Interview
Der Herr der Busse fuhr als Student selbst Straßenbahn – jetzt plant er das E-Ticket für den RVV

10.07.2017 | Stand 13.09.2023, 0:51 Uhr
−Foto: n/a

RVV-Geschäftsführer Kai Müller-Eberstein sprach mit dem Wochenblatt über die RVV-App, Pläne für die Zukunft und Sicherheit in Bussen.

REGENSBURG Wochenblatt: Herr Müller-Eberstein, hatten Sie eine Modelleisenbahn als Kind?

Müller-Eberstein: Tatsächlich. Die steht sogar noch auf dem Dachboden und wird heute noch zwei-, dreimal im Jahr herausgeholt und im Garten aufgebaut, weil auch mein Sohn verrückt danach ist. Es ist eine LGB mit großer Spurweite.

Sind Sie selbst mal als Busfahrer eingesprungen?

Neben meinem Studium bin ich Straßenbahn in Mannheim gefahren und so auch in diese Schiene hineingeraten. Nach mehreren Wochen Ausbildung natürlich.

Würden Sie also eine Straßenbahn in Regensburg selbst lenken?

Wenn es eine gäbe, müsste ich diesen Führerschein selbst verständlich erst nochmal erneuern. Aber die Grundvoraussetzung bringe ich mit (lacht). Eine solche Straßenbahn wäre für Regensburg schon eine sehr tolle Sache. Es ist schwierig in Regensburg, denn die Größe ist vielleicht nicht ganz so Straßenbahn-tauglich. Das liegt einerseits an der Struktur, andererseits an der Größe und auch an den potentiellen Fahrgästen. Außerdem wurde in Regensburg, anders als in anderen Städten, die komplette Infrastruktur abgebaut. Französische Städte wie Straßburg haben es aber vorgemacht, dass es geht und man eine Straßenbahn erneut einsetzen kann. Mit Bussen ist es gut, aber man braucht auch dafür eigene Fahrwege.

Wären Oberleitungsbusse eine Alternative?

Klar, aber alle diese Systeme haben nur dann Sinn, wenn man eigene Trassen für sie hat. Man merkt es in der Stadt jeden Tag: Wenn die Autobahnen zu sind, weichen die Autos in die Stadt aus – und der Bus steht dann auch im Stau. Das ist in anderen Städten anders. Ich wünsche mir so viele eigene Bustrassen wie möglich, damit der Autofahrer auch bewusst wahrnimmt, dass der Bus vorbei zieht, während man selbst warten muss.

Ist das so ohne Weiteres möglich?

Regensburg ist natürlich schwierig, denn viele Straßen in der Stadt sind relativ eng, vor allem in der Innenstadt. Hier arbeitet die Stadt Regensburg zusammen mit einem Gutachterbüro sowie RVV, RVB und GFN an einem Konzept.

Wie lange würde das denn dauern, bis neue Konzepte verwirklicht werden können?

Wir sprechen sicherlich von Zehn-Jahres-Zeiträumen. Regensburg ist jetzt an einem Punkt angelangt, an dem es Zeit wird, ein neues Konzept zu entwickeln.

Wie schwierig ist es für den RVV, die Busse um die vielen Baustellen in Stadt und Landkreis Regensburg zu lotsen?

Dafür sind RVB und GFN zuständig. Und ja, da sind natürlich ganze Teams dafür verantwortlich, solche Umfahrungen zu organisieren. Der RVV ist beispielsweise auch dafür zuständig, Bus- und Bahnverkehre, die vom Freistaat beauftragt werden, quasi zu verzahnen. Das ist ein wichtiges Ziel für die kommenden Jahre: Die Verknüpfung von Schiene und Bus noch deutlich zu intensivieren. Wir müssen auch über weitere Bahnhaltepunkte sprechen …

…welche Haltepunkte wären da interessant?

2023 wird der Bahnhaltepunkt in der Walhallastraße kommen. Man muss sich aber auch auf Basis des höherwertigen ÖPNV-Systems, das eingeführt werden soll, ansehen, wo man eine zusätzliche Verknüpfung von Bus und Schiene hinbekommen kann. Ein Projekt, bei dem wir das intensiv testen, ist die Linie 78. Im letzten Jahr haben wir eine intensive Verknüpfung zwischen der Agilis und der Linie 78 versucht, um zu sehen, wie gut das bei den Fahrgästen und den Mitarbeitern ankommt. Alle Agilis-Linien halten auch in Burgweinting. Man „fällt“ praktisch aus der Bahn in den Bus hinein. Und ist schon in ein paar Minuten bei BMW in Harting oder bei Krones in Neutraubling. Egal, ob aus Straubing oder aus Parsberg – man ist mit dem Auto nicht schneller. Das Projekt entwickelt sich zäher, als wir gedacht haben. Der Leidensdruck bei den Autofahrern muss offenbar noch größer werden.

Man hat den Eindruck, dass in unserer Gesellschaft der Ton rauer wird. Busfahrer bekommen das augenscheinlich oft ab. Stellen Sie das auch fest?

Insgesamt ist der Druck größer geworden. Gerade bei den Fahrern muss man feststellen, dass durch die Verkehrssituation in der Region auch der Druck steigt, denn die Fahrer wollen ihre Fahrpläne einhalten. Doch für uns steht das Menschliche im Vordergrund. Wir sehen uns jeden Fall an, auch Beschwerden über Busfahrer natürlich. Es kann aber auch sein, dass der Busfahrer sagt, das Verhalten des Fahrgastes ging so auch gar nicht. Einseitiges Feedback ist hier auch nicht der richtige Weg. Im Großen und Ganzen ist der Regensburger Raum ruhiger als vergleichbare Regionen, aber wir haben das natürlich auch im Blick.

Kommt die Videoüberwachung?

Auch das ist ein RVB-Thema, da möchte ich den Kollegen nicht vorgreifen. Aber: In den meisten Städten hat man eine solche Videoüberwachung, auch zum Schutz der Kunden. Man wird sehen …

Als Sie als RVV-Chef antraten, war eine Debatte über die Ersatztrasse schon fast vorbei, denn der Unesco-Status macht sie faktisch unmöglich. Sehen Sie noch andere Möglichkeiten, den ÖPNV auszubauen und zu organisieren?

Die Verbindung über die Nibelungenbrücke ist für viele Fahrgäste optimal, beispielsweise, weil man auch am DEZ vorbei kommt. Kurz oder mittelfristig wird keine neue Brücke kommen. Aber wichtig ist jetzt, dass wir die Infrastruktur so aufbereiten, dass man etwa an der Nibelungenbrücke und auch beispielsweise in der Frankenstraße mit dem Bus schnell unterwegs sein kann. In der Frankenstraße gibt es gerade die Diskussion, ob man eine Busspur in zwei Richtungen macht, denn morgens ist dort auch stadteinwärts viel Verkehr. Der Ausbau ist im Moment zentral.

OB Wolbergs brachte kleine Elektrobusse über den Grieser Steg und Wassertaxis ins Spiel. Ist das realistisch?

Für eine ja oftmals geforderte stärkere Anbindung von Stadtamhof wäre das sicher eine gute Idee. Spannend sind solche Projekte auf jeden Fall. Das wird natürlich nie den Massenverkehr abdecken. Für Touristen ist so ein Wassertaxi beispielsweise ohnehin sehr interessant.

Glauben Sie, dass es auch bei Bussen autonomes Fahren geben wird?

Beim Autofahren beobachten wir eine rasante Entwicklung, auch die Deutsche Bahn spricht davon, dass Züge autonom fahren werden. Warum sollte das in ferner Zukunft beim Bus nicht funktionieren?

Apropos Zukunft: Wie wird die neue App angenommen?

Innerhalb von vier Wochen hatten wir 10.000 Downloads. Wir wollten erst einmal mit der Informations-App starten. Das hat gut funktioniert. Wir haben in Regensburg die gute Situation, dass wir alle an einem Tisch sitzen. Wenn wir eine App machen, dann gibt es eine vom RVV – das ist auch gut so. Wir haben die App so strukturiert, dass wir sie so ausbauen können, dass auch ein Bezahlsystem angeschlossen werden kann. Der Aufsichtsrat muss natürlich zustimmen, aber wir planen das. Die Schwierigkeit ist, einen Zahlungsanbieter zu finden, der das zu einem vernünftigen Preis umsetzt. Wir können uns auch vorstellen, dass man weitere Verkehrsträger, wie zum Beispiel Bike- oder Carsharing-Angebote, in eine Mobilitäts-App integriert. Eine Verkehrs-App für alle diese Verkehrsmittel wäre ein Traum.

Wenn Sie einen Wunsch frei hätten – eine neue Brücke, tausende neuer Fahrgäste zum Beispiel: Was würden Sie sich wünschen?

Ich hätte gerne, auch für die Fahrgäste, am liebsten möglichst viele eigene Trassen.

Vielen Dank.

Regensburg