Jubiläum
Landkreis-SPD feiert 70 Jahre Kreistagsfraktion

11.07.2017 | Stand 04.08.2023, 4:28 Uhr
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70 Jahre Wiedergründung der SPD, 70 Jahre SPD-Kreistagsfraktion und 70 Jahre Bayerische Verfassung. Ein dreifacher Grund für die SPD-Kreistagsfraktion und den SPD-Kreisverband, die aktiven und die ehemaligen Kreisrätinnen und Kreisräte sowie die Vorstandschaft und die Ortsvereine in den Prößl-Bräu auf dem Adlersberg einzuladen.

ADLERSBERG/LANDKREIS REGENSBURG Die Festrede des SPD-Bezirksvorsitzenden und Schwandorfer Landtagsabgeordneten Franz Schindler, MdL, fand begeisterte Aufnahme. Begonnen hatte die Jubiläumsveranstaltung mit einem kurzen Gedenken an die verstorbenen SPD-Mitglieder des Kreistags seit 70 Jahren, besonders aber an die vor wenigen Wochen verstorbene ehemalige Kreisrätin Renate Müller aus Alteglofsheim. Fraktionsvorsitzender und Kreisvorsitzender Rainer Hummel blendete kurz zurück in das Jahr 1946, als Ende April der erste Kreistag gewählt wurde. Die SPD hatte im Altlandkreis Regensburg knapp 22 Prozent erzielt und zehn Mandate erhalten. Die Fraktion nahm ihre Arbeit unter der Führung des Regenstaufer Bäckermeisters Hans Graf senior ihre Arbeit auf. Die SPD habe zwar nie den Landrat gestellt, aber doch in diesen siebzig Jahren wichtige Beiträge auf allen Gebieten der Landkreispolitik geliefert, betonte Rainer Hummel. Der Regensburger Stadtrat und Bundestagskandidat Dr. Tobias Hammerl übermittelte die Grüße und Glückwünsche der SPD-Stadtratsfraktion und des Stadtverbandes zum Jubiläum. Er erinnerte an Kurt Schumacher und Wilhelm Hoegner als die wichtigsten SPD-Persönlichkeiten beim Neustart der Demokratie nach dem Ende der Nazi-Herrschaft.

Zum absoluten Höhepunkt wurde die Festrede des Vorsitzenden des Rechts- und Verfassungsausschusses des Bayerischen Landtages, Franz Schindler, zum 70. Geburtstag der Bayerischen Verfassung, die das Bayerische Volk sich selbst in einer Volksabstimmung gegeben hatte. Einleitend hob der Festredner das Alleinstellungsmerkmal der bayerischen SPD gegenüber den anderen Parteien hervor: Gründung der BayernSPD vor knapp 125 Jahren, Gründung der Oberpfalz-SPD vor 110 Jahren und Wiedergründung vor 70 Jahren. Er erinnerte an die Lage Bayerns und Deutschlands vor 70 Jahren, damals in Trümmern und vielfach gehasst und verachtet; heute dagegen genieße Deutschland hohes Ansehen und sei das politisch wichtigste Land in Europa. Mit dem stellvertretenden SZ-Chefredakteur Dr. Heribert Prantl stimmte auch Franz Schindler in das "Hohe Lied" auf die Bayerische Verfassung ein. Die SPD habe zu ihr ein besonders inniges Verhältnis, kein geschäftsordnungsmäßiges. Die Verfassung vermittle eine christliche und humanistische Leitkultur, deren Werte alle in der Verfassung stünden.

Kurz stellte der Festredner den Vater der bayerischen Verfassung, Wilhelm Hoegner, vor, dem siebten von dreizehn Kindern eines einfachen Eisenbahners in München. Die Erfahrungen des armen Arbeitersohnes hätten ihren Weg in die bayerische Verfassung gefunden, zum Beispiel das Recht auf Bildung ohne Rücksicht auf den Geldbeutel der Eltern und das Fürsorgegebot für kinderreiche Familien und deren Recht auf gesunde Wohnungen. Wilhelm Hoegner habe von Beginn seiner Abgeordnetentätigkeit 1924 an konsequent und leidenschaftlich Adolf Hitler und den Nationalsozialismus im ganzen Deutschen Reich bekämpft und 1933 sowohl im Reichstag als auch am 29. April im Bayerischen Landtag trotz großer Gefahr für Leib und Leben gegen Hitlers Ermächtigungsgesetz und gegen die Abschaffung des Freistaates Bayern gestimmt. Schindler: "Was damals ein Tag der Schande für den bayerischen Parlamentarismus war, war ein Tag des Stolzes für die Sozialdemokratie. Hitler hätte ohne die bürgerlichen Parteien keine Mehrheit gehabt."

Nicht nur der Begriff "Freistaat" ist laut Franz Schindler eine sozialdemokratische Erfindung. Vor allem aber sei Bayern ein "Volksstaat": "Träger der Staatsgewalt ist nicht die CSU und auch nicht die Staatsregierung, sondern das Volk." Die Staatsregierung sei mit den nachfolgenden Behörden nur Vollzugsorgan. Ausführlich schilderte der SPD-Abgeordnete wichtige Artikel der Bayerischen Verfassung wie der Anspruch auf gleichen Lohn für Männer und Frauen bei gleicher Arbeit, den Naturschutz und das Recht auf Naturgenuss ,den berühmten "Schwammerlparagraphen", die Abschaffung der Staatskirche und das Recht der Kinder (Art. 125 Abs.1): "Kinder sind das köstlichste Gut eines Volkes. Sie haben Anspruch auf die Entwicklung zu selbstbestimmungsfähigen und verantwortungsfähigen Persönlichkeiten." Abschließend erinnerte Franz Schindler an Männer der ersten Stunde nach dem Neubeginn wie Karl Esser, den ersten Nachkriegsbezirksvorsitzenden der SPD, Altbürgermeister Hans Weber und den späteren Oberbürgermeister Rudolf Schlichtinger. Dem von der CSU angestrengten Kulturkampf von oben und der im geplanten Integrationsgesetz verordneten "Leitkultur" müssten die Freiheiten und Werte der bayerischen Verfassung entgegengehalten werden. Der stellvertretende Landrat Hans Dechant dankte dem SPD-Bezirksvorsitzenden für diese "fulminante Rede" und schloss die Veranstaltung mit dem Appell von Papst Franziskus, auf die Schwachen der Gesellschaft zu achten.

Regensburg