Justiz
Urteil im Bandidos-Prozess: Geldstrafe für Roßmüller – keine Vorstrafe!

09.07.2017 | Stand 13.09.2023, 2:12 Uhr
−Foto: Foto: Eckl

Urteil im Rocker-Prozess: Der NPD-Politiker Sascha Roßmüller ist am Mittwoch vor dem Landgericht Regensburg wegen der Blutnacht von Straubing zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen verurteilt worden, ebenso wie zwei weitere Bandidos. Ein weiterer Angeklagter wurde wegen Körperverletzung zu drei Jahren und neun Monaten verurteilt.

REGENSBURG Milde Strafe für Sascha Roßmüller: Statt Landfriedensbruch und  schwerer Körperverletzung wurde der NPD-Funktionär und Bandido lediglich wegen Beihilfe zur Körperverletzung verurteilt – mit 80 Tagessätzen ist er nicht einmal vorbestraft. Zwei weitere Täter wurden ebenfalls zu 80 Tagessätzen verurteilt, einen weiteren angeklagten Bandido sah das Gericht als den Haupttäter an, er wurde wegen Körperverletzung zu einer Haftstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt – allerdings nur deshalb, weil weitere Haftstrafen "verrechnet" wurden.

"Sowohl die Täter, als auch die Verletzten haben keine Angaben zur Tat gemacht, was ungewöhnlich ist", sagte Richter Georg Kimmerl. "Der Rechtsstaat kann aber bei einer Auseinandersetzung zwischen Rockern nicht wegschauen, auch wenn es kein Interesse bei den Benachteiligten gibt", so der Richter weiter.  

Die Staatsanwaltschaft warf Roßmüller und weiteren Mitgliedern der Rocker-Gang Bandidos vor, in der sogenannten „Blutnacht von Straubing“ in der Nacht des 25. Dezember 2010 konkurrierende Mitglieder der Rocker-Gang MC Gremium brutal überfallen zu haben. Dabei wurde ein Mitglied der Gremium-Rocker verletzt, doch auch ein Bandidos-Mitglied, das nun auf der Anklagebank saß, musste ins Krankenhaus. Ursprünglich hatte Oberstaatsanwalt Klaus Dieter Fiedler gemeinschaftlichen Landfriedensbruch angeklagt, doch bereits in seinem Plädoyer nahm er von diesem Anklagepunkt Abstand: Man konnte Roßmüller und seinen Bandidos-Kumpanen nicht nachweisen, sich zur „Blutnacht von Straubing“ verabredet zu haben.

Dennoch: "Die Kammer ist überzeugt, dass die Aggression nicht vom MC Gremium, sondern von den Bandidos ausging", so Richter Kimmerl. Die Kammer war aber nicht überzeugt, dass Roßmüller und zwei weitere Bandidos Waffen einsetzen wollten, als es zur Auseinandersetzung am ersten Weihnachtsfeiertag 2010 kam. Nicht Roßmüller habe ein Mitglied des Gremiums verletzt, sondern vielmehr ein Mitangeklagter, der jetzt zu einer Haftstrafe verurteilt wurde.

In seinen letzten Worten vor dem Urteil war Roßmüller, der noch während der Untersuchungshaft im Herbst 2014 in den Landesvorstand der NPD in Bayern gewählt wurde, bemüht, sich als politisches Opfer zu stilisieren. „Die Dimension des Verfahrens geht weit über meinen Fall hinaus“, sagte Roßmüller. So beruhe die Schilderung der Anklage „auf Hörensagen“ sowie „auf der Aussage eines Hochkriminellen, der Augrund eines Zeugenschutzprogramms für seine kriminellen Taten keine Strafe bekam, während ich für eine Tat bestraft werden soll, obwohl mir nicht einmal der Staatsanwalt genau sagen kann, wen ich verletzt haben soll. Er habe keinen Eintrag im Bundeszentralregister, während der Kronzeuge in dem Verfahren „Tag für Tag Straftaten beging. Dieses Verfahren ist ein Lackmustest für die Frage: Ist wirklich jeder Mensch gleich vor dem Gesetz?“

Auf den Justizbehörden lastete von Anfang an erheblicher politischer Druck: Seit Jahren geht das Bayerische Innenministerium unter Minister Joachim Herrmann gegen Roßmüller vor. So entzog ihm das Landratsamt Straubing-Bogen bereits Anfang 2013 den Gewerbeschein, er musste seinen Sicherheitsdienst, von dem er seinen Lebensunterhalt bestritt, einstellen. Innenminister Herrmann befürchtete, dass sich Rocker mit NPD-Nähe zunehmend bewaffnen könnten und dafür Sicherheitsdienste als Tarnung nutzten. „Fortwährendes Ziel ist es, eng mit der Polizei und weiteren Sicherheitsbehörden zusammen zu arbeiten, um dauerhaft der Erteilung waffenrechtlicher Erlaubnisse an diesen Personenkreis entgegenzuwirken bzw. bereits bestehende Berechtigungen zu entziehen“, hieß es dazu bereits im Verfassungsschutzbericht 2013 mit Bezug auf Roßmüller. Seit dem Entzug des Gewerbescheins ist Roßmüller arbeitslos.

Am Rande des Prozesses sorgte eine weitere Nachricht für Aufsehen, die ein Schlaglicht auf die politische Dimension des Prozesses wirft: Ein früheres Bandidos-Mitglied, Mario F., wurde nach langem Hin und Her in ein Zeugenschutzprogramm der Polizei aufgenommen. Wie das Wochenblatt berichtete, kam es im Zuge der Ermittlungen gegen Roßmüller und seinen Bandidos zu einer Enttarnung des V-Mannes. Dieser hatte mit Wissen des Landeskriminalamtes für die Rocker in Dänemark gestohlene Bagger nach Deutschland bringen sollen, doch bei einer Polizeikontrolle bei Waldsassen (Landkreis Tirschenreuth) enttarnten die Autobahnpolizisten 2011 den Zuträger der Behörden.

Bereits 2013 hatte sich der Mann, der derzeit in einem Berufungsprozess in Würzburg für eine Reduzierung einer langjährigen Haftstrafe wegen Drogenhandels kämpft, mit einer Petition an den Bayerischen Landtag gewandt – weil er behauptete, er habe die Straftaten im Auftrag des LKA begangen. Derzeit ermittelt die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth gegen drei LKA-Beamte, ob Strafvereitelung im Amt vorliegt, gegen drei weitere Beamte werden Ermittlungen geprüft. Es waren die Führungsbeamten des Ex-Bandidos, der nach Angaben seines Rechtsanwaltes Alexander Schmidtgall auch auf Roßmüller angesetzt war. Wegen der Sperrung von als „Vertraulich – nur für den Dienstgebrauch“ eingestufter Akten der Innenstaatssekretär  Gerhard Eck ins Visier der Opposition im Landtag. Sein Chef, Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, musste sich vor dem Landtag rechtfertigen. Eck hatte auf eine Anfrage der Grünen geantwortet, dass die Polizei am 9. Dezember 2015 die Aufnahme des V-Mannes angeordnet hatte. „Dieser Vorgang macht mich fassungslos“, sagte Grünen-Abgeordnete Ulrike Gote. So mache diese nachträgliche Entscheidung „deutlich, dass das Innenministerium 2013 einer ganz fatalen Fehleinschätzung der Bedrohungssituation unterlegen war“, schloss Gote.

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