Flüchtlinge
Transitzentrum für Asylbewerber ohne Perspektive: Ein kleiner Nazi-Vergleich

11.07.2017 | Stand 13.09.2023, 6:20 Uhr
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Sozialministerin Emilia Müller wirkte bislang latent unfähig in Sachen Flüchtlingskrise, das merkt man auch beim neuen Transitzentrum, einem Euphemismus für Asylbewerber ohne Perspektive.

REGENSBURG Es ist wohl nur ein kleiner Nazi-Vergleich: Die SPD im Stadtosten nennt das von Sozialministerin Emilia Müller geplante Transitzentrum für Asylbewerber in einer Mitteilung „Internierungslager“. Zwar nannte man diese im Dritten Reich „KZs“, düster wirkt das Wort im Zusammenhang mit Asylbewerbern trotzdem. Die SPD jedenfalls lehnt es ab, dass Asylbewerber, deren Bleibeperspektive unklar ist, im Stadtosten angesiedelt werden – genauer gesagt in der Pionierkaserne. „Welches Bild will die Christliche Union (CSU) damit vermitteln?“, fragt die SPD. „Denken die Ministerin Müller und der Minister Hermann, Integration gelinge, wenn man den Menschen mit Bleibeperspektive Menschen ohne Bleibeperspektive vor die Nase setzt?“ Besonders ins Fadenkreuz der SPD ist wieder einmal die CSU-Stadträtin Bernadette Dechant geraten. Nun kann man Dechant viel vorwerfen, allerdings nicht, in irgendeiner Form gegen gelingende Integration zu sein. Immer wieder aber hat sie davor gewarnt, dass man einen Stadtteil, in dem 90 Prozent der Erstklässler Migrationshintergrund aufweisen, nicht überfordern darf. Jetzt wird sie zur SPD-Zielscheibe.

Keine Regelschule kurz vor der Abschiebung Das Transitzentrum ist dazu gedacht, zu prüfen, ob überhaupt eine Bleibeperspektive besteht. Müller, deren Ministerium mit der Aufgabe der Flüchtlingskrise oftmals überfordert ist, hat nach Informationen des Wochenblatts auch in dem Fall die Stadt und den Landkreis Regensburg vor vollendete Tatsachen gestellt. Zehn Tage vor Eröffnung der Erstaufnahmeeinrichtung am 30. März teilte man den beiden Kommunen mit, dass es auch ein Transitzentrum geben wird. Offenbar hatte man im Ministerium Müllers noch nicht mal einen Plan, ob Kinder dieser Menschen vor der Abschiebung noch in die Regelschule sollen – so nach dem Motto: Drei Wochen in die Grundschule, dann Abschiebung. Offenbar hat man sich darauf geeinigt, Lehrer in die Einrichtung zu schicken.

Hier die Pressemitteilung der SPD im Wortlaut sowie die Antwort von Stadträtin Bernadette Dechant darauf: 

Der SPD Ortsverein Stadtosten schreibt:

Im Herbst 2015 war die Stadt Regensburg eine der ersten Kommunen, die sich bereit erklärte, der Bayrischen Staatsregierung bei der Bewältigung der Flüchtlingslage zu helfen. Damals wie heute lautete das Credo, unbürokratisch helfen, wenn Hilfe gebraucht wird. Hierzu bekannte sich auch die SPD Regensburg. Im selben Jahr schlug die CSU Transitzentren vor. Diese Zentren sollten das Allheilmittel der Integration werden. Gerda Hasselfeldt (CSU) äußerte bereits 2015 vollmundig die Idee, grenznah Transitzonen einzurichten1. Hier sollten die Asylsuchenden bei der Einreise kontrolliert werden. Heute, nicht einmal volle drei Jahre später, scheinen sich weder Ministerin Müller noch andere CSU Mitglieder an ihren eigenen Entwurf oder gar die bayrischen Grenzen zu erinnern. Man plant ein Abschiebelager in dem doch so ,,grenznahen‘‘ Regensburg. Innenminister Hermann liefert ein weiteres Zeugnis fehlender geografischer Kenntnisse: Regensburgs optimale Anbindung an den Münchener Flughafen mache unsere Stadt zu einem „geradezu prädestinierten Ort“ für das Transitzentrum. Unabhängig von diesen fadenscheinigen Begründungen für den Standort, sollte man sich nicht scheuen, die Liegenschaft und die direkte Nachbarschaft zu betrachten. Der Standort, die alte Pionierkaserne, liegt im Regensburger Kasernenviertel. Dieser Stadtteil beherbergt derzeit über circa 80% der durch die Regierung bereitgestellten Plätze für Flüchtlinge in Regensburg. Viele Gemeinschaftsunterkünfte und auch die Erstaufnahmeeinrichtung befinden sich in unmittelbarer Nähe zu dem geplanten Transitzentrum. Welches Bild will die Christliche Union (CSU) damit vermitteln? Denken die Ministerin Müller und der Minister Hermann, Integration gelinge, wenn man den Menschen mit Bleibeperspektive Menschen ohne Bleibeperspektive vor die Nase setzt? Wir sagen hierzu NEIN! Damit untergräbt die CSU die gute Integrationsarbeit, die durch die Regensburger Stadtgesellschaft bisher schon geleistet worden ist. Es wird von der CSU bewusst in Kauf genommen, funktionierende Integrationsbemühungen zu torpedieren. Als SPD im Südosten lehnen wir es ab, dass man langjährige Bemühungen durch unqualifizierte CSU- Aktionen zunichtemacht. Hierbei fällt insbesondere auch Stadträtin Dechant (CSU) mit ihrer unberechtigten Kritik an der Stadtverwaltung und ihre ‘‘Sorge‘‘ für unseren Stadtteil auf. Offensichtlich ignoriert sie, dass die Idee für das Regensburger-Transitzentrum nicht von der Stadt Regensburg, sondern von ihren CSU Partei-Freunden aus München kommt. Im Sinne christlicher Nächstenliebe halten wir als Sozialdemokraten diese Internierungslager der Staatsregierung generell für ein ungeeignetes Mittel zur Bewältigung von Flüchtlingslagen.

Hier die Stellungnahme von Bernadette Dechant:

Viel Lärm um nichts – SPD Regensburg OV Südosten regt sich künstlich über Transitzentrum auf!    „Mit der aktuellen Schmähschrift aus dem SPD Regensburg Ortsverein Südosten über ein "Abschiebe- und Internierungslager" in Regensburg entlarven sich die Genossen selbst. So eine Einrichtung ist definitiv nicht geplant.   Vor allem für Menschen, aus sicheren Herkunftsländern oder Drittstaaten und solchen, die nach einem kompakten Asylverfahren schnell die Gewissheit erhalten, ob sie ernsthafte Perspektiven im Land haben oder sich auf eine Rückkehr in ihr Herkunftsland einstellen müssen, will die SPD eine Unterbringungsmöglichkeit verhindern. Man könnte fast meinen, die SPD im Südosten hätte gegen eine Transitzone und Rückführeinrichtung anderswo nichts einzuwenden. "Nicht vor meiner Haustüre", - ziemliche Pharisäer sind da bei der SPD unterwegs. Warum machen sich die Parteimitglieder nicht bei der Stadtspitze schlau und lassen sich über die Konzeption zunächst sachlich informieren bevor sie loswettern? Die Stadtspitze wurde zweifelsohne durch die Staatsregierung eingebunden. Es kommt keine stacheldrahtbewehrte Festung, wie die SPD suggerieren will. Es handelt sich um eine vernünftige Verwaltungs- und Wohneinrichtung, die vergleichbar ist mit anderen Standorten. Die Menschen werden in der Einrichtung gut behandelt und qualifiziert betreut. Was ist an dieser sinnvollen Zuwanderungssteuerung auszusetzen?   Die Staatsregierung hat sich folgerichtig verhalten. Oberbürgermeister Wolbergs hat sich zur Aufnahme und Unterbringung von Menschen im Asylkontext stets proaktiv bereiterklärt. Für die SPD gelten offensichtlich die Willkommenskultur und das christliche Grundverständnis nach ihrer Lesart nur für diejenigen, die ihr ins wenig realitätsbezogene Konzept passen. Anzunehmen ist, dass Teile mit der Linie von Wolbergs schon früher nicht einverstanden waren. Die SPD legt nun den Rückwärtsgang ein, weil mit einem Comeback Wolbergs nicht zu rechnen ist.   Als Mitglied der Bürgerbewegung im Stadtosten werde ich mich auch selbstverständlich um die Bewohner dieser Einrichtungen kümmern und mich für ein friedliches Miteinander einsetzen. Ich gehe konstruktiv mit der Situation um und blocke nicht einfach ab. Stattdessen werde ich mich mit meinen Parteikollegen dafür starkmachen, dass wir ein qualifiziertes Konfliktmanagement, eine Ombudsstelle erhalten, die als Brückenbauer in den Stadtteil hinein wirkt, als Ansprechpartner für die Nachbarschaft fungiert und mögliche Streitpunkte moderieren kann. Außerdem werden wir von Anfang an darauf achten, dass ein stimmiges Sicherheitskonzept vorgelegt und umgesetzt wird.   Auch mich treibt die Sorge um, dass mein Stadtteil überlastet wird. Aber ich sehe die Gefährdungen weniger von den Einrichtungen ausgehen. Die Tatsache, dass die Stadt relativ unkontrolliert die Ansiedlungen von mittlerweile 7 Moscheen und Gebetsräumen im Stadtosten duldet, ohne sich konsequent für Radikalisierungsprävention einzusetzen, macht mir mehr Kummer. Oder die Tatsache, dass die Stadtentwicklung der Zuwanderung hinterherhinkt und nicht für ausreichend angemessenen Wohnraum für diejenigen sorgt, die als Asylberechtigte anerkannt sind und dezentral untergebracht werden müssen. Den hohen Migrationsanteil im Stadtosten hat die Stadt Regensburg erheblich mit zu verantworten, in dem sie andere Stadtteile privilegiert und für die neu Zugewanderten andernorts keinen bezahlbaren Wohnraum ausgewogen zur Verfügung stellt. Diese unangenehmen Wahrheiten wollen die Genossen aber wie so oft in ihrer Verblendung nicht hören! Die SPD versucht seit der Korruptionsaffäre mit allen Mitteln weiteren Schaden von sich abzuwenden und ist auf der Suche nach einem Sündenbock auf Seite der Opposition.   Die sensible sowie sicherheits- und gesellschaftspolitisch so wichtige Aufgabe der Unterbringung von Menschen mit geringer Bleibeperspektive oder abgelehnter Asylbewerber eignet sich nicht als Ablenkungsmanöver und politisch-plakatives „Schwarzer–Peter-Spiel“ für kommunalpolitische Streitereien. Schon gar nicht für parteiinterne Querelen, denn die SPD scheint bei der Aufnahme und Unterbringung von weiteren Flüchtlingen intern stark gespalten zu sein.   Die SPD vergreift sich im Ton! Von „Internierungslagern“ zu sprechen, ist billige Polemik, gießt nur unnötig Öl ins Feuer, verunsichert die Anwohner und entspricht keinesfalls der bayerischen Konzeption einer humanen, fachlich qualifizierten und sozialverträglichen „Transit- und Rückführungseinrichtung“.  

Regensburg