Migräne und Alkohol

22.10.2020 | Stand 21.07.2023, 2:33 Uhr
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Ist Alkoholwirklich ein Migräneauslöser? Glaubt man den Probanden einer niederländischen Studie, ist der tiefe Blick ins Glas zumindest bei 35,6 Prozent die Ursache für eine Attacke*. Damit gehört Alkohol auf jeden Fall zu den subjektiven Triggerfaktoren.

Migräneauslöser Alkohol – Ja oder nein?

Ob eine Migräne vom Alkohol ausgelöst wird, lässt sich nicht pauschal beantworten. Nicht jeder leidet nach einem Gläschen Sekt, Wein oder Bier an einer Attacke. Besteht der Verdacht, dass Alkohol ein Auslöser ist, lässt sich das von den Betroffenen selbst eingrenzen, wenn sie ein Migränetagebuch führen. So fallen Muster und auch Lebens- und Genussmittel als mögliche Auslöser besser auf.

Für 77,8 Prozent der Studienprobanden gab es auch einen klaren Verdächtigen: Es ist der Rotwein! Ganze 8,8 Prozent litten sogar regelmäßig an Migräne, wenn sie Rotwein als Alkohol tranken. Bei den meisten Probanden rächte sich der Alkoholgenuss aber auch unabhängig von der Art des Getränks innerhalb von drei Stunden. Innerhalb von zehn Stunden litten sogar 90 Prozent an einer Migräneattacke**.

Daraus schließen die Forscher, dass die Migräne nicht dem Kater geschuldet ist, sondern, dass hier andere Mechanismen zugrunde liegen. Da die Attacken nicht bei allen Patienten regelmäßig nach dem Alkoholgenuss auftraten, vermuten die Forscher jedoch weitere Faktoren. Der Alkohol allein ist also nicht der Auslöser.

Migräneauslöser im Alkohol?

Da die Attacken offensichtlich nicht an den Alkoholgehalt des jeweiligen Getränks gebunden waren, werden die Migräneauslöser in Stoffen vermutet, die im Alkohol gelöst sind. Dazu zählen Phenylethylamine, Histamine und Tyramine. Diese Stoffe können sich in einem guten Glas Wein finden – aber auch in einem gut gereiften Käse oder edlem Schinken, den mancher Genießer sich dazu gönnt. Fertiggerichte enthalten ebenfalls nennenswerte Mengen dieser Stoffe. Es muss also nicht immer das Glas Wein, Sekt oder Bier sein, auch wenn diese dieselben Stoffe enthalten.

Oft ist es eine ungünstige Kombination – oder das Übermaß – die einen Anfall auslösen. Der Unterschied von der Migräne zum klassischen Kater: Die Kopfschmerzen setzen bei der Migräne oft deutlich früher nach dem Alkoholgenuss ein. Experten sprechen trotzdem nicht von einem klaren Trigger. Während das subjektive Empfinden vieler Patienten eindeutig ist, ist es die Datenlage – noch – nicht.

Mit Migräne auf Alkohol verzichten?

Ob die Migräne überhaupt vom Alkohol ausgelöst wird, lässt sich mit einem Migränetagebuch herausfinden – und mit der Ausschluss- beziehungsweise Provokationsdiät.

Bei der Ausschlussdiät meiden die Betroffenen alkoholische Getränke aller Art. So lässt sich im Migränetagebuch erkennen, ob die Attacke nach dem feucht-fröhlichen Abend wirklich am Alkohol liegt oder doch eher an den Snacks – oder vielleicht noch an ganz anderen Faktoren wie der Luftqualität im Raum.

Ist es wirklich der Alkohol, heißt das nicht unbedingt automatisch: lebenslanger Verzicht. Viele Patienten mit Migräne reagieren nicht auf jedes Getränk mit Alkohol. Hat die Ausschlussdiät also ergeben, dass der Alkoholkonsum eine Attacke provoziert, hilft die Provokationsdiät dabei herauszufinden, welche Spirituosen und Getränke die Kopfschmerzen triggern. Auch die nötige Menge lässt sich damit ermitteln.

Die Patienten trinken dazu zu entsprechenden Gelegenheiten ausschließlich ein bestimmtes alkoholisches Getränk und das dann zu verschiedenen Gelegenheiten in steigenden Mengen. So zeigt sich sehr schnell, wie viel der Betroffene wirklich „verträgt“.

Mit diesem Verfahren lässt sich also zum einen herausfinden, ob für Patienten mit Migräne eine absolute Abstinenz wirklich nötig ist oder wie viel Alkohol von welcher Sorte es zum Genuss ruhig einmal sein darf.

Migräne und Kater

Der beste Schutz vor Kater und Migräne nach dem Alkohol ist natürlich, erst gar keinen zu trinken. Viele Patienten meiden deshalb den Alkohol ganz oder trinken nur sehr kleine Mengen, um zur Migräne nicht auch noch einen Kater zu provozieren.

Wer doch einmal tiefer ins Glas schaut oder schauen will, sollte zumindest ausreichend Wasser trinken und schon vorher etwas Gehaltvolles, gern Fettiges essen. Mineralstofftabletten gegen den Mineralverlust können den Kater ebenfalls bremsen.

Ob diese klassischen Tipps zur Vorbeugung auch bei Migränepatienten greifen, müssen diese individuell ausprobieren. Da jeder Stoffwechsel und jeder Körper ein wenig anders reagiert, hilft hier nur das Prinzip „Versuch und Irrtum“, das sich über das Migränetagebuch gut ausarbeiten lässt. Wer also trotz Migräne ab und zu etwas Alkohol trinken will, weiß dann schon vor dem ersten Glas genau, wo das Limit ist. Wird es einmal überschritten, helfen nur noch Schmerzmittel und Ruhe, bis die Attacke vorüber ist.

*Wiley Online Library: Alcoholic beverages as trigger factor and the effect on alcohol consumption behavior in patients with migraine. URL: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1111/ene.13861 (13.10.2020).

**ebd.

Schwandorf