Bildung ist das Allereiligste
„Zukunftswerkstatt Niederbayern“ nimmt sich „Werten und Interessen im digitalen Zeitalter“ an

05.08.2018 | Stand 03.08.2023, 0:54 Uhr
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Als Auftakt der Reihe „Zukunftswerkstatt Niederbayern“ fand am Freitagabend im Kloster Metten eine Veranstaltung zum Thema „Werte und Interessen im digitalen Zeitalter“ statt. Die rund 150 geladenen Gäste, namhafte Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur, folgten zunächst den Ausführungen von Joe Kaeser, Vorstandsvorsitzender der Siemens AG, der „nach einer heißen Woche“ direkt aus London in den Rokokofestsaal gekommen war.

NIEDERBAYERN Seine Heimat Niederbayern, so Kaeser, sei heute eine der stärksten Wirtschaftsregionen Deutschlands, doch er kenne persönlich noch andere Zeiten. Veränderung könne insofern viel Positives mit sich bringen, auch die Digitalisierung. „Sie wird alle Berufsgruppen betreffen und die Welt, wie wir sie heute kennen, auf den Kopf stellen.“ Die Ängste und Vorbehalte, die so in die Mitte der Gesellschaft vordringen, seien Grund für „den rasanten Anstieg des Populismus“. Kaeser mahnte, den Diskurs über die Spaltung der Gesellschaft nicht denjenigen zu überlassen, die meinen, dass der Nationalismus die Lösung sei. Alleine schon aus wirtschaftlicher Sicht. „Der Wohlstand unseres Landes ist zu Zweidrittel vom Export abhängig“, so der Chef der Firma, deren Anteil am 90-Milliarden-Gesamtumsatz gerademal zu 9 Prozent aus Deutschland komme. „Gegeneinander geht es nicht“, so sein Appell, den er auch auf die Digitalisierung und die jeweiligen Firmen übertrug. Denn es gelte, Innovationen zu fördern, dabei aber stets die Menschen mitzunehmen. Bildung und Weiterbildung sind für ihn der Schlüssel zum Erfolg und auch der erste „allereiligste“ Handlungsansatz für Politik und Unternehmen gleichermaßen.

In der anschließenden Podiumsdiskussion, die Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich moderierte, konnten auch weitere hochkarätige Wirtschaftsvertreter der Region von ihren Erfahrungen mit der Digitalisierung berichten. „Entscheidungen treffen immer noch die Mitarbeiter. Als Unternehmer ist es meine Aufgabe, für sie die passende Umgebung zu schaffen“, betonte Thomas Ebenhöch, Standortleiter Regensburg der Continental AG. Er verwies darauf, dass zwar einige Arbeitsplätze wegfallen würden, dafür aber auch zahlreiche neue entstehen werden.

Dr. Armin Bender, Leiter des Standortes Passau der msg systems AG, ist der Ansicht, dass die Bereitschaft zum Wandel nicht nur von der Unternehmensführung, sondern auch von den Mitarbeitern viel Mut voraussetze. „Es gibt diese Menschen, sie müssen wir mitnehmen.“ Um ein Unternehmen aber im Zuge der Digitalisierung entsprechend zu entwickeln, seien die infrastrukturellen Rahmenbedingungen unverzichtbar, wie Joe Kaeser mit Blick auf die politischen Vertreter sagte. „Wir brauchen einen ordnungspolitischen Rahmen und dringend eine Priorisierung beim Datenverkehr“, so Kaeser, der als Beispiel nannte, dass die Datengeschwindigkeit, mit der ein Notarzt kommuniziert, nicht gleichgesetzt werden dürfe mit dem Download von Filmen.

Welche Arbeitsplätze in Zukunft denn womöglich konkret wegfallen könnten, fragte Bezirkstagspräsident Heinrich in die Runde. Dr. Florian Lehmer, Leiter der Arbeitsgruppe „Arbeit in der digitalisierten Welt“ beim Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung Nürnberg, berichtete von seiner Beobachtung, dass diejenigen Firmen, die bisher kontinuierlich in die Digitalisierung investiert hätten, auch zunehmend Arbeitsplätze aufgebaut hätten. Er plädierte dafür, dem „Alarmismus“ nicht zu viel Platz einzuräumen, sondern stattdessen neue Wege zu gehen. Da tendenziell mehr Experten gesucht würden und Helfertätigkeiten wegfielen, ist auch für ihn Bildung und Weiterbildung der Schlüssel auf diesem Weg.

Als Chance der Digitalisierung für den ländlichen Raum sieht Joe Kaeser, dass man „durch die Entkoppelung der Arbeit von physischer Nähe künftig vermehrt dort arbeiten könne, wo man zuhause ist“. Doch auch das setze die passende Infrastruktur voraus.

Als „spannend“ bezeichnete er die Frage wie die Gesellschaft in einer immer digitaler werdenden Welt mit analogen Werten umgehe. Als Größe „sozialer Integration“ und „gemeinsamer Nenner“ sehe er dabei die Rolle der Religionen. Dem schloss sich zum Schluss auch Olaf Heinrich an, der dem Abt der Benediktinerabtei Metten, Wolfgang M. Hagl, für das wunderbare Ambiente der Veranstaltung im Festsaal des Klosters dankte.

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