Stolpersteine:
Regensburg tut sich mit Nazi-Opfern schwer

06.07.2017 | Stand 13.09.2023, 4:48 Uhr
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Regensburg tut sich mit dem Gedenken an die Nazi-Zeit nicht immer leicht. Eine Aktion, die gegen das Vergessen helfen soll, ist die Verlegung von Stolpersteinen in das Straßenpflaster der Stadt. Jetzt ist es wieder so weit.

REGENSBURG Gedenken ist wichtig, auch viele Jahrzehnte danach. Am 9. November 1938 feuerte der damalige Nazi-Oberbürgermeister Schottenheim den Mob an, die Synagoge zu schänden. In den letzten Tagen des Krieges, am 23. April 1945, starben drei ehrbare Männer für Regensburg: Der Domprediger Johann Maier wurde ebenso erhängt wie Josef Zirkl und der Mesner von St. Emmeram, Johann Igl. Der pensionierte Polizist Michael Lottner wurde von den Nazis erschossen – wegen eines Satzes: Er forderte die Menge auf, dem Domprediger doch mal zuzuhören. Lottner, ein Held, hat bis heute keinen „Stolperstein“. Denn es gibt ein Gedenken jenseits der betroffenen Ansprachen an Gedenktagen wie dem 9. November, das auch im Alltag das Vergessen besiegt: In Regensburg und, als bislang einzigen Ort im Landkreis, in Schierling, säumen goldene Pflastersteine die Straßen.

Am 19. November wird mit der Verlegung von Stolpersteinen an weitere 19 von den Nationalsozialisten zwischen 1942 und 1945 ermordete Regensburger erinnert. Die Einzelschicksale sind von der Aktionsgruppe Stolpersteine Regensburg recherchiert worden: Ein Stein gilt einem Widerstandskämpfer, 17 Steine erinnern an Deportierte, die 1942 aus Regensburg verschleppt und im besetzten Polen umgebracht wurden. Ein weiterer Stein erinnert an die jüdische Frau eines katholischen Rechtsanwaltes, die 1943 deportiert wurde.

Die Aktion beginnt um 10 Uhr in der Maximilianstraße. Vor dem Haus Maximilianstraße 16 wird mit der Verlegung von Stolpersteinen an Leben und Tod der Familie Brandis und des Ehepaars Holzingers – insgesamt neun Personen – erinnert, die bisher nur anonyme Opfer des Nationalsozialismus waren. Schüler der Realschule am Judenstein waren an der Suche nach den Biographien beteiligt und werden eigene Beiträge vorstellen. Der jetzt 90-jährige Sohn des Ehepaares Holzinger hat angekündigt, extra zu der Verlegung aus Israel in seine Geburtsstadt Regensburg zu kommen.

Die weiteren Verlegeorte sind in der Schäffnerstraße 22 für die Familie Jordan, am Beraiterweg 4 für Johann Igl, den oben schon erwähnten Mesner von Emmeram. Auch Hinter der Grieb 2 wird für Max Uhlfelder ein Stolperstein verlegt sowie in der Wahlenstraße 24 für Frieda Plaut und Josef Engelmann. Der letzte am 19. November verlegte Stolperstein wird in der Hans Huber-Straße 5 für Alice Heiß in den Boden gemeißelt.

An jedem Platz wird, soweit die Lebensdaten wieder aufgefunden werden konnten, über jeden Betroffenen kurz berichtet und seiner gedacht.

Im Rahmen des von Gunter Demnig entwickelten Erinnerungsprojekts wurden in den vergangenen Jahren insgesamt 25.000 Steine verlegt, außer in Deutschland auch in weiteren europäischen Ländern. Die Vorarbeiten übernimmt wie überall, so auch in Regensburg, eine ehrenamtlich arbeitende Gruppe. Sie sucht und überprüft die persönlichen Daten der Opfer und organisiert dann zusammen mit Demnig die Verlegungen. Die Steine werden auf öffentlichem Grund vordem letzten Wohnsitz der Verfolgten verlegt. Nicht immer gefällt das Gedenken den Hausbesitzern übrigens. Eine Debatte gab es jahrelang um das Colosseum in Stadtamhof:

Dort hatte der Eigentümer, ein Münchner Manager, keine Gedenktafel erlaubt – das Gebäude war in den letzten Kriegstagen immerhin ein KZ-Außenlager. 60 Menschen kamen um. Weil dieser Hinweis in einer Bodenplatte fehlte, stand die Stadt enorm in der Kritik. Folge: Man werde sowohl den Text überdenken, als auch ein Konzept entwerfen, wie man mit dem Gedenken umgeht.

Am 9. November wird übrigens der Pogromnacht gedacht – zuerst in der Neupfarrkirche, später in der Jüdischen Gemeinde. 

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