Gespräch vor Ort
Parlamentarische Staatssekretäre im Dialog mit den Sozialverbänden

13.07.2018 | Stand 31.07.2023, 2:58 Uhr
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Zu einem ersten Gespräch hatten die beiden parlamentarischen Staatssekretäre Rita Hagl-Kehl und Florian Pronold (beide SPD)Vertreter der Sozialverbände nach Kelheim geladen. Die Organisation des Gedankenaustauschs war von der Landtagsabgeordneten Johanna Werner-Muggendorfer übernommen worden, die zusammen mit Harald Unfried, ihrem designierten Nachfolger gekommen war.

NEUSTADT AN DER DONAU/MÜNCHEN „Wir suchen das Gespräch vor Ort, damit wir erfahren, wo wir helfen können,“ betonte Florian Pronold. Auch für Rita Hagl-Kehl ist der „Kontakt zur Basis, wichtig, um schnelle und praktische Lösungen für eventuelle Probleme zu finden.“ Gekommen waren Vertreter von Maltesern, BRK, Kolpingwerk und Weißem Ring. Johanna Werner-Muggendorfer vertrat als Mitglied im Vorstand des Bezirksverbands Niederbayern/Oberpfalz die Arbeiterwohlfahrt (AWO).

Harald Unfried glänzte mit Fachwissen, über das er in seiner Funktion als Betriebsprüfer der Deutschen Rentenversicherung verfügt. Er kennt daher auch das Problem der ehrenamtlichen Tätigkeit, bei der die Aktiven samt den verantwortlichen Organisationen wegen der ständig erweiterten Vorschriften, „immer mit einem Bein im Gefängnis stehen“, so der Vertreter der Malteser. Jedoch „würde alles zusammenbrechen,“ wenn gerade im Sanitätsbereich „nur Dienst nach Vorschrift“ praktiziert würde. Problematisch wird es bei den Ehrenamtlichen, wenn sie mit der Aufwandsentschädigung für freiwillig geleistete Arbeit die steuerfreien 720 Euro im Jahr überschreiten. Dann wären sie als Angestellte oder Selbständige zu Abgaben ans Finanzamt und für Sozialbeiträge verpflichtet. Hier brachte Unfried sein Plädoyer für eine Bürgerversicherung ein, mit der auch Selbständige um Sozialabgaben nicht herumkämen. Unfried: „Wir müssen uns Schritt für Schritt diesem Ziel annähern.“

Eine weitere Hürde bildet der jüngst verschärfte Datenschutz, der vor allem das übliche Protokoll bei Rettungseinsätzen erschwert. „Vielleicht gibt es dafür und bei der Aufwandsentschädigung der ehrenamtlich tätigen die Möglichkeit einer Ausnahmeregelung,“ hofft Unfried. Und Florian Pronold versprach: „Wir werden uns bemühen, in beiden Fällen eine praktikable Lösung zu finden.“ Pronold ist seit März dieses Jahres Staatssekretär im Ministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, seine Kollegin Rita Hagl-Kehl begleitet dieselbe Position im Ministerium für Justiz und Verbraucherschutz. Beide verfügen über gute Verbindungen zu anderen Ministerien, „deshalb können wir uns für die Lösung nahezu aller Problematiken stark machen,“ betonte Pronold. Er wie Hagl-Kehl wissen auch um das den akuten Personalmangel in der Pflege, für die wegen Schichtdienst und hoher Arbeitsbelastung bei mieser Bezahlung sich kaum noch jemand findet. Es reiche allerdings nicht aus, deshalb ausschließlich auf Menschen aus dem Ausland zu setzen, findet Florian Pronold: „Allein schon wegen des demographischen Wandels brauchen wir auch deutsche Pflegekräfte.“ Daher müsse alles getan werden, „um diesen wichtigen Beruf attraktiver zu machen,“ betonte Rita Hagl-Kehl. Aus Erfahrung mit ihrer Tochter, weiß sie, dass das beim Beruf der Erzieherin weitgehend gelungen ist: „In leitenden Positionen verdienen die recht ordentlich.“ Johanna Werner-Muggendorfer, selbst gelernte Erzieherin, ist das allerdings „noch längst nicht ausreichend.“ Sie fordert für alle, „die beruflich mit Menschen zu tun haben, eine Bezahlung von der man leben kann.“ Für die Abgeordnete ist es „geradezu skandalös, wenn in unserer Gesellschaft Menschen, die Maschinen bedienen, finanziell wesentlich bessergestellt sind, als die, die ihre Arbeit den Menschen widmen.“

Nach dieser ersten Gesprächsrunde haben Rita Hagl-Kehl wie auch Florian Pronold erkannt, „wie wichtig der persönliche Kontakt zu den Hilfsorganisationen ist“. Deshalb soll es bei dieser Runde nicht bleiben. Zur besseren Vorbereitung regte Pronold bei den Vertretern der anwesenden Vereine und Verbände an, mögliche Themen bereits im Vorfeld der jeweiligen Treffen einzureichen, dann könne man bestehende Probleme „ganz gezielt angehen.“ Laut Passauer Neuer Presse ist vor allem die Ausbildung zum Notfallsanitäter selbst ein Problem. Denn für die Zusatzausbildung sind bis zu 960 Stunden vorgeschrieben – ein Pensum, das Ehrenamtliche eigentlich gar nicht erfüllen können. Außerdem gebe es beispielsweise in Bayern gar keine Lehrgänge. Grund dafür ist vermutlich, dass der Bund die Gesetzesneuerung beschlossen hat, deren Umsetzung jedoch Ländersache ist. Wenn jemand aber doch die richtige dreijährige Ausbildung zum Notfallsanitäter absolviert, wird er als hauptberuflicher Notfallsanitäter arbeiten wollen. Doch ob so viele hauptamtliche Stellen zu besetzen sind, ist fraglich. 70 Prozent unserer Lehrlinge hören schon nach kurzer Zeit wieder auf“, schilderte Schmitt die Situation bei den hauptamtlichen Helfern, „weil der Druck zu groß ist und weil die Leute zu wenig verdienen“. Auch die Anforderungen an die ehrenamtlichen Helfer seien enorm, sagte Söhl. Die Ausbildung zum Rettungssanitäter dauere acht Wochen, die Leute müssten sich dafür Urlaub nehmen. Probleme bereiteten zudem die ständig erweiterten Vorschriften, bemerkte Iris Menzinger vom BRK, „wir stehen ständig mit einem Bein im Gefängnis“. Andererseits würde alles zusammenbrechen, so Söhl, würden alle nur noch nach Vorschrift arbeiten.

Ehrenamtlich tätige Menschen dürfen als Entschädigung für freiwillig geleistete Arbeit pro Jahr 720 Euro steuerfrei einnehmen. Sozialversicherungsbeiträge müssen darauf ebenfalls nicht gezahlt werden. Selbstverständlich dürfen sie auch mehr für ihre ehrenamtliche Arbeit verdienen. Allerdings werden für alle Einnahmen aus ehrenamtlicher Tätigkeit, die über 720 Euro liegen, Steuern und Sozialabgaben fällig.

Kelheim