Kirche
Kardinal Müller: Der Deutsche, der den Papst einfängt

10.07.2017 | Stand 13.09.2023, 3:09 Uhr
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Mit den Kardinälen Gerhard Ludwig Müller und Walter Kasper sind es zwei Deutsche, die Wortführer in der Weltkirche unter Franziskus sind. Der Konservative Müller versucht nun, harte Kante zu zeigen: „Nichts“ habe der Papst an der Kirchenlehre seiner Vorgänger verändert.

REGENSBURG_25ROM Schwere Zeiten für die Konservativen in der Kirche: Papst Franziskus hat mit seinem Schreiben „Amoris Laetitia“ ein Zeichen gesetzt. Beide Fraktionen – sowohl die Progressiven hinter Kardinal Walter Kasper, als auch die Konservativen hinter Kardinal Gerhard Ludwig Müller versuchen nun, ihre Position darin zu finden. Für Kasper ist das nicht schwer. Denn nach zwei Bischofssynoden in Rom, die sich mit Fragen der Familien, aber auch der Zulassung zur Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene befasste, war der Jubel bei den Progressiven groß. „Jetzt kann es sein, dass man in Köln die Kommunion bekommt und in Krakau nicht“, sagte eine bekannte Katholikin im Nachgang zu dem Schreiben. Denn der Papst hat keineswegs die bisherige Lehre, wonach eine gültig geschlossene Ehe unauflöslich ist, in Frage gestellt – wohl aber sprach er von Ausnahmen.

Das Fazit vieler Bischöfe: Sie können selbst entscheiden, ob in ihrer Diözese wiederverheiratete Geschiedene zur Kommunion zugelassen werden. Und Franziskus setzte sogar noch eins drauf: Nun lässt er prüfen, ob auch Frauen als Diakone eingesetzt werden dürfen.

Merklich schwer fiel es dem konservativen Präfektender der Glaubenskongregation, Gerhard Ludwig Müller, sich zu dem Text des Papstes zu verhalten. Seine Position wird sehr unterschiedlich bewertet – die einen finden, der Papst hält nur aus Gefälligkeit an ihm fest, weil sein Vorgänger Papst Benedikt XVI. ihn eingesetzt haben. Vatikan-Insider aber sagen, der theologisch wenig versierte Franziskus ist froh um einen der weltbesten Theologen an seiner Seite. Franziskus ist der Mann fürs Bauchgefühl, Müller für die Gesetzestafeln und den Kopf.

Und Müller stellt nun klar: An der Lehre der Kirche hat sich nichts geändert. In einer Rede am 4. Mai im Priesterseminar von Oviedo in Spanien stellte Müller klar, es gebe keinen Zweifel an der Disziplin der kirchlichen Lehre bezüglich der Ehe: „Es wurde verschiedentlich behauptet, Amoris Laetitia habe diese Disziplin aufgehoben. Denn sie würde wenigstens in bestimmten Fällen den Empfang der Eucharistie durch wiederverheiratete Geschiedene erlauben, ohne dass diese ihre Lebensführung (…) ändern würden, indem sie die neue Verbindung aufgeben oder in ihr als Bruder und Schwester leben“, so Müller. „Darauf ist folgendes zu antworten: Hätte Amoris Laetitia eine so verwurzelte und so gewichtige Disziplin aufkündigen wollen, hätte sich das Schreiben deutlich ausgedrückt und die Gründe dafür angegeben“, sagte der Glaubenspräfekt wörtlich. „Es gibt jedoch darin keine Aussage in diesem Sinne. Der Papst stellt in keinem Augenblick die Argumente seiner Vorgänger in Frage.“

Für Kirchen-Beobachter ist das, was Franziskus durch Amoris Laetitia geschafft hat, dennoch ein echter Coup: Er hat der Debatte die Spitzen genommen, so die verhärteten Fronten aufgebrochen. Die Konservativen hinter Müller können weiter sagen, dass die Kirchenlehre unverrückbar seit zwei Jahrtausenden steht – übrigens in vielerlei Hinsicht eine gewagte These. Die Progressiven hinter Kasper können auf das Papier verweisen und vor Ort, also fern von Rom, Gnade vor Kirchenrecht ergehen lassen.

Klar positioniert hat sich der nun zurückgetretene Mainzer Kardinal Karl Lehmann hinter Kaspers gestellt – gegen seinen ehemaligen Schüler Müller. „Er hat sich verändert“, sagte Lehmann dem Kölner Stadtanzeiger. Aber: „Jeder Schüler muss seinen eigenen Weg gehen.“ 

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