Antragsflut im Landshuter Stadtrat
Fleiß oder „G‘schaftlhuberei“?

24.08.2018 | Stand 13.09.2023, 3:04 Uhr
Alexander Schmid
−Foto: Foto: Sobolewski (

Der Landshuter Stadtrat ist etwas Besonderes. Hier wird gern gestritten wie in einem Parlament, obwohl das Gremium eigentlich ein Verwaltungsorgan ist. Sitzungen dauern, wie zuletzt vor der Sommerpause, schon einmal sechseinhalb Stunden. Und noch etwas ist eher außergewöhnlich: Die Verwaltung der 70.000 Einwohner zählenden Bezirkshauptstadt wird mit Anträgen aus den Fraktionen regelrecht geflutet. Weder in Passau, Straubing, im Landkreis Dingolfing-Landau, in Deggendorf oder in Regensburg kennt man das Problem.

LANDSHUT Seit Beginn der Legislaturperiode im Jahr 2014 wurden in Landshut 787 Anträge von Fraktionen und einzelnen Stadträten gestellt. Allein heuer sind es bislang 160 (Stand Anfang August). „Das deutet auf ein Rekordjahr hin“, sagt der Pressesprecher der Stadt Landshut, Johannes Viertlböck.

Zum Vergleich: In der Großstadt Regensburg gingen heuer gerade einmal 49 Anträge ein, in Passau waren es 60, im gesamten Jahr 2017 gerade einmal 86 Anträge. Und das, obwohl in der Drei-Flüsse-Stadt im Plenum genauso viele Stadträte sitzen wie in Landshut, es sieben Fraktionen und einen parteilosen Stadtrat gibt (in Landshut sind es sechs Fraktionen). In der Stadt Deggendorf zählte man im letzten Jahr gerade einmal 22 Anträge. Heuer sind es bislang 17.

Noch überschaubarer ist die Situation im Straubinger Kreistag. Dort werden laut Auskunft des Landratsamtes Anträge bzw. Anfragen in einem Telefonat zwischen der entsprechenden Stelle und dem Antragsteller unbürokratisch abgewickelt. Es gibt dort gar keine Übersicht mit durchnummerierten Anträgen. In der Stadt Straubing ist es ähnlich, dort bewegt sich die Zahl der im Stadtrat behandelten Anträge in den Jahren 2017 und 2018 jeweils gar nur im „einstelligen Bereich“, teilt die Stadt mit.

Ähnlich (hyper-)aktive Stadträte wie in Landshut gibt es nur noch in Ingolstadt. Dort wurden heuer 137 Anträge gestellt, seit Beginn der Legislaturperiode sind es 646, damit aber immer noch viel weniger als in Landshut. Für die Verwaltung im Rathaus der niederbayerischen Bezirkshauptstadt hat der Antragseifer spürbare Folgen. Stark betroffen ist zum Beispiel das Baureferat, wie Johannes Doll, der Leiter der Behörde, bestätigt. Jeder Antrag muss in der Verwaltung bearbeitet werden und erst einmal durch „einen Flaschenhals“. Amtsleiter, Referent und Oberbürgermeister müssten sich damit befassen. Dazu kommt: Viele Anträge, zum Beispiel zu Themen wie der Obdachlosenunterbringung, sind behördenübergreifend und beschäftigen gleich mehrere Fachstellen. „Das verursacht einen ziemlichen Aufwand und bindet natürlich Kapazitäten“, so Doll.

Und nicht nur das. Die Antragsflut und Streitlust im Landshuter Stadtrat führt bisweilen dazu, dass Tagesordnungen in den Sitzungen nicht mehr abgearbeitet werden können. So hätte eine Sitzung des Bausenates jetzt auf zwei Sitzungen, „eine vor und eine nach den Ferien“, aufgeteilt werden müssen, so Doll.

Die besondere Streitkultur im Landshuter Stadtrat fällt auch der Aufsichtsbehörde auf. Ein Vertreter der Regierung von Niederbayern witzelte jüngst, dass man für die Stadt Landshut bald einen eigenen Juristen beschäftigen müsse. Was die Regierung zunehmend belastet, sind dabei nicht einmal so sehr die reinen Sachthemen, die zur Überprüfung vorgelegt werden, etwa ob sich die Stadt eine Theatersanierung oder ein Schwimmbad leisten kann. Immer häufiger wird sie bei Kleinigkeiten konsultiert. Zum Beispiel wenn es um die Frage geht, wer jetzt eigentlich für die Nachbesetzung der Stelle des ausgeschiedenen Leiters der Rechnungsprüfungsstelle im Rathaus zuständig ist.

Im Landkreis Dingolfing-Landau hat man in Sachen Anträge jedenfalls eine klare Meinung: „Das Antragsrecht hat eine Schlüsselfunktion für jeden gewählten Mandatsträger und ist elementar für demokratische Prozesse. Die Qualität eines Kommunalparlaments zeigt sich aber nicht in der Zahl der Anträge, sondern in der Art und Weise, wie Beschlüsse herbeigeführt werden“, so Landrat Heinrich Trapp. Zu viele Anträge seien „kein Ausweis für Fleiß, sondern eher für G’schaftlhuberei.“ Auch dort werden Anträge erst gar nicht gezählt

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