werden teurer, auch wegen dem neuen Mietspiegel. Doch Stadtbau-Chef Joachim Becker gibt sich als Sozialarbeiter im Manager-Outfit.

REGENSBURG Es war offenbar ein kleines Erfolgserlebnis für den umstrittenen derzeitigen Stadtbau-Chef Joachim Becker, als er kürzlich die CSU-Fraktion auf eine Fahrt ins Nibelungen-Areal begleitete. Becker zeigte zuerst auf die neuen Stadtbau-Wohnungen, die dort entstehen. Dann auf die Eigentumswohnungen, die ja legendär sind, denn sie sind Bestandteil der Anklage gegen den Oberbürgermeister Joachim Wolbergs und den Bauträger Volker Tretzel. Dann zeigte Becker auf eine große Lücke: Hier, so der Stadtbau-Chef, sollten eigentlich die Sozialwohnungen stehen. Was folgte, war ein politischer Sturm.

Dabei ist in der Stadtverwaltung längst klar gewesen, dass die Inhaftierung Tretzels den Bau der Wohnungen um ein Jahr verzögern würde. Doch Becker hatte sein offensichtliches Ziel erreicht: Die Stadtbau als soziales Bollwerk. Doch ist das so? Wir haben Fragen gestellt.

Stimmt es, dass nur noch Flüchtlinge Sozialwohnungen bekommen?

Becker sagt, die Stadtbau versucht, „soweit es in unseren Möglichkeiten steht, durch die Überlassung von freifinanziertem Wohnraum an diesen Personenkreis Not zu lindern“. Becker liefert aber keine Zahlen und beruft sich auf den Datenschutz. Doch seit der Flüchtlingskrise haben Einheimische ohne Flüchtlings-Merkmal kaum mehr Chancen auf eine Stadtbau-Wohnung.

Die Durchschnittsmiete steigt vor allem in der Altstadt, wo ein Bevölkerungsaustausch geschieht. Setzt die Stadtbau etwas dagegen?

Becker wiegelt ab. Am Donaumarkt habe man fürs Museum verkauft, das Haus in der Wittelsbacherstraße an einen Millionär sei ja „schlossartig“. Man habe noch 300 Wohnungen in der Altstadt – verglichen mit den insgesamt 6.800 Wohnungen also fast kaum noch Bestand. Doch gerade hier werden die alten Mütterchen längst verdrängt!

Der neue Mietspiegel kommt! 13 Prozent mehr Durchschnittsmiete – muss das auch ein Statdbau-Bewohner zahlen?

Ja! Becker: „Ihre Frage, ob wir den Mietspiegel umsetzen werden, ist wahrscheinlich mehr rhetorisch gemeint.“ Derzeit liege doch laut Becker der Preis für Neuvermietungen weit über zehn, stellenweise sogar zwölf Euro. Da seien doch die 8,70 Euro moderat. Becker kritisiert vielmehr die Mietervereine: „Wie verschiedentlich berichtet, wollen die Lobbyisten der Mieter in Regensburg nicht ihre Zustimmung zum Mietspiegel geben. Dies bedaure ich sehr“, so Becker. Die Preissteigerungen im Mietspiegel verteidigt er: „Jeder vermiedene Streit zwischen Mieter und Vermieter hinsichtlich der Miethöhe entlastet nicht nur Gerichte, sondern ist auch ein Gewinn für die Gesellschaft und für das Miteinander.“ Kritik äußert er gegenüber Mieterbund und Mieterverein: „Interessenverbände sehen dies oft anders, da ihnen bekannt ist, dass in Zeiten von Angst und Unruhe die Mitgliederzahlen am stabilsten und höchsten sind.

- Gibt es wirklich so viele Fehlbeleger, also beispielsweise ehemalige Studenten, die heute eine Ingenieurs-Stelle haben, aber trotzdem in einer Stadtbau-Sozialwohnung leben?

Auch darauf will Becker nicht antworten! „Die Frage nach der Anzahl der Fehlbeleger kann ich Ihnen leider nicht beantworten.“ Man gehe sorgsam mit Daten der Mieter um, so Becker. „Wir vermieten gerade nicht an gut verdienende Doppeleinkommensbezieher ohne Kinder, sondern eben an Menschen, die aufgrund ihrer sozialen Situation die Bedürftigkeit besitzen und die jeweilige Wohnung dringend benötigen.“

Auch in der Koalition wird immer lauter hinterfragt, ob es sich bei Becker noch um den richtigen Mann für die Position als Stadtbau-Chef handelt. Er war noch von OB Hans Schaidinger gegen den Willen von Wolbergs durchgedrückt worden. In zwei Jahren läuft Beckers Vertrag aus. Man wird ihn an den sozialen Parametern messen.

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