Kommentar
Wo Merkels Mann fürs Protokoll herkommt, bekam die AfD mehr Stimmen als die CSU

11.10.2017 | Stand 13.09.2023, 2:00 Uhr
−Foto: Foto: CDU (

Kanzlerin Angela Merkels zweiter Mann in ihrem Büro stammt aus der Konradsiedlung. Bernhard Kotsch ist ein Spitzen-Diplomat. Doch ausgerechnet dort kam die AfD bei der Wahl auf 25 Prozent. Warum?

REGENSBURG Wundern durfte sich eigentlich niemand über dieses Wahlergebnis: Die wichtigsten Entscheidungen der letzten Jahre, Euro-Rettung und Flüchtlingskrise, hat Merkel ohne Parlament alleine entschieden. Und wer Schulz wählte, wählte faktisch Merkel-Politik.

In Regensburg gab es für Merkel ein Menetekel: Ausgerechnet in der umbenannten Schule für Toleranz und Vielfalt wählte jeder Dritte die Alternative für Deutschland am Sonntag. Sie wurde in einem Wahlbezirk die stärkste Kraft, noch vor der CSU. Ein Debakel für die Christsozialen, die in Regensburg eines von zwei Mandaten in Berlin abgeben mussten. Nicht nur das: Auch in der Konradsiedlung wählten bis zu 25 Prozent die AfD. Ausgerechnet, denn dort kommt der zweitwichtigste Mann in Angela Merkels Leben her: Dr. Bernhard Kotsch, Spitzendiplomat und im Bundeskanzleramt fürs Protokoll zuständig, stammt von dorther. Doch nicht nur Regensburgs Stadtnorden wählte die Anti-Merkel-Alternative überdurchschnittlich stark: In einigen Kommunen im Landkreis wie in Schierling wurde sie zweitstärkste Kraft. Am meisten Stimmen bekam sie mit mehr als 18 Prozent in Wörth.

Wundern darf man sich nicht. Die Große Koalition hat Deutschland in einen Tiefschlaf versetzt. Wer glaubt, dass nur das Proletariat, die Abgehängten, AfD wählten, der täuscht sich. Die ewigen „Das sind doch alles Nazis“-Rufe haben der Partei Stimmen gebracht. Ebenso das Gefühl, dass Deutschland kein Rechtsstaat mehr ist. Auch die Angst vor einer religiöseren, muslimischeren Gesellschaft trieb gerade Wohlhabende zur AfD.

Statt die Nazi-Keule zu schwingen, sollten sich Medien und die anderen Parteien den Herausforderungen stellen. Die latenten Ängste sind eine Ansage des Wählers: Ein Rechtsstaat, der nicht abschieben kann, ist seines Namens nicht würdig. Angela Merkel ist angezählt, es ist fraglich, ob sie die Legislatur übersteht. Fraglich ist auch, ob Horst Seehofer als Spitzenkandidat und Ministerpräsident in die Landtagswahl zieht. Der Wähler hat entschieden – und am Ende tatsächlich die Politik auf den Kopf gestellt.

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