Wahlkampf
Tanja Schweiger auf Themenreise: Leben im Alter menschlich gestalten

07.07.2017 | Stand 28.07.2023, 6:41 Uhr
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"Seniorenresidenzen" und "Wohnparks" allein als Begriffe lassen das Leben im Alter noch nicht menschenwürdig erscheinen. Viel wichtiger sei, dass ausreichend und gut qualifizierte Pflegefachkräfte zur Verfügung stehen. Doch genau das ist aktuell in Deutschland nicht der Fall. Händeringend suche man nicht nur im Schierlinger Wohnpark am Rathausplatz nach geeignetem Personal, wie Rudolf Bucher, Mitglied der Geschäftsleitung der RKT Matt & Wiesbauer OHG, anlässlich des Besuchs der Landtagsabgeordneten Tanja Schweiger in der dortigen Einrichtung betonte.

SCHIERLING Die Abgeordnete der Freien Wähler hatte zur sechsten und vorläufig letzten Station ihrer Themenreise durch den Landkreis nach Schierling eingeladen. Die Resonanz war wiederum sehr gut. Gut 60 Besucher verfolgten das Plenumsgespräch im Foyer des vor rund einem Jahr eröffneten Wohnparks am Rathausplatz. Teilnehmer neben Tanja Schweiger und Rudolf Bucher waren Pflegedienstleiterin Angelika Wolf, Heimfürsprecherin Erika Kellner sowie Bewohner Wolfgang Blumenthal.

Qualifizierte Pflegefachkräft fehlen

Ihr gefiel an dem Haus von Anfang an, so Tanja Schweiger, dass es nicht nur eine Einrichtung für die Bewohner sei, sondern auch den Schierlingern stets offen stehe. So könne man gegen einen kleinen Geldbetrag am Mittagessen teilnehmen oder einfach nur reinkommen, um eine Tasse Kaffee zu trinken. Mit Rudolf Bucher sei sie bereits seit vielen Jahren im Austausch über die Situation in der Pflege. Und die sei derzeit sehr kritisch, betonte der engagierte RKT-ler: "Wir brauchen dringend qualifizierte Pflegefachkräfte aus der Region". Der vom Gesetzgeber geforderte Pflegeschlüssel (das Verhältnis von Pflegefachpersonal zur Anzahl der Bewohner) habe im ersten Betriebsjahr bereits mehrfach einen Aufnahmestop erforderlich gemacht. Derzeit sei man in Kontakt mit einer Personalvermittlerin, die seriös den Kontakt zu tschechischen Pflegekräften herstellen könne. Das gebe zwar etwas Luft, doch müsse es – auch im Sinne der Heimbewohner – ein Hauptanliegen sein, "regionale Pflegekräfte zu finden".

"Der Bewohner hat seinen Namen und nicht eine Nummer"

Pflegedienstleiterin Angelika Wolf stellte heraus, dass man trotz aller personeller Engpässe darum bemüht sei, den Heimaufenthalt für die Bewohner "menschlich zu gestalten. Der Bewohner hat seinen Namen und nicht eine Nummer", und er habe einen Anspruch darauf, „einen schönen Lebensabend im Kreis Gleichgesinnter“ zu verbringen. In ihrem Arbeitsalltag erlebe sie es regelmäßig, dass "alte, kranke und gebrechliche Menschen dankbare Leute" seien. Wer also einen Beruf nahe am Menschen suche, sei gut beraten, sich für die Pflege zu entscheiden. Dabei dürfe es nur einen kleinen Teil der Entscheidung ausmachen, dass der Bayerischen Landtags kürzlich endlich das in der Vergangenheit zu zahlende Ausbildungsgeld abgeschafft hat. Die Ausbildung dauert drei Jahre. Interessierte Jugendliche, die den Tätigkeitsbereich erst mal kennenlernen wollen, können dies gerne auch im Rahmen eines Ferienjobs tun.

Mit Wolfgang Blumenthal saß nach Einschätzung mancher Besucher vielleicht nicht "der typische" Heimbewohner im Plenum. Sein klares Plädoyer für den Umzug ins Pflegeheim kann man in dieser Deutlichkeit von anderen Pflegebedürftigen eher selten wahrnehmen: "Man muss einen Schlussstrich ziehen" und, falls erforderlich, bereit sein, seine alte Heimat zu verlassen. Er sei seit rund einem Jahr im Wohnpark und "mir gefällt es sehr gut". Ausschlag gebend sei die richtige Einstellung. „Man muss gut und böse sowie mein und dein unterscheiden können“. Und man müsse "ein bisschen zu- und abgeben", dann könne man mit dem Wohnen in einem Heim zurecht kommen.

Als Heimfürsprecherin sei Erika Kellner nicht die typische Interessensvertreterin von Heimbewohnern, erklärte Rudolf Bucher. Das liege weniger daran, dass sie – anders als ihr Ehemann – nicht Heimbewohnerin ist. Vielmehr werde in den meisten anderen Einrichtungen ein Heimbeirat gewählt. Das könnte in Schierling vielleicht nach einem weiteren Betriebsjahr auch so kommen. Mit ihr habe man jedoch eine Frau, die nicht nur sagt, was zu tun sei. Es zeichne sie aus, dass sie stets selbst mit anpackt. Allerdings machte die Heimfürsprecherin deutlich, dass sie sich über weitere Unterstützung von Ehrenamtlichen aus der Gemeinde und aus der Region freuen würde. Rudolf Bucher verwies dabei auf die für ihn vorbildlichen Caritas-Heime in Bernhardswald und in Regenstauf, wo jeweils zwischen 15 und 20 Ehrenamtliche die Pflegekräfte bei der Betreuung der Heimbewohner etwas entlasten.

Zukunft des Pflegestandorts Deutschland

Manfred Lichtl, Leiter des Caritas Altenheims in Sünching, der als Gast dabei war, wünscht sich, dass die Pflegeschulen ausgebaut oder zumindest aufrecht erhalten bleiben. Die anwesenden Fachleute waren sich einig, dass mehr Zeit in der Pflege notwendig ist, d.h. der Pflegeschlüssel verbessert werden muss, und bei einer fließenden Fachkraftquote der Arbeitsalltag leichter zu organisieren wäre.

Bei der Frage nach der Zukunft des Pflegestandorts Deutschland wagte Rudolf Bucher eine Vision. Sein Wunschgedanke sei, "dass jede Gemeinde eine eigene Einrichtung hat". Dabei müssten das Objekt für Betreutes Wohnen und das Pflegeheim räumlich nah beieinander sein, damit bei Paaren der eine Partner, der nicht im Pflegeheim wohne, "in Hausschuhen rüber gehen kann". Er zeigte sich abschließend froh darüber dass mit Tanja Schweiger "eine Abgeordnete, die im Landkreis aktiv ist, den Ball aufgenommen“ und das Leben im Alter zum Thema gemacht hat. Diese bedauerte, dass in der Politik "zu wenig über Pflege gesprochen" werde. Sie selbst werde weiter am Ball bleiben: "Das sind wir unseren Eltern und Großeltern schuldig. Sie haben für uns die Grundlage geschaffen, auf der wir heute leben. Daher müssen wir uns jetzt auch um die Lebensbedingungen im Alter kümmern."

Den meisten Beifall erhielt Tanja Schweiger, als sie mit Blick auf den anwesenden Bundestagskandidaten Sebastian Hopfensperger an den Bund appellierte, "den einen oder anderen Euro mehr im eigenen Land für den Pflegebereich auszugeben anstatt für Rettungsschirme ins Ausland zu überweisen".           

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