Dozent entlarvt die Sprache von Rechts
Herr Dr. Weinert, wieso fallen denn so viele auf die Rechten rein?

30.05.2018 | Stand 29.07.2023, 6:50 Uhr
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Dr. Frederik Weinert beschreibt gesellschaftliches Klima, das den Rechten Wähler zutreibt

PASSAU Diese Woche erscheint das Buch „Die Sprache der Rechten. Wie wir täglich manipuliert werden“ von Dr. Frederik Weinert, bis 2016 Dozent an der Uni Passau, jetzt Strategieberater für Politik, Kommunikation und Soziale Medien. „Schonungslos“ teilt er nach allen Richtungen aus, der gebürtige Nordrheinwestfale will dabei die „Position des Volksmundes“ vertreten. Und zeichnet ein detailreiches Bild unserer globalen Mediengesellschaft, die den Boden bereitet hat für Wahlerfolge von Populisten wie der AfD, auch in Niederbayern. Die PaWo sprach mit dem Publizisten.

PaWo: Von Ihrem Buch habe ich mir Analysen erwartet von aktuellen Reden, Wahlprogrammen und Slogans, die verglichen werden mit Texten und Reden aus der Nazi-Zeit. Stattdessen dokumentieren Sie auf 330 Seiten sehr ausführlich den öffentlichen Diskurs in Medien und Internet-Foren zu dem alles überdeckenden Thema der letzten Jahre: die Flüchtlingswelle von 2015 und deren Folgen.

Ist Ihr Buch nicht eine Mogelpackung? Und machen Sie sich nach wissenschaftlichen Kriterien nicht angreifbar?

Weinert: Nein, denn nicht nur die Rechtspopulisten manipulieren uns, sondern auch die Linken. Es ist falsch, nur die AfD für den Rechtsruck in unserem Land verantwortlich zu machen. Klar, mit echten Nazis muss knallhart umgegangen werden. Wertkonservative Bürger werden allerdings zu schnell in die rechte Ecke gedrängt. Mein Buch spricht schonungslos aus, was Millionen Deutsche denken. Wenn mich das angreifbar macht, fühle ich mich als Wissenschaftler sogar bestätigt.

Wer soll Ihr Buch eigentlich kaufen – und mit Erkenntnisgewinn lesen? Sie lassen ja an keinem ein gutes Haar: Politiker sind machtversessen und nicht lernfähig; Journalisten auf Skandalisierung und Sensationen aus, um Verkaufszahlen und Klicks zu steigern; die digitale Generation wird von schwachsinnigsten Fakes und Challenges angezogen wie die Motten vom Licht; und der AfD, die auf der Empörungs- und Hetzwelle gekonnt surft, unterstellen Sie ja auch keine moralisch korrekten Motive! Von den „Linken“ ganz zu schweigen …

Ich schreibe auf Augenhöhe mit meinen Lesern. Die Meinung meiner Friseurin ist mindestens genauso wichtig wie die der Politik-Elite. Ich kritisiere aber auch die Doppelmoral. Die Menschen wollen über Sex-Skandale und Attentate lesen, schimpfen aber gleichzeitig über die sensationsgeilen Journalisten. Schuld sind anscheinend immer die anderen. Wir leben in einer Sündenbock-Gesellschaft. Wohin das führt, wissen wir ja. Mein Buch möchte die Sinne schärfen.

Von Anfang an bekam ich als Leser den Eindruck: Der Grund allen Übels sind das weltweite Internet und die sozialen Medienkanäle. Man sollte es sofort abschaffen oder reglementieren wie in China oder Nordkorea! Aber Sie kommen ja zu einem anderen Schluss!

Die sozialen Medien ermöglichen eine intensive und leider auch ekelhafte Streitkultur. Der direkte Austausch untereinander verhindert aber auch eine Manipulation durch den Staat wie in einer Diktatur. Deshalb sollten wir einander zuhören, auch die Linken den Rechten und umgekehrt.

Sie breiten provokante Gedankenspiele aus, u.a.: Was wäre gewesen, wenn die Nazis statt Facebook ein „Racebook“ und statt Instagram ein „Nazigram“ gehabt hätten. Bedienen Sie sich damit nicht selbst der Methode der Manipulierer aller Couleur? Je schriller, desto mehr Aufmerksamkeit!

Mein Buch möchte keine Meinungen aufdrücken, sondern auch unterhalten. Ich spiele mit der politischen Korrektheit und breche Tabus, um die Diskussion um Sprachverbote neu zu befeuern. Das Buch ist ehrlich und unbequem, aber nicht schrill.

Sie widmen Verschwörungstheorien im Internet ein eigenes Kapitel: Chemtrails, Reichsbürger bis hin zu Angela Merkel als künstlich gezeugte Tochter Hitlers! Welche Relevanz haben diese bizarren modernen Märchen im Gesamtkontext des Buches?

Verschwörungstheorien geben Halt in einer Welt, die in ihrer politischen Komplexität von vielen Menschen nicht mehr verstanden wird. Es entsteht eine Parallelgesellschaft, die mit rechtspopulistischen und systemkritischen Glaubenssätzen kokettiert. Frei nach dem Motto: Die da oben spielen uns übel mit!

Neben der Flüchtlingskrise war ein weiteres bestimmendes Thema der letzten Jahre die Debatte über „Political Correctness“. Sie schildern, wie Auswüchse erst recht eine Trotzreaktion bei vielen Bürgern bewirkten, diese somit den Rechtsextremen in die Arme treiben.

Und Sie bringen Beispiele, wie erschreckend naiv vor allem Kinder und Jugendliche in sozialen Netzwerken oft extreme Nazi-Witze verbreiten – der Echo-Skandal um die Rapper Kollegah und Farid Bang lässt grüßen.

Auf der anderen Seite plädieren Sie für einen entspannteren Umgang mit einer quasi harmlosen Form von Alltagsrassismus/Klischeedenken. Sind wir Ihrer Meinung nach also alle im Grunde ein bisschen rechts – und das ist gut so?

Bunte Emojis und rassistische Witz-Bildchen machen Alltagsrassismus wieder sexy. Die meisten gehen damit zum Glück cool und vernünftig um.

Reaktionen auf Tabubrüche zeigen die Moralvorstellungen einer Gesellschaft und sind deshalb wichtig. Wenn ein Apotheker seine Mohrenapotheke behalten möchte und wir zur WM die Deutschlandfahnen auspacken, hat das mit rechts nichts zu tun.

Rechts ist zudem ein schwammiger Begriff. Wir erleben eine Entchristlichung in Deutschland, die Kirchen verlieren täglich Mitglieder, und dennoch haben wir einen Rechtsruck. Die CSU verwechselt konservativ mit christlich. Söders Kreuz-Erlass ist so ein Beispiel. Bei aller Liebe: Im Herbst ist es mit der absoluten CSU-Mehrheit wieder vorbei. Warum nutzen SPD und Linke das nicht? Oder haben sie keine Argumente?

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