Gericht
Vorgetäuschte Vergewaltigung: Angeklagte schiebt alles auf einen Missbrauch in der Kindheit

10.07.2017 | Stand 13.09.2023, 2:05 Uhr
−Foto: Foto: PP

Vergewaltigung und Entführung nur erfunden? Eine heute 24-jährige Frau muss sich vor dem Regensburger Amtsgericht verantworten. Sie soll eine brutale Tat in der Isarstraße im Juli 2014 nur erfunden haben.

REGENSBURG Die 24-jährige Schülerin trägt eine Perücke, als sie vor Gericht erscheint. Sie verdeckt ihr Gesicht mit einem Aktenordner, um auf den Pressefotos nicht erkannt zu werden. Vertreten wird die junge Frau von Claudia Schenk, einer bekannten Opfer-Anwältin, die normalerweise zum größten Teil die Opfer einer Vergewaltigung oder eines Missbrauchs verteidigt. Schnell merkt man das auch.

Rechtsanwältin Claudia Schenk beantragte, die Öffentlichkeit während der Dauer der Aussage der Angeklagten auszuschließen. Geschehnisse aus der Kindheit der Angeklagten sowie traumatische Erlebnisse am 27. Juli 2014 seien es, die sie schildern wollte und die tief in die Intimsphäre der Angeklagten reichen würden.  Die Anwältin erpresste sinngemäß die Richterin: Ihre Mandantin würde nur aussagen, wenn die Öffentlichkeit ausgeschlossen würde. Dem stellte sich vehement Staatsanwältin Christine Müller entgegen:  „Ich wende mich ganz entschieden gegen einen Ausschluss der Öffentlichkeit", sagte Müller. "Es steht der Angeklagten frei, sich zu äußern, wenn sie das nicht will, dann soll sie es bleiben lassen." Die Angeklagte habe aber selbst die Öffentlichkeit gesucht, nachdem sie der Kripo gesagt habe, sie möchte nicht, dass ihr Name den Medien genannt wird, "chattete sie mit flüchtig kennen gelernten Leuten, schickte Links und schrieb, dass sie das vermeintliche Opferist. Es handelt sich um eine massive Straftat, die auch die Kripo fünf Wochen lang lahm gelegt hat", so die Staatsanwältin. 

Verteidigerin Claudia Schenk indes warf ein, dass bei einer Zeugenvernahme die Rede auch auf einen Missbrauch in der Kindheit der Angeklagten kläme. Auch hier konterte Müller scharf: "Ich habe bis heute keine greifbaren Informationen, die auf einen Missbrauch in der Kindheit hinweisen. Wenn dann, soll sie Farbe bekennen", so Müller. "Ich musste  auch das Verfahren wegen Vergewaltigung gegen Unbekannt einstellen, weil es keinerlei Ansatzpunkte gab, die auf einen Täter hinweisen“, so Müller weiter. All das spreche dagegen, dass man nun eine andere Straftat in den Raum stelle und dazu benutze, nun die Öffentlichkeit aus dem Gerichtssaal zu werfen. 

Auch die Amtsrichterin sah das so. "Ich lehne den Antrag ab, weil das Interesse der Öffentlichkeit an den damaligen Vorgängen höher wiegt als das Persönlichkeitsrecht der Angeklagten", so die Richterin.

Und das ist angeklagt: Laut den damaligen Schilderungen hätten die junge Frau gegen Mitternacht drei Männer in einen Kombi gezerrt und von der Parkbucht vor der Heilig-Geist-Kirche aus entführt. Auf der Rückbank des Kombis habe einer der Männer die junge Frau angeblich während der Fahrt mehrfach gegen ihren Willen vaginal und anal vergewaltigt. Dann hätten sie die Frau nackt dort wieder ausgesetzt, von wo aus sie sie entführt haben sollen. Das war die Geschichte, die die junge Frau noch in der Nacht des 27. Juli, drei Stunden, nachdem die Vergewaltigung geschehen sein soll, bei der Polizei erzählte. Die Polizei startete damals im Sommer 2014 das ganze Programm, das die Polizeiarbeit hergibt: Fahndungsaufrufe und Suchmaßnahmen rund um die Isarstraße folgten.

Die Polizei glaubte der Frau aber wohl auch deshalb, das geht aus der Anklage hervor, weil sie bei einer ärztlichen Untersuchung tatsächlich eine blutende Wunde im Analbereich aufwies. Deshalb, davon geht die Staatsanwaltschaft aus, habe man weiterhin mit großem öffentlichen Druck – auch Phantombilder wurden veröffentlicht – nach möglichen Tätern gesucht. Als auch bei der Polizei immer mehr Zweifel aufkamen, dass die Tat wirklich stattgefunden hatte, belehrte man laut Anklage die Frau nochmals.

Staatsanwältin Christine Müller warf ihr Vortäuschen einer Straftat sowie Betrug vor. Sie hatte vom weißen Ring insgesamt 400 Euro Opferhilfe erhalten. Da die junge Frau damals niemanden Konkretes beschuldigt hatte, kam der Vorwurf der falschen Verdächtigung nicht infrage.

Regensburg