Einsatz
Absturz einer F16: Auch die beteiligten Leitstellen widersprechen einem "Zuständigkeitsgerangel"

09.07.2017 | Stand 29.07.2023, 17:32 Uhr
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Am Dienstag, 11. August, führte der Absturz eines US-Kampfjets vom Typ F16 in der Nähe von Engelmannsreuth zu einem Großeinsatz von Feuerwehren, Hilfsorganisationen und Behörden aus Oberfranken und der nördlichen Oberpfalz. Viele Beteiligte haben sich bereits zu diesem Thema geäußert. Aufgrund der Medienberichterstattung um die Zuständigkeiten veröffentlich die Integrierte leitstelle Nordoberpfalz mit der benachbarten Integrierten Leitstelle Bayreuth/Kulmbach eine Presseerklärung.

LANDKREIS NEUSTADT AN DER WALDNAAB/BAYERN Zum Zeitpunkt des Notrufeinganges waren die Disponenten beider Integrierten Leitstellen Nordoberpfalz und Bayreuth/Kulmbach mit der Bearbeitung von alltäglichen Feuerwehr- und Rettungsdiensteinsätzen beschäftigt. Besondere Vorkommnisse oder örtliche Schwerpunkte waren auf beiden Seiten nicht zu verzeichnen. Nach tagelanger anhaltender Trockenheit wurde bei Waldbrandstufe 4-5 erneut Luftbeobachtung über den Forsten der Nordoberpfalz und Oberfrankens angeordnet.

Die ILS Bayreuth/Kulmbach erreichte um 9.32 Uhr die erste von insgesamt 13 Mitteilungen über Notruf 112. Die ILS Nordoberpfalz verzeichnete ab 9.42 Uhr drei Notrufmeldungen. Die Informationen der ersten drei Notrufe der ILS Bayreuth/Kulmbach ergaben in Summe das Meldebild eines abgestürzten Düsenjets und in Folge einen Waldbrand bis dato noch unbekannten Ausmaßes, im unwegsamen Gelände. Mehrere Kampfjets kreisten zum Zeitpunkt der Notrufannahme noch immer im Tiefflug über Engelmannsreuth. Dies verängstigte die Bürger immens und war in den Notrufgesprächen noch deutlich hörbar.

Die ersten Ortsangaben waren noch ungenau, reichten aber für eine hinreichend genaue Erstalarmierung durch die ILS Bayreuth/Kulmbach aus. Diese erfolgte um 9.35 Uhr mit dem Stichwort "Absturz Militärflugzeug". Der Lagedienst der ILS Bayreuth/Kulmbach entschied bis auf Weiteres, alle Rettungskräfte aus dem eigenen und den benachbarten Leitstellenbereichen in die definierten Bereitstellungsräume zuzuführen, um noch unbekannte Folgeaufgaben und Gefahren bearbeiten zu können und damit Reserven zu bilden.

Die ILS Nordoberpfalz startete um 9.42 Uhr mit der Alarmierung der angeforderten Kräfte. Die benachbarten Leitstellen Amberg, Bamberg, Coburg, Nürnberg und HochFranken unterstützen zudem durch Entsendung von Gebietsabsicherungen für den Rettungsdienst. Parallel zur Erstalarmierung über Funk wurden die beiden Landratsämter Bayreuth und Neustadt an der Waldnaab als Kreisverwaltungsbehörde mit ihrem Ansprechpartner "Führungsgruppe Katastrophenschutz" (FüGK) von den beiden Leitstellen telefonisch verständigt. Insgesamt starteten vier Rettungshubschrauber aus Nürnberg, Weiden und Landsberg zu Rettungs- und Erkundungszwecken zur Einsatzstelle.

Knapp zehn Minuten nach dem ersten Notruf wurde durch die Einsatzzentrale des Polizeipräsidiums Oberfranken ein Bürger an die ILS Bayreuth/Kulmbach durchgestellt, der den englisch sprechenden Piloten des Militärjets am Waldrand, zirka 100 Meter vor Engelmannsreuth, aufgefunden hatte. Die guten Englischkenntnisse des Disponenten brachten in einem sechsminütigen Dialog wichtige Erkenntnisse über den Absturz. Zu diesen zählten unter anderem Flugzeugtyp, Treibstoffart und -menge, Anzahl der Piloten, Bewaffnung und die Flugroute. Auf diesem Wege konnte auch die Telefonnummer des zuständigen Heimatgeschwaders erfragt werden, welche der ILS Bayreuth/Kulmbach die Kontaktaufnahme mit der US-Airbase in Spangdahlem ermöglichte.

Die erste Lagemeldung auf Sicht durch die Ortsfeuerwehr wurde um 9.41 Uhr abgesetzt und bestätigte die Rauchentwicklung hinter der Bahnlinie im Wald bei Engelmannsreuth in Richtung Heinersreuth. Ab 9.49 Uhr trafen die ersten Einsatz- und Führungskräfte an der Absturzstelle ein.

Aufgrund der Einsatzlagen wurden noch während der Notrufentgegennahme in beiden Leitstellen die mehrstufigen Personalverstärkungskonzepte aktiviert. Somit standen in kürzester Zeit insgesamt 21 Disponenten in beiden Leitstellen zur Verfügung. Trotz des Flugzeugabsturzes konnten alle Regeleinsätze des Rettungsdienstes und der Feuerwehren sicher, ohne Verzögerung und in der gleichen Qualität abgearbeitet werden. Die Sofortverstärkung binnen zwei Minuten erfolgte durch die ebenfalls als Disponenten ausgebildeten Leitungs- und Digitalfunkmitarbeiter beider Leitstellen. Durch die frühe Erstalarmierung beider Ansprechpartner FüGK in den Landratsämtern Bayreuth und Neustadt an der Waldnaab, war die arbeitsfähige FüGK Bayreuth-Land bereits kurz nach 10 Uhr in voller Besetzung im Katastrophenschutzzentrum des Landratsamtes verfügbar und fortan im engen Dialog mit den beiden Leitstellen, der Einsatzleitung vor Ort und dem Landratsamt Neustadt an der Waldnaab. "Christoph 80" aus Weiden traf als erster Hubschrauber um 9.59 Uhr ein. Die DRF-Schwestermaschine "Christoph 27" aus Nürnberg vier Minuten später und startete, nach der Aufnahme eines Kreisbrandmeisters, erneut zum Erkunden der Einsatzstelle aus der Luft.

Die ILS Bayreuth/Kulmbach erreichte um 10.06 Uhr die Information von der ILS Nordoberpfalz, dass die Absturzstelle nähe der Landkreisgrenze im Landkreis Neustadt an der Waldnaab liegt. Nach kurzer bilateraler Abstimmung wurde der Einsatz fortan zweckmäßig weiterhin durch die ILS Bayreuth/Kulmbach bearbeitet. Eine Einsatzübergabe mit allen damit verbundenen Schwierigkeiten wurde beidseits als nicht realistisch eingestuft, da der überwiegende Teil der Einsatzkräfte strukturbedingt aus dem ILS Bereich Bayreuth/Kulmbach anrückte. Eine gute Funkversorgung im Absturzgebiet ermöglichte zudem eine reibungslose Kommunikation der eingesetzten Kräfte. Die Lagedienste der beiden Leitstellen standen bis in den späten Abend in engem Kontakt. Die Erreichbarkeit und konstruktive Zusammenarbeit mit dem ersteintreffenden Feuerwehreinsatzleiter, der zudem Ortskommandant in Engelmannsreuth ist und einer der frühen Notrufer war, ermöglichte zu jedem Zeitpunkt eine enge Abstimmung. Die Zusammenarbeit der beiden Leitstellen mit der Sanitätseinsatzleitung, mit der späteren Örtlichen Einsatzleitung, als auch der FüGK Bayreuth-Land und der Polizeieinsatzzentralen Oberfranken und Oberpfalz war zu jedem Zeitpunktgewährleistet.

Über zahlreiche Kommunikationswege wurden in engen Abständen Informationen, Rechercheergebnisse, Lagemeldungen und Anforderungen ausgetauscht (Karten mit den Flugrouten, Sicherheitsdatenblätter, Koordinaten, Kartenmaterial, usw.), so dass das Lagebild in den rückwärtigen Führungseinrichtungen vor dem geistigen Auge Zug um Zug facettenreicher und detaillierter wurde. Neue Erkenntnisse wurden zeitnah ausgetauscht, so dass alle beteiligten Führungsstellen nahezu ohne Verzug den gleichen Kenntnisstand hatten. Die pragmatische und lösungsorientierte Zusammenarbeit aller beteiligten Organisationen und Behörden auf nicht-polizeilicher, polizeilicher und militärischer Seite, aber auch der SAR Leitstelle-Land in Münster, den Luftbeobachtern, der Einsatzleitungen und Fachbehörden sowie dem "Fire Department" der US-Streitkräfte in Grafenwöhr war zu jeder Zeit reibungslos und von gegenseitigem Vertrauen und ausgezeichneter Kooperation geprägt. Dem zugrunde liegt ein Netzwerk, welches in den letzten Jahren durch zahlreiche gemeinsame Projekte stetig gewachsen ist.

Um 11.15 Uhr wurde allen Einsatzkräften von der Einsatzleitung aufgrund vor Ort gewonnener Erkenntnisse bekannt gegeben, dass die Maschine mit Übungsbomben bestückt sei und daraufhin angeordnet, dass das unmittelbare Umfeld der Absturzstelle zu räumen ist und die Einheiten aus Eigenschutzgründen vorsorglich notdekontaminiert werden müssen. Die Meldung über die Übungsbombe wurde seitens der Polizeieinsatzzentrale Oberfranken um 11.22 Uhr der ILS Bayreuth/Kulmbach schriftlich bestätigt. Weitere überregionale Kräfte, wie Spezialisten für Schadstoffmessungen der Berufsfeuerwehr Nürnberg, wurden in Abstimmung mit der Bezirksregierung von Oberfranken alarmiert. Der Einsatz dauerte bis zum nächsten Tag an, in den späten Abendstunden unterstützten die Einsatzkräfte das Militär bei der Bergung aufgefundener Übungsbomben und der Außentanks. Der Großteil der Rettungskräfte konnte gegen 20 Uhr einrücken.

Insgesamt wurden vier Personen, darunter auch der verunglückte Pilot des Kampfjets, mit leichten Verletzungen in umliegende Krankenhäuser verbracht. Zehn Einsatzkräfte begaben sich auf dem Behandlungsplatz vor Ort mit Kreislaufproblemen zum Zwecke der Überwachung und Regeneration kurzfristig in ärztliche Obhut (verursacht durch hochsommerliche Hitze und körperliche Belastungen im Einsatz).

Das einstimmige Fazit von den beiden Leitstellenleitern Jürgen Meyer und Markus Ruckdeschel am Folgetag lautet: "Zu jedem Zeitpunkt dieses Großeinsatzes arbeiteten die beiden Leitstellen Bayreuth/Kulmbach und Nordoberpfalz und sämtliche beteiligten Hilfsorganisationen und Behörden ausnahmslos Hand in Hand. Wie in verschiedenen Medien dargestellt, kam es aus Sicht der ILSen zu keinem Zeitpunkt zu einem 'Zuständigkeitsgerangel'. Alle notwendigen Entscheidungen wurden mit einem hohen Maß an Kollegialität und Sachverstand zu Gunsten der reibungslosen Abarbeitung dieses Flugunfalls getroffen. Die beiden Leitstellen Bayreuth/Kulmbach und Nordoberpfalz danken allen Einsatzkräften, beteiligten Organisationen und Behörden für die sehr gute, professionelle und disziplinierte Zusammenarbeit, die zu einem mustergültigen Abschluss des Einsatzes führte. Das bayerische System 26 untereinander kooperierender Integrierter Leitstellen hat an diesem Tag regierungsbezirksübergreifend alle Systemvorteile ausspielen können und damit eine weitere Bewährungsprobe bestanden! Hierzu trugen gleiche technische und organisatorische Standards in der Einsatzvorbereitung und Durchführung maßgeblich bei!"

Hintergrundinformation: Die Übungsbomben (umgangssprachlich) werden in Fachkreisen – hinsichtlich der von Ihnen ausgehenden Gefahren deutlich treffender -– auch als Übungsrauchkörper bezeichnet. Sie bestehen im Wesentlichen aus Beton, da dieser nahezu gleiche ballistische Eigenschaften im Flug ermöglicht. Sie zeigen dem Piloten und den Übungsbeobachtern den Trefferort mittels Rauch- und/oder Leuchtstoffen an.

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