Sitzung des Bezirksvorstandes
Reger Austausch – Niederbayern-SPD und Sozialverbände an einem Tisch

11.11.2019 | Stand 02.08.2023, 14:39 Uhr
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Am Samstag, 9. November, traf sich der Bezirksvorstand der Niederbayern-SPD zu einer Sitzung im Gasthaus Baumgartner in Marklkofen. Unter der Leitung der Parlamentarischen Staatssekretärin Rita Hagl-Kehl waren zu der Sitzung auch Vertreter von Sozialverbänden eingeladen, um über aktuelle Themen wie die Pflegesituation zu sprechen.

NIEDERBAYERN Gekommen waren Siegfried Depold, Bezirksvorsitzender der AWO Niederbayern-Oberpfalz sowie Daniel Schneider, Geschäftsführer des Caritasverbandes Dingolfing-Landau. Eine Vertreterin des VdK musste krankheitsbedingt kurzfristig absagen.

Hagl-Kehl berichtete über Pflegeheime, die derzeit auf tschechischer Seite nahe der deutschen Grenze – meist in abgelegenem Gelände – entstehen würden und welche billiger für die Angehörigen seien als die deutschen Heime. „Das ist ein unwürdiger Zustand, im Alter abgeschoben und seiner Wurzeln beraubt zu werden.“ Hier sei der Staat gefordert. Hartmut Manske von der Arbeitsgemeinschaft 60plus pflichtete ihr bei, dass der Mensch nicht zur Ware verkommen dürfe und man schauen müsse, was die Senioren wollen.

Daniel Schneider von der Caritas erklärte, das Grundproblem sei der Fachkräftemangel. Seine Heime könnten nicht voll belegt werden, weil die Arbeitskräfte fehlen. Er erklärte, dass der Pflegeberuf in Tschechien einen höheren Stellenwert habe und auch besser als andere Handwerksberufe bezahlt würde. Er sieht das Problem in Deutschland darin, dass das Ansehen der Pflegeberufe verbessert werden müsse. Denn ausländische Fachkräfte würden nur bedingt weiterhelfen: Man brauche beispielsweise in der Dokumentation der Patientenakten Muttersprachler. Zudem sei es wichtig, dass die Pflegekräfte auf die Bedürfnisse der Menschen eingingen: „Heraushören zu können, wie es jemandem geht, ist manchmal wichtiger, als einen guten Wundverband anlegen zu können.“

Parlamentarischer Staatssekretär Florian Pronold betonte, dass die Bundesminister Franziska Giffey, Hubertus Heil und Jens Spahn bereits daran arbeiten würden, das Ansehen der Pflege zu steigern. Man dürfe den Beruf nicht als defizitär darstellen, sondern müsse zeigen, was sich getan habe. Daniel Schneider stimmte zu: Der Beruf sei zwar schwer, aber eben auch schön und zudem zukunftssicher. Siegfried Depold bestätigte, dass Pflegekräften sowohl körperlich als auch psychisch viel abverlangt werde. Die AWO habe bayernweit derzeit 1000, in Niederbayern und der Oberpfalz 100 Auszubildende in der Pflege. Depold: „Es müssen staatliche Reglementierungen her, die für die Menschen da sind!“ Florian Pronold forderte Betriebswohnungen für Pflegekräfte in Ballungsräumen, Siegfried Depold Kitas und Pflegeheime, die nah beieinander gebaut werden - oder Mehrgenerationenhäuser. Da Pflegeheimbewohner beim Einzug im Schnitt zwischen 83 und 85 Jahren seien und in etwa zwei bis zweieinhalb Jahre im Heim wohnen würden, gebe es eine hohe Fluktuation, die es den Bewohnern schwer mache, sich einzuleben, so Depold.

Dr. Bernd Vilsmeier wandte ein, dass der Fachkräftemangel nicht durch Leiharbeiter zu lösen sei – diese würden weniger Bereitschaft zu Überstunden sowie Wochenend- und Feiertagsarbeit zeigen – sondern festangestelltes Fachpersonal generiert werden müsse. Die hohen Kosten in den Pflegeheimen entstünden dadurch, dass es im Grunde ja ein Hotelzimmer mit Vollpension und zusätzlicher Pflege sei.

Hagl-Kehl lobte die Arbeit der Sozialverbände, die auch in anderen Bereichen viel leisten: Die Verbände seien zuverlässige Lotsen, die als erste Anlaufstelle bei Fragen und Problemen dienten. In ihrem Heimatlandkreis Freyung-Grafenau berichte ihr der Caritas-Geschäftsführer, dass Familien im ländlichen Raum ihre Angehörigen erst ins Heim geben würden, wenn sie die Situation gar nicht mehr alleine stemmen könnten. Bezüglich der Pflegeheime hätten die Menschen allerdings Angst vor der finanziellen Belastung. Hier gebe es auch private Träger, die ein Geschäft mit der Pflege machen würden und nicht nach Tarif bezahlen. Gleichzeitig seien Frauen, die Angehörige selbst zu Hause pflegen, später bei der Rente benachteiligt. Hier helfe nun das vergangene Woche im Bundestag beschlossene Angehörigenentlastungsgesetz: Die Einkommensgrenze steigt auf 100.000 Euro brutto jährlich. Wer weniger verdient, muss sich künftig nicht mehr an den Pflegekosten für seine Angehörigen beteiligen. Diese übernehmen dann die Kommunen.

Nach der Diskussion über die Pflegesituation berichteten die Bundestagsabgeordneten Hagl-Kehl und Pronold über den Beschluss zur Grundrente: Diese soll nach 35 Arbeitsjahren – in die auch Erziehungs- und Pflegezeiten eingerechnet werden – ohne Bedürftigkeitsprüfung gezahlt werden. Knapp zwei Millionen Menschen seien bundesweit darauf angewiesen. Anstelle einer Bedürftigkeitsprüfung könne es eine Einkommensprüfung durch die Finanzämter geben, sodass sichergestellt sei, dass auch wirklich nur Bedürftige die Grundrente erhalten. Hagl-Kehl lobte die Grundrente als „Gesetz für unsere Region“: Vor allem Frauen in ländlichen Regionen wie dem Bayerwald erhielten oft sehr niedrige Renten. Pronold bedauerte, dass der Ausbau von sozialstaatlichen Leistungen in den vergangenen sechs Jahren in der öffentlichen Wahrnehmung nicht gewürdigt wurde. Auch das Klimaschutzgesetz mit 240 Einzelmaßnahmen und der jährlichen Kontrolle in jedem einzelnen Ministerium sei viel besser als öffentlich wahrgenommen.

Als Schwerpunktthemen für die nächsten Bezirksvorstandssitzungen wurden nach den Sozialverbänden, mit denen man nun jährlich sprechen möchte, auch die Bereiche Digitalisierung, Klimaschutz und Inklusion angeregt.

Kelheim