Verwicklung
Spendenaffäre: Schlegl bekam mindestens 90.000 Euro aus Tretzel-Töpfen

11.07.2017 | Stand 13.09.2023, 0:35 Uhr
−Foto: n/a

Der CSU-Kandidat um das Amt des Oberbürgermeisters, Christian Schlegl, ist auf Distanz zu Hans Schaidinger gegangen. Dabei war Schlegl mehrfach selbst bei Bauträger Volker Tretzel, bat um Geld. Und bekam es auch.

REGENSBURG Das Verhältnis war längst zerrüttet: Es ist kein Geheimnis, dass der CSU-Kandidat um das Oberbürgermeisteramt viele, vor allem aber Hans Schaidinger für seine fulminante Niederlage im April 2014 verantwortlich macht. Doch dass er sich nun selbst reinzuwaschen versucht, darauf besteht, nie Teil eines engen Netzwerks aus Politik und Wirtschaft gewesen zu sein, steht in krassem Gegensatz zu dem Wochenblatt vorliegenden Dokumenten.

Was ist geschehen? Am Freitag bestätigte die Staatsanwaltschaft Regensburg nun offiziell, dass wegen eines einfachen Tatverdachts wegen Bestechlichkeit auch gegen Ex-Oberbürgermeister Hans Schaidinger ermittelt wird. Grundlage ist ein Honorarvertrag, über den das Wochenblatt bereits Ende August 2016 berichtet hatte – übrigens damals kein Grund für Schlegl, auf Distanz zu Schaidinger zu gehen. Dieser sicherte Schaidinger seit Oktober 2014 monatlich 20.000 Euro zu. Erst als durch Hausdurchsuchungen im Juni 2016 die Ermittlungen gegen Wolbergs und zunächst drei Bauträgern, unter anderem Volker Tretzel bekannt wurden, kam Schaidinger nicht mehr bei BTT vorbei. Insgesamt soll er 420.000 Euro kassiert haben. Die Staatsanwaltschaft prüft anhand eines Schreibens, das auch im Haftbefehl gegen Volker Tretzel genannt wird, ob bereits im Januar 2014 ein solcher Vertrag in Aussicht gestellt worden sei. Das Versprechen, die Yacht samt Skipper nutzen zu können, passt zum Hobby-Flieger Schaidinger, der stets einen Hang zu Luxus hatte.

Spätestens seit den Ermittlungen gegen den früheren Oberbürgermeister Hans Schaidinger stellt sich aber die Frage, wie Ziehsohn Christian Schlegl in die Affäre verwickelt sein könnte. Wir haben Schlegl vor einigen Wochen bereits mit einem Fragenkatalog konfrontiert, den er nicht beantwortete.

Christian Schlegl spricht nun in einer Erklärung davon, dass er die „kriminellen Machenschaften der SPD“ nur deshalb nicht thematisierte, weil er nicht nachtreten wollte nach der verlorenen Wahl. Bei der Kriminalpolizei räumte Schlegl aber bereits am Samstag, 30. Juli, auch eigene Spenden von Tretzel-nahen Personen ein. Und zwar für seine eigene Kandidatur.

Einer der Spender ist der jetzt verhaftete Franz W., der bis zur Wahlniederlage als Freund Schlegls galt. Schlegl hatte sich gegen die Berufung W.s als technischen Leiter der Stadtbau gewandt. Dem Wochenblatt liegen mindestens zwei Spendenquittungen vor, die für W. ausgestellt wurden. Beide Zahlungen waren, wie sollte es anders sein, unter 10.000 Euro. In einer dem Wochenblatt vorliegenden Mail fragte Schlegl den nun inhaftierten W. sogar noch, an welche Adresse er die Spendenquittungen schicken soll.

W., der später Technischer Leiter der Stadtbau wurde, wird in den Vernehmungen von Tretzel-Mitarbeitern als derjenige benannt, der für das „Spenden-System“ zuständig war. Er sagte, an wen gespendet werden sollte und in welcher Höhe, stets aber unter 10.000 Euro.

Doch ist es tatsächlich so, wie Schlegl nun behauptet, dass er von den „Machenschaften“ nichts wusste? Immerhin lehnt sich Schlegl in einer Stellungnahme am Freitag weit aus dem Fenster: „Die heute aufgekommenen Erkenntnisse über die Verflechtungen von Alt-OB Schaidinger und der Firma BTT sind bodenlos, völlig inakzeptabel und machen mich fassungslos, ob der Dreistigkeit und der Missachtung jeglicher moralischer Grenzen“, ließ er erklären. Und weiter: „Ich hatte zu keinem Zeitpunkt irgendwelche Kenntnisse über diese Seilschaften und hätte diese auch nicht tolerieren können.“

Stimmt das? Nun, Schlegls eigene Aussagen könnten einen völlig anderen Eindruck begründen.

In seiner Vernehmung bei der Kripo sagte Schlegl sinngemäß aus, dass Besprechungen über den Jahn und die Bitte um Geld bei Tretzel für den Jahn stets mit der Antwort Herrn Tretzels endeten, er werde sich das überlegen und müsse noch mit dem damaligen Oberbürgermeister Hans Schaidinger sprechen. Welchen Einfluss hatte Schaidinger bei Tretzel? Und warum? Hatte sich Schlegl diese Frage nie selbst gestellt? Oder war er nur Nutznießer des längst von Schaidinger etablierten Systems?

Vieles deutet darauf hin. Schlegl räumt bei der Kripo selbst ein, Tretzel habe ihm versichert, dass er für seinen Wahlkampf so viel Geld bekomme, wie er wolle, auch wenn er davon ausginge, dass Wolbergs OB würde. Auch das war für ihn offenbar kein Grund, nachzufragen, warum der Jahn-Mäzen denn so großzügig sei. Im Gegenteil: Er ließ sich sogar auf die Stückelung von Spenden ein, zumindest muss sie ihm aufgefallen sein.

Denn auf Tretzels Ankündigung, Schlegl mit Geld zu bestücken, folgten Taten: So seien laut Schlegls eigenen Aussagen für 2012, 2013 und 2014 jeweils 30.000 Euro zugesagt worden, die dann auch geflossen sind. Offenbar waren die Spenden 2012 aber an die Bürger für Regensburg geflossen – und zwar in einem Stück, wie Schlegl einräumte. Die anderen Beträge seien jeweils zu Tranchen unter 10.000 Euro gezahlt worden.

Bis heute verweigern sich die Bürger für Regensburg, ein Verein, der Spenden nicht veröffentlichen muss, die genaue Höhe ihrer Spendeneinnahmen zu beziffern. Insgesamt hat Schlegl entweder für die CSU, oder die Bürger für Regensburg allein von Tretzel 90.000 Euro für seinen Wahlkampf erhalten. Er schreibt dies selbst in einer Mail, die dem Wochenblatt vorliegt. Der SPD-Ortsverein Süd von Wolbergs bekam in den hier betrachteten beiden Jahren 2013 und 2014 mehr als das Doppelte, nämlich 216.000 Euro, aus Tretzel-Töpfen. Wenig sind 90.000 Euro allerdings auch nicht. Schlegl selbst kommentierte all dies – siehe oben – auf Anfrage nicht.

Nach Angaben unterschiedlicher Quellen war Schlegl insgesamt öfter bei Tretzel, um Spenden einzutreiben, unter anderem für die Bürger für Regensburg, seinem privaten Wahlverein.

Bei der Polizei behauptet Schlegl weiter, es habe eine Jahn-Aufsichtsratssitzung gegeben, bei der SPD-Fraktionschef Norbert Hartl wörtlich gesagt haben soll, das Nibelungenareal müsse Tretzel bekommen, damit der Jahn gerettet würde. Doch auch angesichts dessen tat Schlegl – nichts.

Mehrere Mitarbeiter Tretzels sagten vor der Kripo aus, dass sie nicht nur an die SPD, sondern auch an die CSU gespendet hätten. So sei es immer Prämisse Tretzels gewesen, die Spenden gerecht unter den Parteien zu verteilen. Tretzel habe das Jahn-Engagement stets als Imagewerbung für die Stadt Regensburg verstanden.

Schlegl war nie Amtsträger, gegen ihn wird derzeit offenbar nicht ermittelt. Dass er dieser Tage erneut als Oberbürgermeister-Kandidat genannt wird, ist zumindest verwunderlich angesichts dessen eigenen Verwicklungen in die Spendenaffäre. Allerdings ist ja eine Frage noch immer ungeklärt: Haben die Bürger für Regensburg vielleicht noch Tretzel-Geld, um einen Wahlkampf zu finanzieren? 

Update: Linke wirft Schlegl "unerträgliche Scheinheiligkeit" vor

Die Presseerklärung der Linken im Stadtrat im Wortlaut:

"Im Zusammenhang mit der Regensburger Spendenaffäre und möglicher Vorteilsannnahme und -gewährung durch OB Joachim Wolbergs und Alt-OB Hans Schaidinger schreiben die Stadträte der Linksfraktion im Stadtrat, Irmgard Freihoffer und Richard Spiess: „Wenn Christian Schlegl jetzt behautet, er hätte von den Verflechtungen des Alt-Oberbürgermeisters Schaidinger mit dem Bauteam Tretzel sowie großen Ungereimtheiten bei etlichen Grundstücks- und Immobiliengeschäften mit anderen Bauträgern nichts gewusst, dann ist das gnadenlos scheinheilig. Als CSU-Fraktionsvorsitzender war er nicht irgendein Hinterbänkler in der CSU, sondern der Frontmann der in der letzten Stadtratsperiode größten Fraktion im Stadtrat. Entweder war er als Fraktionsvorsitzender unfähig oder nicht gewillt, sich mit den Dingen näher zu beschäftigen, wenn er nun vorgibt, er sei ahnungslos gewesen, oder aber er ist grenzenlos verlogen, weil er davon wusste. Beides ist nicht zu entschuldigen.

Es ist aber vielmehr davon auszugehen, dass ihm sehr wohl etliche Vorgänge zumindest teilweise bekannt waren. Bis zum beginnenden Kommunalwahlkampf Ende 2013 hat er stets auch jede Kritik im Stadtrat an einer Begünstigung der wenigen großen Bauträger in der Stadt durch die Stadtspitze pauschal in Abrede gestellt und dabei stets auch kräftig ausgeteilt. Schlegl hat alles mitgemacht und es sich in dem System seines Mentors und Förderers Schaidingers gut eingerichtet, solange es ihm nützlich war. Auch angesichts der Tatsache, dass Schlegl für die CSU und den ihn unterstützenden Verein Bürger für Regensburg für seinen OB- und Kommunalwahlkampf 2014 90.000 € vom Bauteam Tretzel entgegennahm, zum Teil in Tranchen unter 10.000 gestückelt, ist seine jetzige moralische Empörung gegenüber Schaidinger dreist und schamlos.

Völlig absurd ist es, wenn Schlegl zudem noch über eine mögliche Intrige Schaidingers gegen ihn am Schluss des Wahlkampfes spekuliert, als sich Schaidinger öffentlich von seiner Idee zur Untertunnelung der Altstadt für den ÖPNV distanzierte. Es ist nichts anderes als der Versuch, sich jetzt als Opfer Schaidingers hinzustellen. Der damalige OB war aber nicht der einzige, der im Wahlkampf vor der Kommunalwahl 2014 nichts von Schlegls Vorschlägen hielt. Auch in der Öffentlichkeit schlug Schlegl heftige Kritik wegen der offensichtlich unsinnigen und unbezahlbaren Idee der Untertunnelung der Altstadt entgegen.“

Regensburg