Aufklärung
Missbrauch bei den Domspatzen: Strom von Meldungen – Anwalt erbittet mehr Zeit zur Aufklärung

09.07.2017 | Stand 30.07.2023, 15:01 Uhr
−Foto: Foto: Eckl

Die Aufklärung des Missbrauchsskandals bei den Regensburger Domspatzen nimmt nach Angaben des Anwalts Ulrich Weber vom Weißen Ring mehr Zeit in Anspruch, als ursprünglich gedacht. Grund sei der "nicht abreißende Strom von Meldungen".

REGENSBURG Wir dokumentieren die Mitteilung des Anwalts im Wortlaut:

Beurteilen, ohne zu urteilen erfordert ein Höchstmaß an Information. Mit diesem Anspruch bin ich im Mai dieses Jahres an die Aufgabe als unabhängig agierender Untersucher der Missbrauchs- und Misshandlungsfälle bei den Regensburger Domspatzen von 1945 bis heute gegangen. Zu diesem Zeitpunkt war für mich – nach mehreren Vorgesprächen und der Abstimmung der Projektstruktur mit den Auftraggebern von Untersuchung, Gutachten und Bericht, was insgesamt etwa acht Wochen in Anspruch nahm – lediglich der Eindruck klar, dass ich unabhängig und neutral arbeiten könnte.

Die gute Nachricht: Dieser Eindruck hat sich bestätigt. Nicht nur bezüglich der Opfervertretung, die meine Einschätzung unserer bisher problemlosen und offenen Zusammenarbeit aktuell teilt. Entgegen dem vereinzelten Eindruck von Opferseite erlebe ich bisher auch von Seiten der Verantwortlichen bei den Domspatzen und bei der Diözese die von Anfang an von mir eingeforderte Unabhängigkeit und Aktentransparenz. Mir wurden und werden alle Unterlagen zugänglich gemacht, die ich anfordere, wovon ich auch in der Zukunft ausgehe.

Wie ist nun der Stand der Dinge im Verfahren selbst? In den ersten fünf Monaten konnte ich zahlreiche Gespräche mit Opfern und Verantwortlichen führen. Am Anfang meiner Tätigkeit formulierte ich explizit, nicht zu wissen, wie tief das kalte Wasser sei, in das ich springe. Inzwischen sehe ich den Grund und kann abschätzen, wie tief ich zu tauchen habe. Für mich die passende Gelegenheit, im Sinne der Transparenz, die Öffentlichkeit über den Status des Untersuchungs-, Gutachtens- und Berichtsauftrages zu informieren.

Die wichtigste Aussage meinerseits: Das Herzstück der Untersuchung – nämlich die Betroffenengespräche und das Aktenstudium – nehmen mehr Zeit in Anspruch, als es vorab einzuschätzen war. Diese Gesprächs- und Informationsarbeit war und ist für mich jedoch die unabdingbare Basis für meinen Aufklärungsauftrag. De facto sehe ich den bisher nicht abreißenden Strom von Meldungen, der mich direkt oder über eine Kontaktaufnahme beim Verein Weisser Ring e. V. erreichte, als sehr positiv. Ich kann hier nur noch einmal dazu aufrufen, dass sich weiterhin möglichst viele Betroffene selbst melden respektive Beteiligte mit Opferkontakten das Gespräch mit mir vermitteln sollten, damit ich Art, Ausmaß und Intensität der Geschehnisse bei den Domspatzen und den Umgang mit denselben früher und in jüngster Vergangenheit so exakt wie möglich erfassen kann.

Auch für die sinnvolle Besetzung des angekündigten Beraterkuratoriums stellten die Gespräche mit Betroffenen eine wesentliche Grundvoraussetzung dar. Diese Besetzung steht nun weitestgehend fest und wird zur Konstituierung des Beraterkuratoriums Ende Januar oder Anfang Februar 2016 bekannt gegeben. Vorschnell personelle Details zu nennen, halte ich für nicht sinnvoll. Mein Ziel ist jedoch klar, Opfer wie Verantwortliche an einen Tisch zu bringen. Das Kuratorium besteht deshalb zu gleichen Teilen aus Vertretern beider Seiten. Bereits beim Ettaler Opfer-Modell hat diese Vorgehensweise anerkanntermaßen zu einer erfolgreichen Aufarbeitung geführt. Nach Konstituierung des Kuratoriums wird aus meiner aktuellen Sicht voraussichtlich im Februar 2016 ein erster Zwischenbericht auf seriöser Basis möglich sein.

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