Soziales
Fund eines toten Säuglings: Immer mehr Eltern werden die Kinder weggenommen

11.07.2017 | Stand 13.09.2023, 0:42 Uhr
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Der 37-jährige Lebensgefährte einer Zeitlarnerin holt die Polizei, als er Blut in der gemeinsamen Wohnung findet – die entdeckt einen toten Säugling. Was ist geschehen? Immer mehr Eltern sind jedenfalls nicht in der Lage, für ihr eigenes Kind zu sorgen.

REGENSBURG Schrecklicher Verdacht: Eine 35-jährige Frau hat möglicherweise ihr Neugeborenes getötet! Am 2. Januar meldete sich der 37-jährige Lebensgefährte bei der Polizei. „Er äußerte den Verdacht, dass seine Lebensgefährtin möglicherweise das gemeinsame Kind geboren hätte, es wäre aber kein Kind vorhanden“, sagt Polizeisprecher Armin Bock. Die Wohnung ist blutverschmiert. Und tatsächlich finden Polizisten darin einen toten Säugling. „Das Kind hat bei der Geburt gelebt“, so Bock.

Doch war es auch überlebensfähig? „Die vorgenommene Sektion hat keine eindeutige Todesursache ergeben“, sagt der Polizeisprecher. Die muss nun vom rechtsmedizinischen Institut geprüft werden. „Wir wissen nicht, ob das Kind überlebensfähig gewesen wäre“, so der Sprecher weiter. Darauf kommt es aber an, ob man die 35-jährige Zeitlarnerin wegen eines Tötungsdelikts anklagen wird. „Eine Misshandlung des Kindes können wir bislang nicht bestätigen.“ Das Kind hatte also keine Verletzungen, die eindeutig auf eine Gewalttat hindeuteten. In Haft ist die Frau wohl auch deshalb vorerst nicht.

Der Verdacht ist schwer erträglich, dass ein Kind durch die eigene Mutter zu Tode kam, abwegig ist er indes nicht. So fanden Spaziergänger im April 2013 eine Babyleiche an der Donau, die Mutter aus Saal hatte es getötet, weil sie um ihr Party-Leben fürchtete. Im Mai 2005 fand man in einem Garten in der Bischof-Konrad-Straße in Regensburg-Kumpfmühl die Leichen zweier neugeborener Zwillinge, begraben hatten sie Kindsvater und -Mutter (damals 36 und 30 Jahre alt).

Immer häufiger müssen sich die Behörden auch mit Familien beschäftigen, die offenbar nicht in der Lage sind, ihre Kinder zu versorgen – Kindswohlgefährdung nennt man das in der Amtssprache.

Und die Zahlen der beiden Jugendämter von Stadt und Landkreis sind nach wie vor hoch. 272 Meldungen gingen 2016 im Landkreis ein, in der Stadt Regensburg waren es sogar 404 – nach dem Rekordjahr 2012 mit 646 Bürger, die ihre Sorgen über Kinder anderer Familien mitteilten, ist die Zahl hier zwar tendenziell zurückgegangen. Doch allein die Stadt Regensburg muss sich um 141 Kinder kümmern, die aus ihrer Familie genommen werden mussten. Die meisten von ihnen leben nun in Pflegefamilien. Damit ist man nur knapp hinter dem negativen Rekordjahr 2014 mit insgesamt 155 Inobhutnahmen. Im Landkreis sind es derzeit 34 Kinder, die nicht in ihrer Familie bleiben konnten, weil das Jugendamt die Gefahren höher erachtete, als das grundgesetzlich geschützte Recht auf eigene Familie.

Spricht man mit Jugendamts-Mitarbeitern, dann sagen die, dass die hohe Zahl der Kindsentzüge auch mit der gestiegenen Aufmerksamkeit in der Bevölkerung zusammen hängt. Das mag so sein. Gleichzeitig spiegelt sich auch eine Überforderung immer mehr Menschen, die ihr eigenes Leben nicht bewältigen, geschweige denn ein Kind erziehen wollen. Ob der Fall aus Zeitlarn in diese Kategorie zählt, ist noch unklar. Sicher ist: Das Geschehene ist ein Albtraum gewesen, so oder so.

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