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Militante Tierschützer machen Tierärztin das Leben zur Hölle

10.07.2017 | Stand 13.09.2023, 3:12 Uhr
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Eine Pentlinger Tierärztin hat wegen zweier Katzen die Hölle auf Erden erlebt. Doch sie ging juristisch gegen jene vor, die im Internet gegen sie mobil machten. Und sie entdeckte: Es gibt auch andere Leidensgenossen, denen vermeintliche Tierschützer das Leben zur Hölle machen.

REGENSBURG Als der Shitstorm über sie hereinbrach, da wusste Dr. Sabine Götz überhaupt nicht, was das ist. Facebook? Kannte sie aus den Medien. Selbst aber war sie in dem sozialen Netzwerk gar nicht unterwegs. „Aber das hat mein Leben verändert“, sagt die Tierärztin aus Pentling heute. Seit vergangenen November führt sie einen brutalen Kampf. Gegen eine Hydra aus dem Internet. Denn wenn sie gegen eine Beschuldigung vorgeht, kursiert schon eine andere. Es ist wie das Bild „Das Gerücht“ von Paul Weber: Aus einer Lüge wird ein Ungeheuer.

Was war geschehen? Eigentlich nur das, was für die Tierärztin, die auch eine Tierpension in Pentling betreibt, Tagesgeschäft ist. Anfang Oktober wendet sich ein älterer Mann an sie mit den beiden Katzen Mimi und Momo. Sie sollen zwei Wochen in ihre Pension, da er ins Krankenhaus müsse. Es meldet sich auch eine Frau bei der Tierärztin, die sich als Betreuerin ausgibt. Am 16. Oktober schreibt sie der Tierärztin in einer Mail wörtlich: „Ich habe sie (die Katzen, d. Red.) vor einiger Zeit in ebay Kleinanzeigen eingestellt, um einen alleinstehenden älteren Menschen zu finden“, so die Frau. „Es kamen einige Anfragen, aber nicht das Richtige für die beiden“, schreibt sie noch. „Zwei süße Samtpfoten suchen lebenden Dosenöffner, gerne Rentner“, hieß es in der Kleinanzeige. Die Katzen sollten einen neuen Halter finden. „Ich habe mich auf die Suche gemacht“, sagt Dr. Götz heute, „und schließlich einen älteren Herren in Hainsacker gefunden, der bereits Katzen hatte.“ Dort leben Mimi und Momo bis heute.

Eigentlich könnte die Geschichte hier zu Ende sein – und wäre gar keine. Doch das, was Dr. Götz seither erlebte, hätte sie sich in ihren kühnsten (Alb)-Träumen nicht vorgestellt. Denn im November erscheint eine Kleinanzeige auf ebay, in der sie als Tierhändlerin bezeichnet wird. Sie habe die Katzen einfach unterschlagen. „Ich wusste nicht, wie mir geschieht – doch plötzlich riefen mich Freunde und Patienten an, schrieben mir Mails und sagten: Du, was ist denn da los?“

Der Shitstorm, er hatte aber gerade erst angefangen.

Denn der frühere Tierhalter und seine vermeintliche Betreuerin gaben keine Ruhe. Bis die Vorwürfe im sozialen Netzwerk Facebook in einer Gruppe über vermisste Tiere die Runde machten. Seither hagelte es Drohbriefe, Morddrohungen – der Mob, er hatte ein Opfer gefunden: die Pentlinger Tierärztin. „Da schrieben Menschen Dinge über mich, die konnte ich mir bis dahin nicht vorstellen“, erzählt Frau Götz heute. Wörtlich „posteten“ Menschen auf Facebook Sätze wie diese: „Da wird kein Stein mehr auf dem anderen bleiben“ oder „Die Bude wird heute Nacht mit Tierarzt brennen“. Morddrohungen also. Doch nicht nur Leib und Leben wurden bedroht, sondern auch Götz‘ Existenz: „Die ist insolvent“, schrieb eine Frau auf Facebook. Das ist ein Straftatbestand: Kreditgefährdung. Das kann teuer werden – und im Gefängnis enden. Plötzlich tauchten sogar Leute auf, die behaupteten, sie hätten bei Dr. Götz in Pentling gearbeitet – alles Humbug. Verleumdungen.

Die Tierärztin weiß sich nicht mehr zu helfen, sie beauftragt einen auf Internet-Recht spezialisierten Anwalt. Vergangene Woche kam es zur Gerichtsverhandlung – und zu einem Versäumnisurteil, denn der beklagte frühere Katzenbesitzer erschien nicht, wohl aber sein Anwalt. Kurzfristig wurde diesem noch im Gerichtssaal das Mandat entzog – per Einschreiben.

Götz hat sich zwischenzeitlich mit dem Phänomen auseinander gesetzt. „Es gibt mehr als 400 Anwälte in Deutschland, die auf solche Fälle spezialisiert sind“, sagt die Tierärztin. „Einer sagte mir: Wenn man einen Shitstorm auslösen will, dann verbreitet man etwas mit Kindern oder Tieren – das geht immer.“ An den Fakten, an der Wahrheit, sei im Internet keiner interessiert. Übrigens auch Facebook nicht: Während man auf politischen Druck nachgegeben hat und nun eine Stelle einrichtet, die Hass-Kommentare löschen soll, etwa gegen Flüchtlinge, ist der Otto Normalverbraucher, dessen Ruf vernichtet wird, faktisch auf sich allein gestellt. Bei der Polizei ist man restlos überfordert, schickt Polizeibeamte auf Fortbildungen, um überhaupt zu begreifen, was die sozialen Medien sind.

Bundesverband der Tierärzte kümmert sich Götz hat Leidgenossen gefunden. „Der Bundesverband der Tierärzte will sich des Themas nun annehmen“, sagt sie. Militante Tierschützer sind schon lange ein Problem. Ein Lied davon singen können beispielsweise Betriebe, die auf Dulten Ponyreiten anbieten. Veterinäre stellen hier regelmäßig fest, dass es den Tieren bestens geht. Das hält die vermeintlichen Tierschützer jedoch nicht davon ab zu mobilisieren. Der Gesellschaft ist es egal, obwohl das fahrende Volk eigentlich geschützt werden sollte – nachdem viele Sinti und Roma sind und im Dritten Reich verfolgt wurden.

Eine Kollegin hat Götz ausfindig gemacht, der es ähnlich erging wir ihr. Die vermeintlichen Tierschützer hatten ihr in den Verleumdungen im Netz einen Spitznamen gegeben: „Dr. Missgeburt“.

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