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Die Protokolle aus der Stadtbau-Affäre

10.07.2017 | Stand 13.09.2023, 0:50 Uhr

In der Stadtbau kracht es: Die Bestellung eines früheren Tretzel-Geschäftsführers sorgt für Wirbel. Joachim Wolbergs stimmte für eine Neuausschreibung der Stelle, steht aber dennoch im Feuer.

REGENSBURG Papier ist geduldig, Worte sind wie Pfeile: Einmal abgeschossen, kann man sie nicht mehr einfangen. Diese beiden Weisheiten beschreiben die Kluft zwischen dem in der Öffentlichkeit bislang bekannten über die Besetzung der Stelle des technischen Leiters gut.

Nach Informationen des Wochenblattes verdiente der frühere Geschäftsführer des Bauteams Tretzel im Schnitt 30.000 Euro in den letzten 25 Jahren – im Monat. Nun soll er, glaubt man all den Vorhaltungen in anderen Medien, diese Position lieber für eine mit 6.000 Euro im Monat dotierte Stelle als technischer Leiter bei der Stadtbau aufgegeben haben. Ist das so?

Dem Vorwurf, der Mann habe sich als zentraler Verteiler der Spendengelder im Bauteam Tretzel diesen „Vorteil“ erschlichen, geht nun auch die Regensburger Staatsanwaltschaft aus. Anfragen der Polizei (siehe nebenstehenden Artikel) führen ihn nun als den fünften Mann, gegen den ermittelt wird.

Der Vorhalt, der dabei im Raum steht: Der Ex-Tretzel-Mann sei deshalb von Norbert Hartl, gegen den nicht ermittelt wird, und Joachim Wolbergs durchgesetzt worden.

Doch es gibt einige Indizien, die dem widersprechen: Zum einen hat es bereits einen Technischen Leiter gegeben. Vorgeschlagen hatte den vor mehr als einem Jahr Joachim Becker, der Geschäftsführer der Stadtbau. Er suchte den Mann aus, der von einer anderen, großen kommunalen Einrichtung kam.

Doch offenbar hatte die Chemie doch nicht gestimmt. Wenn aber der Ex-Tretzel-Mann auf Biegen und Brechen zum neuen Technischen Leiter bei der Stadtbau von Hartl und Wolbergs durchgedrückt hätte werden sollen, warum ist das nicht ganz am Anfang der Amtszeit Wolbergs‘ geschehen? Ein Widerspruch.

Interessant ist dann auch die Chronologie der Bestellung. Dem Wochenblatt liegen exklusiv die Protokolle vor, die sie beschreiben. Maßgeblich sind dafür drei Sitzungen: Die am 12. Mai um 10 Uhr, am 28. Mai ab 15.28 Uhr und die am 27. Juli um 17 Uhr. Die eine fand vor dem Bekanntwerden der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen statt, die andere danach. Christian Schlegl, CSU, war in der Sitzung vom 12. Mai nicht anwesend. Im Vorfeld aber hatte er eine Mail an Stadtbau-Chef Joachim Becker geschrieben, in der er einen Wochenblatt-Artikel erwähnt. Wir hatten bereits im April 2016 berichtet, dass die Koalition sich auf den Ex-Tretzel-Geschäftsführer als neuen Mann für die Stadtbau geeinigt hatte. Schlegl wollte wissen, ob es hier Absprachen gab. Auf Nachfrage des CSU-Vertreters erklärte Wolbergs, „dass die ausgeschriebene Stelle keine Vertreterfunktion des Geschäftsführers beinhaltet.“ Auch Becker befürchtete, dass man mit dem Ex-Tretzel-Mann bereits seinen Nachfolger installieren könnte. Das Verhältnis zwischen ihm und dem OB hatte sich in den vergangenen zwei Jahren stark abgekühlt.

„Herr Becker soll seinen Favoriten vorschlagen“

Bei den Bewerbungsgespräche am 28. Mai stellte sich eine Kandidatin vor, die bereits bei der Stadtverwaltung arbeitet sowie eine externe Kandidatin. Und der Ex-Tretzel-Geschäftsführer. Dieser hat kein Studium, sondern ist Maurermeister. Der CSU-Vertreter im Gremium bemängelt dies, Hartl kontert, dafür habe der Mann die praktische Erfahrung. Pikant: Becker sagt wörtlich, der Mann weise „insgesamt eine starke Tendenz zu Tretzel-Bauweise und -philosophie auf, welche mit der Stadtbau nicht vergleichbar sei.“ Findet Becker, Tretzel-Bauten seien für das „einfache“ Stadtbau-Klientel zu hochwertig?

Wolbergs wollte offenbar keinen Streit. „Herr Becker solle sich bis Montag überlegen, welche Empfehlung er aussprechen möchte und ihm dies mitteilen. Er werde das dann im Umlaufverfahren beschließen lassen.“ Denn der Stadtbau-Ausschuss könnte sich gar nicht für einen der drei Kandidaten entscheiden – Becker muss seinen Favoriten vorschlagen.

Und er lehnt dies ab: „Herr Becker wünscht sich bereits heute eine Klärung“: Gewählt wird, mit den Stimmen von Hartl und Wolbergs, gegen den CSU-Vertreter, schließlich der Ex-Tretzel-Mann. Zum Eklat kommt es laut Protokoll dann am 27. Juli. Christian Schlegl spricht offen von „enormem Schaden“ für die Stadtbau. Er forderte die Neuausschreibung. Wolbergs stimmt mit Schlegl und zwei weiteren CSU-Stadträten dafür, wird aber von der Koalition überstimmt. Die Koalition stand also hinter der Entscheidung. Übrigens hatte Christian Schlegl letzte Woche im Wochenblatt auch noch diesen Satz gesagt: „Weiterhin habe ich nicht dafür gesorgt, dass Herr Tretzel in den Sparkassen-Verwaltungsrat berufen wird.“ Auch hier liegt uns das Protokoll der Zweckverbandsversammlung der Sparkasse vor. Auf der Vorschlagsliste steht auch Volker Tretzel. „Die Verbandsversammlung beschließt einstimmig, die in der Anlage 2 ersichtlichen Personen als Vorschlagsliste für die Regierung der Oberpfalz“, heißt es wörtlich. In der Anwesenheitsliste steht Schlegl.

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