Politik
Eklat im Landratsamt: Flüchtlingskrise bringt Bürgermeister auf die Barrikaden

10.07.2017 | Stand 13.09.2023, 3:07 Uhr
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Normalerweise treffen sich die Bürgermeister des Landkreises zum Kaffeetrinken im Landratsamt. Doch diesmal war alles anders: Die Flüchtlingskrise führte zu einem Eklat.

REGENSBURG Normalerweise treffen sich die Bürgermeister des Landkreises im Landratsamt eher bei gemütlicher Stimmung: Es gibt Kaffee, man plaudert über dies und das, schimpft ein wenig auf die große Politik und geht dann wieder. So kurz nach Neujahr klagt man als Gemeindechef, dass man von Jahreshauptversammlung zu Neujahrsempfang hetzt. Die Wochenenden und Abende sind für Bürgermeister im Januar belegt.

Doch diesmal war alles anders. Nach Angaben mehrerer Teilnehmer kam es bei der letzten Bürgermeister-Versammlung am 25. Januar im Landratsamt zu einem Eklat. Ausgelöst wurde die Kontroverse zwischen den Kommunalpolitikern durch Landrätin Tanja Schweiger selbst: Sie hat die Gangart in Sachen Flüchtlingsunterbringung erhöht. „Sie hat uns gesagt, dass sie als Krisenmanagerin alles getan hat, was sie konnte – jetzt will sie Mietangebote vorgelegt bekommen.“ Dann warf sie das Menetekel an die Wand: Die Zahlen, sie sind auch für den Landkreis Regensburg erschreckend. 200 sogenannte Fehlbeleger sind derzeit in den Unterkünften, das sind Menschen, die anerkannte Asylbewerber sind. Sie müssten eigentlich ausziehen. Doch das Problem: Wenn sie keine Wohnung finden, gelten sie in den jeweiligen Gemeinden als obdachlos.

Zuletzt hatte der Landshuter Landrat Peter Dreier mit einer Fahrt nach Berlin auf dieses Problem aufmerksam gemacht. In Landshut sind es 400 Fehlbeleger. „Wenn ich Dienst nach Vorschrift machen würde, müsste ich die Fehlbeleger vor den Rathäusern absetzen“, sagte Dreier zu dieser Zeitung. „Dann müssten sich halt die Bürgermeister um sie kümmern.“

Laut Angaben von Sitzungsteilnehmern entzündete sich an Dreier auch der Eklat: Die Freien-Wähler-Bürgermeister sollen den Begriff „Wortbruch“ in den Raum gestellt haben, während die CSUler Tanja Schweiger als die Schuldige an der Situation ausmachten.

Freie Wähler sprachen von Kanzler-Wortbruch Dabei gibt es ein pikantes Detail: In den etwa 40 Landkreis-Gemeinden gibt es nur zwölf, die bislang keine Flüchtlinge aufgenommen haben: Alteglofsheim, Altenthann, Brennberg, Holzheim, Köfering, Mötzing, Pfakofen, Riekofen, Thalmassing und Bach an der Donau sind allesamt von Freien Wählern regiert. Hinzu kommen Wolfsegg (SPD) und Duggendorf (CSU). Nun kann das daran liegen, dass es sich um eher kleine Orte handelt. Oder aber an der Parteifarbe der Landrätin. Dass das allerdings absurd ist, zeigt das Beispiel Alteglofsheim: Hier hat die Kirche angekündigt, eine Unterkunft für 150 Menschen bauen zu wollen. Widerstand kam hier vor allem vom CSU-Ortschef, der gleichzeitig das Büro von MdB Graf Lerchenfeld leitet. Floriansprinzip?

Auch die CSU ist tief gespalten. Auf der einen Seite argumentierten in der Sitzung die Bürgermeister Johann Pollinger (Hemau), Christian Kiendl (Schierling) und Heinz Kiechle (Neutraubling) für einen Konsens, für Anpacken statt Wegducken.

Doch kürzlich verbreitete der Sinzinger Bürgermeister Peter Grossmann eine Pressemitteilung, in der es wörtlich hieß: „Die von der Bundesregierung ausgerufene Willkommenskultur mit dem damit verbundenen erhöhten Zuzug von Flüchtlingen wird von der breiten Gesellschaft in unserem Land nicht mehr mitgetragen.“

Landrätin Tanja Schweiger hat den Landkreis-Bürgermeistern klar gemacht, dass sie im Zweifel die Zügel anziehen wird. „Wenn man ihr nicht hilft, will sie nach Quote verteilen“, so ein Teilnehmer der Sitzung. Das kennt man vom Bund: Da hatte Bayern auch erst die Last zu tragen, jetzt fahren die Busse gleich weiter in andere Bundesländer.

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