Wenn die Rente nicht reicht
Arm, trotz eines langen Arbeitslebens

15.06.2018 | Stand 04.08.2023, 9:31 Uhr
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Altersarmut nimmt drastisch zu – einer von vielen ist Johann Schwaiger.

HENGERSBERG Den Enkelkindern etwas Geld zustecken – lange Zeit war dies das Privileg von Oma und Opa. Doch die Situation hat sich längst gewandelt. Die Altersarmut nimmt seit Jahren drastisch zu. Statt nach einem langen Arbeitsleben sorgenfrei den wohlverdienten Ruhestand zu genießen, reicht vielen Menschen die Rente nicht mehr zum Überleben. Johann Schwaiger aus Hengersberg ist einer von den vielen Rentnern, denen das Geld trotz eines langen Arbeitslebens hinten und vorne nicht reicht. Er muss etwas hinzuverdienen, um über die Runden zu kommen.

„Die Rente ist sicher“, versicherte einst der frühere Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung Norbert Blüm. Er sagte aber nicht, wessen Rente und wie hoch die Rente ausfallen wird.

Denn in dem reichen Deutschland steigt seit Jahren die Altersarmut. Die Zahl der Senioren, die sich Gratisessen bei Tafeln holen müssen, hat sich in den letzten zehn Jahren laut Bundesverband der Tafeln verdoppelt. Immer mehr alte Menschen stöbern sogar in Mülltonnen nach Mehrwegflaschen, um sich so ein kleines Zubrot zu verdienen.

Inzwischen droht laut Experten nahezu jedem dritten Arbeitnehmer eine Rente unterhalb der Armutsschwelle. Hinzu kommt das Heer der Sozialleistungs-Empfänger, die überhaupt nicht in die Rentenversicherung einzahlen. Viele Gehälter reichen heutzutage nicht mehr für eine Rente oberhalb der Armutsschwelle aus. Auch der Mindestlohn in Höhe von 8,84 Euro führt auf direktem Weg in die Altersarmut. Die Bundesregierung weiß das. Auf Anfrage musste sie mitteilen, 11,68 Euro seien nötig, um eine Rente oberhalb der Grundsicherung zu erreichen.

Arm mit weniger als 1063 Euro im Monat

Wann Armut beginnt, wird unterschiedlich definiert. Laut Experten gilt als arm, wer weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Bevölkerung zur Verfügung hat. Das wären 1063 Euro im Monat. Die Politik geht jedoch von wesentlich niedrigeren Zahlen aus, von der „Alters-Grundsicherung“. Hier gilt als Faustregel, wer durchschnittlich weniger als 838 Euro monatlich zur Verfügung hat, sollte prüfen lassen, ob er Anspruch auf Grundsicherung hat.

Johann Schwaiger aus Hengersberg liegt in diesem Bereich. Der heute knapp 64-Jährige war in den letzten zwei Jahren in Altersteilzeit. Seit Februar dieses Jahres bekommt er seine Altersrente für besonders langjährig Versicherte.

Mit 15 Jahren hat er seine Lehre als Installateur in Deggendorf begonnen. Nach der Gesellenprüfung war er zwei Jahre lang Zeitsoldat. Dann folgten viele Jahre auf Montage. „In meinen ganzen 48 Jahren Arbeitsleben war ich höchstens zwei Monate lang arbeitslos“, berichtet der frisch gebackene Rentner. Der Lohn für das lange Arbeitsleben: eine monatliche Rente von 1159,09 Euro, wovon noch Kranken- und Pflegeversicherung abgezogen werden. Unterm Strich bleiben 1032,17 Euro. Davon muss er 510 Euro Miete plus 40 Euro für einen Autostellplatz zahlen. Der Unterhalt für sein kleines Auto ist dabei noch gar nicht berücksichtigt, geschweige denn Lebensmittel oder gar ein Restaurant- oder Kinobesuch. Ein Wohnungsgeld-Mietzuschuss wurde ihm dennoch bereits abgelehnt. „Anscheinend habe ich immer noch eine zu hohe Rente“, nimmt es Schwaiger mit Galgenhumor.

Der 63-Jährige empfindet es als Schande, wie hierzulande mit den Rentnern umgegangen wird. Der Staat schmeiße so viel Geld aus dem Fenster. Allein die Bewältigung der Flüchtlingskrise koste den Steuerzahler unzählige Milliarden. Für alte Menschen ist dagegen kein Geld da. Um die Rente langfristig abzusichern, hat erst kürzlich die deutsche Versicherungswirtschaft eine weitere Anhebung des Renteneintrittsalters auf 69 Jahre gefordert.

Da seine Rente hinten und vorne nicht reicht, muss Schwaiger auch im Ruhestand weiter arbeiten. Er hat einen 450-Euro-Job angenommen, füllt in Plattling die Regale eines Einkaufsmarktes. Allein schon für die über 30 Kilometer weite Fahrt zu seiner Arbeitsstätte hin und zurück braucht er sein Auto. Sonst hätte er es wahrscheinlich eh schon abgegeben, um besser über die Runden zu kommen.

Deggendorf