Archäologie
Heikle Bauarbeiten in der Fußgängerzone: Dort graben, wo das Römerlager stand

11.07.2017 | Stand 13.09.2023, 0:40 Uhr
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Wenn man in Regensburgs Altstadt eine Grube gräbt, fällt man zwar nicht immer rein – man sollte aber einen Archäologen an seiner Seite haben. Denn mit großer Sicherheit findet man Artefakte der großen und vor allem umfangreichen Vergangenheit der Römerstadt.

REGENSBURG Insofern ist es also kein Wunder, dass die nun begonnene Sanierung der Fußgängerzone für einige Funde sorgen könnte. Denn: Dort, wo sich heute Kassiansplatz, Vier-Eimer-Brunnen und Königstraße befinden, war einst das Römerlager Castra Regina, erbaut 179 nach Christus. Wohl auch deshalb hat man die Ausschreibungen für die Kanal-Sanierungen gleich mit ausgeschrieben. „Bei Bedarf stehen zwei Archäologen einer privaten Grabungsfirma zur Verfügung“, sagt Stadtsprecherin Juliane von Roenne-Styra. „Diese werden durch die Baufirma beziehungsweise durch die Bauleitung benachrichtigt, sobald Aufgrabungen anstehen. Die private Grabungsfirma wird fachlich von der Unteren Denkmalschutzbehörde betreut.“

Und dass man etwas findet, ist sehr wahrscheinlich. Lutz Dallmeier vom Amt für Archiv und Denkmalpflege bestätigt, dass der größte Teil des früheren Legionslagers nach wie vor unbekannt ist.

„Das liegt auch daran, dass das Lager bis zu sechs Meter unter dem heutigen Straßenniveau liegt“, so Dallmeier zum Wochenblatt. Bei dem Archäologen schlagen derzeit zwei Herzen in seiner Brust – zum einen ist er natürlich begeistert, „dass wir nun die Chance haben, Entdeckungen zu machen“. Doch bei einem Kanal sieht man die Vergangenheit in der Erde quasi nur in einem Längsschnitt von der Seite. Zumal in den Kanaltrassen selbst bei ihrer Entstehung das historische Material entfernt wurde. Die Archäologen sind also darauf angewiesen, diesen Querschnitt der Geschichte zu begutachten – und im Zweifel auch einen Baustopp zu verfügen.

Wie belastend wird das für die Anwohner und vor allem für die Geschäftsleute? „Mir ist sehr wichtig, dass ich eines klarstellen kann: Wir machen das nicht zum Spaß und stehen auch nicht völlig vergeistigt in der Baugrube rum, um das alles aufzuhalten“, so Dallmeier. „Uns geht es darum, unsere verborgene Geschichte zu bewahren.“ Ihm sei klar, dass jeder Baustopp Geld und Nerven der Anlieger koste. „Wir haben das aber so organisiert, dass wir bei einem Baustopp die Baufirma an einem anderen Stück weiterbauen lassen können“, versichert Dallmeier. Und dass die Kanäle oft wirklich phantastische Erkenntnisse zutage fördern, haben die Archäologen zum Beispiel letztes Jahr im Oktober gemerkt. Als man 1894 den ersten Kanal verlegte, standen bereits Hobby-Archäologen an den Baugruben. Kürzlich fand man in einem Kanal in der Salzburgergasse eine Römermauer, wo eigentlich der Kanal sein sollte. „Die Römermauer des Gebäudes, das da stand, vielleicht von einem Badehaus, war so dick, dass man den Kanal einfach unter die Römermauer verlegte“, so Dallmeier.

Gerade dort wurde viel Mittelalterliches entfernt

Doch nicht nur zur Römerzeit könnten tolle Funde ans Tageslicht kommen. Da die Römerlager alle gleich angelegt waren, kann man sich ausrechnen, was man findet, im besten Falle vielleicht den Palast des Legaten. Doch viel gespannter ist Dallmeier, ob man Entdeckungen aus der Zeit der Germanen und Bajuwaren macht.

Erst kürzlich sorgte ein Fund von etwa tausend Gräbern am Dörnberg aus dem 5. und 6. Jahrhundert für eine Sensation in der Welt der Archäologen. „Gerade in der Königsstraße bis hin zur Maximilianstraße wurde nach dem Beschuss der Stadt durch Napoleon viel mittelalterliche Substanz abgerissen.“ Besonders spannend: Am Vier-Eimer-Platz, wo ein Kanal-Knoten gebaut wird, „stoßen wir auf unberührte Substanz“. Dallmeier vergleicht diese Art von Archäologie „mit einer Schwarzwälder Kirschtorte, wir graben in Schichten“. Aber wäre dann der einst von CSU-OB-Kandidat Christian Schlegl im Wahlkampf ins Spiel gebrachte Tunnel für Busse unter der Altstadt nicht ein Eldorado für Archäologen? Dallmeier lacht kurz und heftig, sagt dann trocken: „Das ist der Horror jedes Archäologen. Fragen Sie mal in Athen nach, da hatte man seine Freude mit dem U-Bahn-Bau.“

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