Schwierige Lage für das Bistum
Nach Dom-Besetzung: Fragwürdige Gruppen hinter skurriler Aktion

10.07.2017 | Stand 13.09.2023, 3:02 Uhr
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Am Montag, 11. Juli, also die Einigung. Ein erstes Durchatmen bei den Verantwortlichen des Bistums Regensburg. Die etwa 40 Sinti und Roma, die seit Dienstag, 5. Juli, den Dom besetzen, haben sich auf einen Umzug eingelassen.

REGENSBURG Statt in der Kathedrale, die übrigens dem Freistaat und nicht der Kirche gehört, sollen sie dann im Pfarrheim von St. Emmeram ausharren. Unter ihnen sind viele Kinder, die in Regensburg schulpflichtig sind. Doch hinter ihnen stehen nach Informationen des Wochenblattes dubiose Gruppen, die ihre Abschiebung nach Mazedonien oder in den Kosovo befürchten.

Nur noch ein paar Punks vor dem Regensburger Dom und ein paar Plakate bezeugten noch am Samstag die Demo, vor der sich die örtliche Katholische Kirche und der Freistaat Bayern fürchteten: Dort sollte es zur großen Kundgebung für die etwa 40 Sinti und Roma kommen, die laut eigenen Aussagen zum großen Teil von den Behörden ihre Ausweisungsbescheide aus Deutschland erhalten haben. Dabei spielten sich hinter den hohen Mauern der gotischen Kathedrale Dramen ab: Der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer ist in einer schwierigen Lage. Seit die Sinti und Roma mitsamt teilweise noch ganz kleinen Kindern den Dom besetzten und auf Plakaten "Bleiberecht für alle" forderten, blickt ganz Deutschland auf ihn. Und ausgerechnet jene Gruppen, die jahrelang in Regensburg gegen die Kirche vorgegangen sind, setzen ihn nun mit Kinderaugen und deutschlandweiter Berichterstattung unter Druck.

Hinter der Dom-Besetzung steht nämlich zumindest unterstützend auch die Regensburger Antifa, eine Gruppe Linksextremer, die in den letzten Jahren immer aktiver wurde. Dabei hatte die Antifa ausgerechnet am Gedenktag für die Opfer des Nazi-Regimes in Regensburg gegen Bischof Voderholzer demonstriert: Vor der versammelten Stadt-Gesellschaft warf man ihm vor, homophobe und rechte Gruppen am Katholikentag 2014 gefördert zu haben. "Wir betonen hierbei, dass sich unsere Kritik, wohlwissend dass sich auch Katholiken unter den Opfern des NS-Faschismus befinden, beim Gedenken nicht an die katholische Kirche, sondern an die Person des Bischofs richtet", hieß es noch vor ein paar Monaten. Doch ausgerechnet der Regensburger Bischof ist es jetzt, der die Sinti und Roma im Dom "duldet", wo sein Bistum das Hausrecht hat – der Dom aber gehört dem Freistaat. "Duldung, kein Kirchenasyl", da ist auch die Lesart der Situation, die der Generalvikar des Bistums, Michael Fuchs, verbreitet – er achtet akribisch darauf, keinen Präzedenzfall zu schaffen. So sei die politische Frage hinter der Besetzung "von den politischen Verantwortlichen auf den entsprechenden Ebenen zu klären", hieß es.

Fragwürdig ist aber auch, wer eigentlich hinter der Gruppe steht, die den Dom besetzt hält. Als Sprecher tritt Isen Asanovski in Erscheinung – der wiederum war aber ebenfalls an der Besetzung des Hamburger Michels im September 2015 sowie zweier Berliner Kirchen beteiligt – zuletzt im Juni 2016. Haben sich die Regensburger Antifa und die von Asanovski organisierten Sinti und Roma zusammen getan? Manches spricht dafür, zum Beispiel, wer die Demo vor dem Dom organisierte.

"Den Dom haben sie zugesperrt, weil sie Angst hatten, dass der ein oder andere Radikale da reingeht und sich nur von der Polizei raustragen lässt", sagt ein gemütlicher, untersetzter Sicherheitsdienst-Mitarbeiter. Er steht gleich beim Domkreuzgang, dort, wo sonst die weltberühmten Domspatzen den Sonntagsanzug gegen das Messgewand austauschen. Wo am Sonntag schon wieder Messen stattfinden sollen, sperrte man am Samstag vorsorglich die Kathedrale zu. Doch statt der erwarteten 1.000 Demonstranten aus ganz Deutschland kamen nur eine Handvoll – derweil jazzten Tausende von Touristen bei weißblauem Himmel auf dem Jazz-Weekend. Das reiche Regensburg bleibt teilnahmslos angesichts der Dom-Besetzung.

Dabei wird, von vielen Bürgern oftmals unbemerkt, in Regensburg richtig viel für Sinti und Roma getan, wenn auch nicht immer freiwillig. Die wohlhabende Stadt, die günstig von Osteuropa aus zu erreichen ist, erlebt seit vielen Jahren eine Zunahme an Bettlerbanden, die – ohne rechtsextreme Klischees bedienen zu wollen, doch häufig ist das eben so – oftmals aus Sinti- und Roma-Familien kommen. Doch in den letzten Jahren haben sich immer mehr Familien aus Osteuropa auch in Regensburg niedergelassen – was die Behörden vor große Probleme stellt. Die erst seit zwei Jahren im Amt befindliche bunte Stadtregierung hat ein Programm aufgelegt, vor allem, weil die Kinder der Familien schulpflichtig sind – allein 100 Kinder betreut man in einem Projekt, das man extra für Familien aus diesem Kulturkreis geschaffen hat.

Und auch die dunkle Seite des reichen Regensburgs hat man dabei schon zu Gesicht bekommen: Ein stadtbekannter Hausbesitzer vermietet bis heute sanierungsbedürftige Räume zu horrenden Preisen an Sinti und Roma, die sich in Regensburg als Tagelöhner verdingen – nach Schilderungen von Betroffenen steht oft als einzige Stromquelle eine Autobatterie im Zimmer. Dass die Sinti und Roma unter diesen Bedingungen dennoch nach Regensburg kommen, zeigt, wie schlecht sie in ihrer bisherigen Heimat behandelt wurden. Die Armut ist offenbar bitter.

Es ist also durchaus die pure Verzweiflung und die eigene Not, die jene Menschen zur Besetzung des Domes trieb – und die sich nun einschlägige linksextreme Kreise zunutze machen.

Und auch die Jugendorganisation der SPD, die Jusos, nutzen die Situation, um politisch Stimmung zu machen. "Wir sind mit den jüngsten Entscheidungen des Bundestages zur Ausweitung der sogenannten sicheren Herkunftsstaaten nicht einverstanden", verlautbarte etwa die örtliche Juso-Vorsitzende. Carolin Wagner. Die Antifa ist da radikaler. Auf einem Flyer, der auf der Seite der Regensburger Gruppe getwittert wurde, heißt es wörtlich: "Wer kommen will, soll kommen! Wer bleiben will, soll bleiben!" Ob ausgerechnet der Regensburger Bischof nun diese Forderungen zumindest für die rund 40 betroffenen Sinti und Roma in die Tat umsetzt, ist noch offen.

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