Kanalreiniger schimpft
„Abzocker ziehen unsere Branche in den Dreck“

09.03.2018 | Stand 13.09.2023, 6:59 Uhr
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Immer wieder tappen Kunden in die Wucher-Falle – Experte gibt Tipps, wie man ihnen nicht auf den Leim geht.

ROTTAL-INN Als das Abflussrohr in der Küche verstopft war, es auch schon aus der Badewanne blubberte und die Hausmittelchen wie Natron oder Essig versagten, war eine Frau aus Wallersdorf (Landkreis Dingolfing-Landau) mit ihrem Latein am Ende. Jetzt musste ein Fachmann ran – und im Internet wurde die Frau auch schnell fündig. Doch was sie dann erlebte, treibt ihr heute noch die Zornesröte ins Gesicht: Der angebliche Fachmann hinterließ im Keller nicht nur einen wahren Saustall, sondern präsentierte ihr eine Rechnung über fast 600 Euro – für gerade mal 20 Minuten Arbeit. Von Handwerkern aus der Region erfuhr sie, dass sie bei ihnen nur einen Bruchteil für die Arbeit hätte zahlen müssen. Die Frau erstattete wegen Wucher Anzeige bei der Polizei.

Reinhard Pechaigner, der mit seinem Bruder in Eggenfelden eine Firma für Kanalreinigung betreibt, kennt Fälle wie diesen zur Genüge. 20 überhöhte Rechnungen zieht er aus seinem Schreibtisch, darunter auch jenen Abzock-Fall aus Wallersdorf. „Solche unseriösen Abzocker ziehen unsere Branche in den Dreck“, ist Pechaigner sauer.

„Den Leuten wird auch mit der Angabe von örtlichen Telefonnummern in Branchenbüchern vorgegaukelt, es handle sich um einen örtlichen Handwerker. Ein kleines Sternchen hinter der Nummer weist darauf hin, dass eine Rufumleitung irgendwohin besteht. Das übersehen aber viele“, kennt Pechaigner eine weitere Masche.

Skeptisch wurde die Kundin aus Wallersdorf schon, als sie von dem Monteur einen Zettel zur Unterschrift vorgelegt bekam. „Ich sollte 69 Euro zahlen, dabei kostete die Anfahrt laut Internet 29 Euro. Der Mann sagte, dass sei eine Pauschale und bestätigte auf meine Nachfrage hin, dass das dann alles an Kosten sei“, so die Kundin, die gutgläubig unterschrieb.

Der Mann ging dann in den Keller, klopfte gegen die Rohre und holte eine Spirale raus. „Das können viele Meter werden“, merkte er noch an – letztlich sollen es laut Rechnung acht Meter gewesen sein. „Er sagte dann, ich solle das Wasser aufdrehen und wenige Minuten später war er fertig“, erinnert sich die Kundin.

Doch: Im Keller lag rings um das Rohr stinkender Dreck und die Rechnung stank noch mehr zum Himmel. Pro angefangene Viertelstunde Arbeit berechnete er 29 Euro, pro Meter Spirale 69 Euro. Zusammen kamen am Ende fast 600 Euro. „Ich habe einen 400 Euro-Job, dafür arbeite einen ganzen Monat lang, hier waren es 20 Minuten“, versteht die Wallersdorferin die Welt nicht mehr. Auf die Bitte, die Rechnung per Überweisung zu bezahlen, ließ sich der Monteur nicht ein und bestand auf Barzahlung. „Ich habe letztlich bezahlt, weil ich gefürchtet habe, in Teufels Küche zu kommen“. Immerhin: Die Verstopfung war behoben.

Die Frau erstattete im Nachhinein Anzeige wegen Wucher bei der Polizei, die inzwischen ermittelt. Die Recherche der Dame aus Wallersdorf ergab, dass der Mann früher schon für einen Schlüsseldienst tätig war, jene Branche, die für Abzock-Methoden von „schwarzen Schafen“ schon länger in Verruf geraten ist.

Die Rechnung der Wallersdorferin landete auch bei Reinhard Pechaigner aus Eggenfelden. „Die teuerste Rechnung, die ich je gesehen habe, lag bei 2.300 Euro für eine Toilettenreinigung“, erzählt der Kanalreinigungsexperte. Fast die Hälfte davon machten die Kosten für die Spirale aus: 39 pro Meter, insgesamt sollen es 30 Meter gewesen sein!

„Das ist für den Kunden ja nicht überprüfbar. Zudem fehlt bei der Rechnung eine Telefonnummer, an die man sich wenden kann. Die Rechnung ist nicht mal fortlaufend nummeriert“, schüttelt Pechaigner den Kopf. Und auch hier bestand der Monteur auf Barzahlung.

Ein ordentlich arbeitender Handwerker, so Pechaigner, verlange zwar die Anfahrtskosten und mit 75 Euro pro Stunde meist mehr als ein „Abzocker“ mit 39 Euro, da diese aber nicht selten zu zweit kämen, relativiere sich das wieder. „Und im Stundenlohn sind auch schon der Einsatz von Werkzeugen wie die Spirale oder Maschinen enthalten“, betont Pechaigner. Lediglich ein vom Kunden gewünschter Einsatz einer Kamera koste extra.

Letztlich hätte die Wallersdorferin bei Pechaigner und seinen ehrlichen Kollegen maximal 150 Euro bezahlt. Und zwar auch möglich per Überweisung. Und jene Kundin, die 2.300 Euro berappen musste, wäre bei einem ehrlichen Handwerker auf 400 Euro gekommen. Dies bestätigte Reinhard Pechaigner bei der Polizei. Doch der Gang vor Gericht half dem Opfer letztlich nichts. Für die Frau aus Wallersdorf ein Unding: „Warum wird solchen Abzockern nicht das Handwerk gelegt?“, schüttelt sie den Kopf.

Pechaigner hält Tipps für die Kunden parat: „Immer eine ortsansässige Firma nehmen, kostet die Anfahrt laut Auskunft am Telefon nichts, immer kritisch sein. Dann sollte man nachfragen, ob die Monteure allein oder zu zweit kommen und ob man nur bar bezahlen kann. Über die Kosten für die Arbeit wird man vorher sowieso keine Auskunft erhalten von solchen Firmen.“

Rottal-Inn