Die Absuche in Neutraubling macht den Einsatz erforderlich
Wenn die Arbeit das Leben kosten kann: Ein Sprengmeister im Einsatz

08.07.2017 | Stand 12.10.2023, 11:20 Uhr
−Foto: n/a

Wenn in Neutraubling im Landkreis Regensburg Bomben gefunden werden, die entschärft werden müssen, dann rückt aktuell Michael Weiß (links im Bild) von der Firma Tauber an. Er ist der Sprengmeister, der zusammen mit einem Kollegen nahe an der Bombe ist, wenn alle anderen Menschen den Evakuierungsradius längst verlassen haben.

NEUTRAUBLING Für den Fall eines Fundes, so wie am Dienstag, 12. August, in Neutraubling auf dem Gelände an der Traunreuter Straße, sei es zunächst wichtig, die Bombe zu sichten und dann zu säubern, um feststellen zu können, um welche Zündeinheit es sich handelt. Dann müsse man entscheiden, ob man die Bombe vor Ort entschärfen kann oder nicht.

Je nach Gefahrenlage wird dann gemeinsam mit der Polizei der Evakuierungsradius festgelegt. Im aktuellen Fall mussten rund 1.100 Menschen im Umkreis von rund 500 Metern ihre Häuser und Arbeitsplätze verlassen. Viele fanden Unterschlupf bei Bekannten und Freunden, einige Betroffene nutzen das Angebot der Stadt Neutraubling, in der Mittelschule auf die Freigabe der Sperrzone zu warten. Für Michael Weiß und seinen Kollegen heißt es dann, die Zündkette der Bombe zu unterbrechen. Und hier wird es richtig gefährlich. Hier muss sorgfältig und vorsichtig gearbeitet werden. Denn wenn etwas schief geht bei der Entschärfung und die Bombe detoniert, "riskieren wir zu viel", sagt Weiß. Zwei Menschen, nämlich die, die für die Entschärfung zuständig sind, würden dann ihr Leben verlieren.

Im Fall der Neutraublinger Bombe war ein sogenannter Aufschlagzünder zu entschärfen. Ein Zünder also, der in dem Moment hoch gehen hätte sollen, in dem die Bombe auf dem Boden aufschlägt. Bei Blindgängern hat dieser Mechanismus versagt – und genau darin liegt das Problem: "Wir wissen nicht, warum er nicht gezündet hat", so Weiß. Jede Berührung der Bombe könnte den Ausschlag geben, dass sie doch detoniert. Michael Weiß schildert den Fall einer Bombe in Euskirchen bei Bonn: Dort war am 10. Januar dieses Jahres ein Baggerfahrer ums Leben gekommen, als er beim Umschichten von Bauschutt die Bombe mit dem Baggergreifer erwischte. Die Bombe detonierte, der Baggerfahrer wurde getötet, weitere 13 Menschen verletzt. "Die Bomben liegen über 70 Jahre in der Erde", sagt Weiß, "da werden sie nicht sicherer".

"Wir lernen ein Leben lang", sagt Weiß. Als angehender Sprengmeister muss man „ganz klein“ anfangen, erst die Berufserfahrung bringe dann auch die Erfahrung mit sich, die man für den Job benötige. Alle zwei bis drei Jahre seien dann Schulungen möglich, die einem wieder weitere Möglichkeiten eröffnen. Letztlich aber sei jede Entschärfung eine Sache für sich. Wichtig sei eben, die Gefahr abzuschätzen und dann sehr vorsichtig ans Werk zu gehen.

Michael Weiß ist derjenige, der aktuell dafür sorgt, dass Neutraubling nach einem Bombenfund schnell wieder ruhig schlafen kann. Dabei setzt er jedes Mal sein Leben aufs Spiel. Das ist ihm bewusst: "Wir sind keine Cowboys, die da wild drauflos springen", sagt Weiß. Die Gefahr sei jedem, der sich zur Entschärfung einer Bombe nähert, bewusst.

Neben zahlreichen kleineren Splitterbomben sind seit dem 16. Juli auch zwei 250-Kilo-Bomben gefunden worden. Das Gelände an der Traunreuter Straße wird systematisch nach Relikten aus dem Zweiten Weltkrieg abgesucht, die Stadt hat damit gerechnet, dass Funde gemacht werden. Ein Messerschmitt-Werk, in dem Flugzeuge gebaut wurden, stand da, wo heute die Stadt Neutraubling ist. Dieses Werk war seit 1944 Ziel der Bombenangriffe der Alliierten, der größte Angriff wurde am 16. Februar 1945 geflogen. Nach dem Krieg siedelten sich auf dem Gelände des ehemaligen Werkes vor allem Heimatvertriebene an. Neutraubling entstand. Und noch heute werden immer wieder Relikte dieser Zeit aus dem Neutraublinger Boden geholt. Relikte, die heute noch gefährlich werden können!

Bereits am Mittwoch, 20. August, war der Einsatz von Michael Weiß erneut nötig!

Regensburg