Nachprüfungsanträge im Stadtrat
Der Eklat in der Quasselrunde

03.07.2019 | Stand 13.09.2023, 3:02 Uhr
Alexander Schmid
−Foto: Foto: Sobolewski

Die Sitzung des Landshuter Stadtrates am Dienstagabend war etwas ganz Besonderes. Nicht etwa, weil sie ausnahmsweise einmal nicht an einem Freitag stattfand. Vielmehr veranschaulicht sie ganz deutlich, warum es in der Landshuter Stadtpolitik bisweilen so lange dauert, bis bei manchen Themen etwas vorwärts geht.

LANDSHUT Auf der Tagesordnung standen dieses Mal Nachprüfungsanträge zu Themen, für die es eigentlich schon in einem Fachgremium, einem Ausschuss oder Senat, einen Beschluss gab. Wenn eine Minderheit aber einen Nachprüfungsantrag in einem solchen Gremium stellt, dazu reichen wenige Stimmen, muss das Thema noch einmal in großer Runde besprochen werden. Der Streit wird dann im Plenum fortgesetzt.

In der Sitzung am Dienstag ist dann etwas Bemerkenswertes passiert: Eine bürgerliche Mehrheit beendete per Antrag die Quasselrunden zu längst abgehakten Themen wie zum Beispiel die Forderung nach einem Rückbau der Papiererstraße zu einer reinen Fahrradstraße.

Bereits im Vorfeld hatte sich einer der Stadträte aus dieser bürgerlichen Mehrheit die Mühe gemacht und mithilfe der Verwaltung aufgeschlüsselt, wer denn die meisten Nachprüfungsanträge in den letzten Jahren gestellt hat; wer also nicht bereit war, den Entschluss eines Fachgremiums wie zum Beispiel den Bausenat, hinzunehmen. Was Bernd Friedrich von den Bürgern für Landshut herausgefunden hat, war für ihn nicht gerade erstaunlich. Von den sage und schreibe insgesamt 43 Nachprüfungsanträgen seit 2014, von denen wiederum 16 allein seit Juni 2018 gestellt wurden, sind 30 durch eine Beteiligung von ödp oder Grünen zustande gekommen. Elf Nachprüfungsanträge gab es demnach mit Beteiligung der Landshuter Mitte, acht mit Beteiligung der SPD, drei mit Beteiligung der CSU, zwei mit Beteiligung der FDP und zwei mit Beteiligung der Ausschussgemeinschaft. Das Zahlenmaterial spiegelt natürlich auch wider, wie die Machtverhältnisse im Stadtrat sind. Dominiert wird er in Landshut von der bereits erwähnten bürgerlichen Mehrheit. Die Opposition wiederum versucht, deren Politik zu verhindern bzw. hinauszuzögern.

Das zeigte auch die Sitzung am Dienstag ganz deutlich, als bei einem Tagesordnungspunkt sage und schreibe 40 Minuten diskutiert wurde, wo es eigentlich aufgrund der juristischen Situation nichts zu diskutieren gab. Es ging um eine Tempo-30-Zone in der Watzmannstraße. Eine Hälfte des Stadtrates hätte hier gerne eine unbefristete Temporeduzierung. Das Problem ist nur: Zum einen gibt es bereits einen Gerichtsentscheid in dieser Sache, der das unmöglich macht, zum anderen gibt es eine klare gesetzliche Regelung mit Handlungsanweisung des Innenministeriums: Tempo-30-Zonen können in Bereichen wie der Watzmannstraße nur eingeführt werden, wenn es dort eine Schule, einen Kindergarten oder ein Seniorenheim gibt. Voraussetzung ist, dass die Tempo-30-Vorschrift auf die Betriebsdauer der Einrichtung beschränkt wird. Weil die Stadt in dieser Sache im übertragenen Wirkungskreis handelt, als Stellvertreter der Regierung also, hat sie also gar keine Wahl.

Rechtsdirektor Harald Hohn wiederholte das im Stadtrat fast schon gebetsmühlenartig. Doch entweder konnten oder wollten das Stadträte wie Stefan Gruber (Grüne), Christine Ackermann (ödp), Elke März-Granda (ödp) oder auch Anja König (SPD) nicht verstehen. Am Ende blieb es dann bei dem alten Beschluss (zeitliche Befristung). Das knappe Ergebnis von 21:19 Stimmen spielte aber ohnehin keine Rolle. Wie gesagt: Es gibt hier eine glasklare gesetzliche Regelung.

Im weiteren Verlauf der Sitzung beendete die bürgerliche Mehrheit die ausufernden Diskussionen dann mit einem einfachen Trick: Es wurde sofort ein Antrag zur Geschäftsordnung gestellt, über den immer abgestimmt werden muss. Beantragt wurden jeweils das Ende der Debatte und eine sofortige Abstimmung zum Thema. Mit der Mehrheit der bürgerlichen Parteien wurde dann bei den jeweiligen Nachprüfungsanträgen ohne Diskussion kurzer Prozess gemacht – sehr zum Missfallen unter anderem von Bürgermeister Dr. Thomas Keyßner (Grüne), weil so weitere Debatten verhindert würden.

Gefallen dürfte ihm nicht, dass sich das Schauspiel in Zukunft wiederholen könnte. In einer Pressemitteilung der CSU kündigt Dr. Thomas Haslinger einen Tag später an, dass man der „ideologiegetrieben Politik anderer Stadtratskollegen“ einen Riegel vorschieben werde. Es müsse aus Sicht der CSU Schluss damit sein, die Fachausschüsse und ihre Entscheidungen auszuhöhlen. „Daher wurden ohne Kommentar und Diskussion die Beschlüsse der Fachausschüsse bestätigt“, so Haslinger.

Einen Seitenhieb gab es in der Pressemitteilung dann noch in Richtung Landshuter Mitte: „Besonders irritierend ist es für uns, dass gerade die Landshuter Mitte, als ehemals bürgerliche Gruppierung die Nachprüfungsanträge regelmäßig mit unterschreibt und konsequent mit den Grünen gegen die bürgerlichen Gruppierungen stimmt. Wir können das nicht nachvollziehen und finden die Verwandlung weg von ihrem Ursprung sehr schade“, so die stellvertretende Partei- und Fraktionsvorsitzende Dr. Dagmar Kaindl. Die LM war ursprünglich eine Absplitterung von drei Stadträten von der CSU.

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