25 Jahre danach:
Ein Rückblick auf das Anti-WAAhnsinns-Festival in Burglengenfeld 1986

05.07.2017 | Stand 12.10.2023, 11:53 Uhr
−Foto: n/a

Vor 25 Jahren erlebte die Region eine Veranstaltung, die bis heute Ihresgleichen sucht: Am 26. und 27. Juli 1986 hatten sich über 100.000 Menschen – manche Quellen sprechen sogar von 120.000 Menschen – in Burglengenfeld zu einem Festival zusammengefunden. Bis dahin sollte dies das größte Rockkonzert sein, das jemals in Deutschland stattgefunden hatte.

BURGLENGENFELD Der Hintergrund jedoch war ein ernster: Es ging nicht etwa "nur" um Spaß und Gemeinschaft, nein, dieses Festival unter dem Namen "Anti-WAAhnsinn" war eine zutiefst politische Kundgebung, die die Menschen zusammenströmen ließ. Als Höhepunkt des Protestes gegen die atomare Wiederaufbereitungsanlage (WAA), die in Wackersdorf errichtet werden sollte, ist dieses Festival in die Geschichtsbücher eingegangen. 6.000 Polizeibeamte sorgten für Ordnung, denn man rechnete mit Ausschreitungen. Entgegen der Erwartungen verlief das Festival ausgesprochen friedlich. Das Ziel, den Bau der WAA zu verhindern, einte die Festivalbesucher.

BAP, Udo Lindenberg und Rio Reiser, Herbert Grönemeyer, Haindling und die Toten Hosen – namhafte Künstler stellten ihre Auftritte in den Dienst der guten Sache, sie verzichteten auf ihre Gage und sorgten 28 Stunden lang für beste Festivalstimmung. 21 Einzelkünstler und Gruppen mit insgesamt 600 Mitwirkenden standen auf und hinter Bühne, 1.300 Helfer sorgten dafür, dass das Festival ohne größere Probelem ablief, 600 Journalisten aus zehn Ländern berichteten aus Burglengenfeld. Zuvor wäre das Festival fast noch verhindert worden, denn die Bayerische Staatsregierung hatte nach Ausschreitungen zu Ostern und Pfingsten und nach der Atomkatastrophe in Tschernobyl eine Bannmeile rund um das Gelände in Wackersdorf gelegt. 120 Quadratkilometer um das Gelände war ein Festival damit nicht mehr möglich. Um jedoch so nahe wie möglich am Gelände der geplanten WAA zu sein, entschlossen sich die Organisatoren, das Festival auf dem Lanzenanger in Burglengenfeld abzuhalten. Doch auch dort waren die Befürchtungen groß. Ein 27-jähriger CSU-Stadtrat namens Josef Bachfischer gab schließlich den Ausschlag, er stimmte für das Festival.

Die Staatsregierung versuchte, das Festival dennoch zu verhindern, doch der damalige Landrat Hans Schuierer und das Verwaltungsgericht in Regensburg sorgten dafür, dass das Festival stattfinden konnte. Strenge Auflagen wurden den Veranstaltern gemacht: Alkohol war verboten, maximal 35.000, später 40.000 Besucher waren zugelassen, die Parkflächen mussten vergrößert werden und ein Abstand von mindestens 15 Kilometern zum WAA-Gelände musste eingehalten werden. Etwa 10.000 Menschen lebten damals in Burglengenfeld, die zu erwartenden Besucher sollten also in der Überzahl sein. Doch wie groß der Ansturm dann wirklich war, damit hatte niemand gerechnet. "Bereits am Vorabend des Festivals waren in den Supermärkten der Stadt sämtliche Grundnahrungsmittel und alkoholische Getränke ausverkauft. Mehrere Läden schlossen und öffneten auch am darauffolgenden Sonntag nicht mehr", so ist über das Festival in Wikipedia zu lesen. Handys gab es damals noch keine, so pinnten die Festivalgäste Zettel an die Kirchentüren, um mitzuteilen, wann man sie wo antreffen könnte.

Doch das Festival hatte nicht nur seine friedlichen Seiten: Rund 180.000 D-Mark verschwanden auf unerklärliche Weise und an gastronomischen Ständen kamen 80 Kassen abhanden. Der Spiegel berichtete 1987 davon, dass "ein halbes Dutzend" dieser Kassen nicht mehr auffindbar sei. Rund 1,6 Millionen Mark sollen damals als Einnahmen verbucht worden sein. 1,2 Millionen gingen für die Betriebskosten drauf. Für die Nachwelt festgehalten wurde das Festival musikalisch 1986 auf LP, 2008 erschein dann die entsprechende CD. Einen Film gibt es auch über das Festival: "WAAhnsinn – der Wackersdorf-Film". Er "dokumentiert das Festival, die Arbeit der Bürgerinitiative, die Demonstrationen und den Polizeieinsatz aus der Perspektive der Atomkraftgegner", ist auch www.filmportal.de zu lesen. Der Film kam am 18. Dezember 1986 in die Kinos.

Der heutige Landtagsabgeordnete Franz Schindler aus Schwandorf erinnert sich noch gut an das Festival: "Im Vorfeld war ich an der Ausarbeitung von Verträgen mit Agenturen und Lieferanten beteiligt. Vom Festival selbst habe ich fast nichts mitbekommen, weil ich die meiste Zeit über im Backstage-Bereich in einem Wohnwagen zusammen mit anderen damit beschäftigt war, die Einnahmen zu registrieren und Auszahlungen vorzunehmen. Das Jugendzentrum und die Bürgerinitiativen waren von dem unerwartet riesigen Zulauf von 100.000 Menschen völlig überrascht, sodass es auch zu einigen organisatorischen Pannen gekommen ist. Dennoch war das Festival absolut friedlich, nicht nur ein kulturelles Highlight, sondern für den Widerstand gegen die WAA enorm wichtig, weil damit international Aufsehen erregt worden ist und sich die gesamte `Szene´ im Kampf gegen die WAA zusammengefunden hat", berichtet Schindler.

Noch fast drei Jahre allerdings mussten die Gegner der WAA aushalten, denn erst am 31. Mai 1989 stellte die Betreibergesellschaft, die Deutsche Gesellschaft für die Wiederaufbereitung von Kernbrennstoffen (DWK), den Bau in Wackersdorf ein. Das Ziel, das die vielen Demonstranten seit der Gründung der ersten Bürgerinitiative am 9. Oktober 1981 verfolgten, war erreicht …

Und als Schmankerl: Ein Live-Mitschnitt von Haindling ...

Schwandorf