Weil er angezeigt wurde
Messerstich aus Rache

05.12.2017 | Stand 13.09.2023, 1:51 Uhr
Monika Kretzmer-Diepold
−Foto: Foto: Christa Latta

Asylbewerber (29) vor dem Landgericht Traunstein - Drei Jahre Freiheitsstrafe und Unterbringung

BURGHAUSEN/TRAUNSTEIN. Weil ihn ein 51-jähriger Iraker wegen Hausfriedensbruchs in einer Flüchtlingsunterkunft in Burghausen bei der Polizei angezeigt hatte, kehrte ein alkoholisierter 29-jähriger Asylbewerber später zurück und stach mit einem Sommeliermesser zu.

Wegen gefährlicher Körperverletzung und Bedrohung mit „Heute bist du tot“ in diesem Tatkomplex sowie wegen zahlreicher weiterer Straftaten verurteilte die Sechste Strafkammer am Landgericht Traunstein mit Vorsitzendem Richter Dr. Jürgen Zenkel den 29-Jährigen zu drei Jahren Freiheitsstrafe und ordnete die Unterbringung des psychisch kranken Mannes in der Psychiatrie an. Wenn der Täter die etwa eineinhalb Jahre dauernde Zwangstherapie durchsteht, kann die restliche Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden.

Das Gericht gelangte nach zu dem Ergebnis, der 29-Jährige - dessen Staatsangehörigkeit in dem Prozess nicht geklärt werden konnte - leide an einer Persönlichkeitsstörung in Kombination mit Alkoholmissbrauch. Die Voraussetzungen für Unterbringung seien erfüllt. Die Taten seien sehr erheblich gewesen, die Wiederholungsgefahr sei „sehr hoch“. Der Angeklagte sei für die Allgemeinheit gefährlich.

„Andere Personen müssen vor ihm geschützt werden“ betonte Dr. Zenkel im Urteil. Damit schloss sich das Gericht sowohl dem Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen, Oberarzt Rainer Gerth vom Bezirksklinikum in Gabersee, als auch Staatsanwalt Björn Pfeifer im Plädoyer an. Einzig die Verteidigerin, Veronika Schönsteiner aus Waldkraiburg, hatte gefordert, die Unterbringung zur Bewährung auszusetzen.

Die Sechste Strafkammer war im Urteil nur in einem Punkt von der Anklage abgewichen. Eine als „versuchte räuberische Erpressung“ angeklagte Aktion des 29-Jährigen, um im Juli 2016 in einer Unterkunft an Zigaretten zu gelangen, führte zu Teilfreispruch. Das Gericht sah „keinen konkreten Hinweis auf Gewalt“. Außerdem habe sich der besagte Zeuge bei der Polizei wechselnd eingelassen.

Zum Ablauf des Vorfalls am Abend des 20. Juni 2016 mit dem Kellnerbesteck und dem abstrakt lebensgefährlichen Stich gegen den Kopf des 51-jährigen Irakers in der Gemeinschaftsunterkunft Burghausen hegte das Gericht „keine Zweifel“. Der Zeuge habe den Angeklagten nicht zu Unrecht belastet.

„Das Video spricht Bände“, unterstrich der Vorsitzende Richter zum dritten Vorwurf am 10. März 2017 in einem Spielcasino in Burghausen. Der zuvor provozierte 29-Jährige habe mit einer Tasse in der Hand einen anderen Mann schlagen wollen. Damit habe er eine versuchte gefährliche Körperverletzung verwirklicht.

Auch eine Sachbeschädigung zwei Tage später im Bezirksklinikum in Gabersee sei erwiesen. Der Angeklagte habe die Einrichtung eines Krankenzimmers bei einem Schaden von 1.700 Euro zerlegt. Das sei auf seine Erkrankung und die dadurch bedingten erheblichen Aggressionen zurückzuführen. Mit der Forderung des 29-Jährigen gegenüber Ärzten und einem Richter auf „ein Ticket nach Berlin“ habe sich der Asylbewerber keinen Vermögensvorteil verschaffen wollen. Dazu Dr. Jürgen Zenkel: „Er wollte ganz einfach nach Berlin zu Bekannten, bei denen er unterkommen konnte.“ Das sei strafrechtlich eine „versuchte Nötigung“ gewesen.

Der Vorsitzende Richter hob heraus, bei nahezu allen Taten sei die Einsichtsfähigkeit des Angeklagten erhalten geblieben, nicht aber, bedingt durch seine psychische Erkrankung, seine Steuerungsfähigkeit.

Altötting